Kategorien - Kant


Eine ganz neue Kategorienlehre begründet KANT. Er leitet sie aus der Gesetzmäßigkeit des Denkens, aus der »reinen Vernunft« (s. d.), aus der Denktätigkeit, als Formen (s. d.) dieser, ab; nicht sind sie Abstraktionen aus dem Erfahrungsinhalt, sondern sie sind etwas die Erfahrung Formendes, Gestaltendes, Konstituierendes, Bedingendes, sie sind a priori (s. d.), transzendental (s. d.), nicht als Begriffe angeboren (s. d.), gehen aber aller möglichen Erfahrung logisch voran, d.h. sie gelten notwendig und allgemein- gewiß im vorhinein für jede Erfahrung, weil sie eben die Formen unseres Denkens und damit auch alles Gedachten, Erkannten sind. Sie machen (actuale, geordnete) Erfahrung erst möglich, setzen erst Einheit und gesetzmäßigen Zusammenhang in den Erfahrungsinhalten. Das ist ihre Function; sie dienen nur der Anwendung auf Erfahrungsinhalte, nicht auf Dinge an sich, sind also nur »Subjektiv« (d.h. nichttranszendent). Schon in seiner vorkritischen Periode bestimmt Kant die Kategorien als »reine Verstandesbegriffe.« »Cum... in metaphysica non reperiantur principia empirica, conceptus in ipsa obvii non quaerendi sunt in sensibus, sed in ipsa natura intellectus puri, non tanquam conceptus connati, sed e legibus menti insitis (attendendo ad eius actiones occasione experientiae) abstracti, adeoque acquisiti. Huius generis sunt possibilitas, existentia, necessitas, substantia, causa etc. cum suis oppositis aut correlatis; quae cum numquam seu partes repraesentationem ullam sensualem ingrediantur, inde abstrahi nullo modo potuerunt« (De mund. sensib. sct. II, § 8). - Zur Verbindung des Mannigfaltigen der Anschauung bedarf es einer einheitsetzenden Synthese. »Diese Synthesis auf Begriffe zu bringen, das ist eine Funktion, die dem Verstande zukommt, und wodurch er uns allererst die Erkenntnis in eigentlicher Bedeutung verschaffet.« »Die reine Synthesis, allgemein vorgestellt, gibt nun den reinen Verstandesbegriff,« die Kategorie (Krit. d. r. Vern. S. 95). Sie ist also der Begriff eines Denkaktes bezw. dessen Produktes, der Synthese, der Einheitsform. Nun ist aber nach Kant die Einheitsfunction im Anschauen dieselbe Funktion, »welche den verschiedenen Vorstellungen in einem Urteile Einheit gibt« (ib.). »Auf diese Weise entspringen gerade so viel reine Verstandesbegriffe, welche a priori auf Gegenstände der Anschauung überhaupt gehen, als es... logische Funktionen in allen möglichen Urteilen gab: denn der Verstand ist durch gedachte Funktionen völlig erschöpft und sein Vermögen dadurch gänzlich ausgemessen. Wir wollen diese Begriffe, nach dem Aristoteles, Kategorien nennen« (1. e. S. 96). Es gibt zwölf Kategorien, die in vier Klassen zu bringen sind:

 

Kategorientafel (Kritik der reinen Vernunft S. 96):

 

Es gibt Kategorien

 

1) der Quantität:

Einheit

Vielheit

Allheit

 

2) der Qualität:

Realität

Negation

Limitation

 

3) der Relation:

Inhärenz und Subsistenz (Substanz und Accidens)

Kausalität und Dependenz (Ursache und Wirkung)

Gemeinschaft (Wechselwirkung)

 

4) der Modalität:

Möglichkeit - Unmöglichkeit

Dasein - Nichtsein

Notwendigkeit - Zufälligkeit.

 

Das sind die »ursprünglich reinen Begriffe, die der Verstand a priori in sich enthält, und um derentwillen er auch nur ein reiner Verstand ist; indem er durch sie allein etwas bei dem Mannigfaltigen der Anschauung verstehen, d. i. ein Objekt denken kann«. Die Einteilung ist »systematisch aus einem gemeinschaftlichen Prinzip, nämlich dem Vermögen zu urteilen« (l.c. S. 97). Die Kategorien sind »die wahren Stammbegriffe des reinen Verstandes« (ib.). Zu ihnen kommen noch die »Prädikabilien« (s. d.), »reine, aber abgeleitete« Verstandesbegriffe (Kraft, Handlung, Leiden, Widerstand, Veränderung u.s.w.) (l.c. S. 98). Die Kategorientafel zerfällt in zwei Abteilungen, »deren erstere auf Gegenstände der Anschauung (der reinen sowohl als der empirischen), die zweite aber auf die Existenz der Gegenstände (entweder in Beziehung aufeinander oder auf den Verstand) gerichtet ist«. Die erste Klasse ist die der »mathematischen«, die zweite die der »dynamischen« Kategorien (l.c. S. 99). Eine »artige« Betrachtung ist es, »daß allerwärts eine gleiche Zahl der Kategorien jeder Klasse, nämlich drei, sind...

Dazu kommt aber noch, daß die dritte Kategorie allenthalben aus der Verbindung der zweiten mit der ersten ihrer Klasse entspringt« (ib.). Die Kategorien (Prädikamente) sind »Denkformen« für den Begriff von einem Gegenstande der Anschauung überhaupt, sie sind für sich von den Formen der Sinnlichkeit (s. d.) nicht abhängig (Üb. d. Fortschr. d. Met. S. 112). Sie sind synthetische »Funktionen« (l.c. S. 116), »Gedankenformen« (Krit. d. r. Vern. S. 671), »reine Erkenntnisse a priori, welche die notwendige Einheit der reinen Synthesis der Einbildungskraft, in Ansehung aller möglichen Erscheinungen, enthalten« (l.c. S. 129). Sie gelten a priori, notwendig, für alle Erfahrung, bestimmen diese a priori gesetzmäßig. Die Berechtigung (»Möglichkeit«) dazu und die Möglichkeit der Beziehung dieser Subjektiv-formalen Begriffe auf Objekte zeigt die »transzendentale Deduktion« (s. d.) der Kategorien (l.c. S. 107 ff.). Die objektive Gültigkeit der Kategorien beruht eben darauf, »daß durch sie allein Erfahrung (der Form des Denkens nach) möglich sei«. Sie sind Bedingungen der Erfahrung. Ohne sie kann nichts Objekt der Erfahrung sein, nur vermittelst ihrer kann ein Gegenstand der Erfahrung gedacht werden (l.c. S. 109 f.). Zuletzt liegt die Notwendigkeit der Kategorien in der »Beziehung, welche die gesamte Sinnlichkeit, und mit ihr auch alle möglichen Erscheinungen, auf die ursprüngliche Apperzeption (s. d.) haben, in welcher alles notwendig den Bedingungen der durchgängigen Einheit des Selbstbewußtseins gemäß sein, d. i. unter allgemeinen Funktionen der Synthesis stehen muß, nämlich der Synthesis nach Begriffen, als worin die Apperzeption allein ihre durchgängige und notwendige Identität a priori beweisen kann«. Diese Identität (s. d.) muß in die Synthesis der Erscheinungen hineinkommen, und deshalb sind »die Erscheinungen Bedingungen a priori unterworfen, welchen ihre Synthesis (der Apprehension) durchgängig gemäß sein muß, d.h. die Erscheinungen stehen unter notwendigen Gesetzen« (l.c. S. 124 f.) Der reine Verstand ist in den Kategorien »das Gesetz der synthetischen Einheit aller Erscheinungen«. Der Verstand zeigt in seinen Synthesen seine »Spontaneität« (s. d.) (l.c. S. 662 ff.). Warum diese gerade zwölf Kategorien hervorbringt, können wir nicht wissen (l.c. S. 668). - Die Kategorien verschaffen nur Erkenntnis, wenn sie auf (mögliche) Anschauungen angewandt werden; sie haben keinen Gebrauch als nur für »Gegenstände möglicher Erfahrung« (l.c. S, 668 f.). Sie haben »keine Bedeutung, wenn sie von Gegenständen der Erfahrung abgehen und auf Dinge an sich selbst (Noumena) bezogen werden sollen. Sie dienen gleichsam nur, Erscheinungen zu buchstabieren, um sie als Erfahrung lesen zu können« (Prolegom. § 30). Ihr Gebrauch ist ein immanenter (s. d.) (WW. IV, 76). »Unsere sinnliche und empirische Anschauung kann ihnen allein Sinn und Bedeutung verschaffen« (l.c. S. 670). Was der Verstand »aus sich selbst schöpft, ohne es von der Erfahrung zu borgen«, das hat er »dennoch zu keinem andern Behuf, als lediglich zum Erfahrungsgebrauch«. Abgesehen von der Anschauung, sind die Kategorien »ein bloßes Spiel, es sei der Einbildungskraft oder des Verstandes« (l.c. S. 224). »Der Begriff bleibt immer a priori erzeugt, samt den synthetischen Grundsätzen oder Formeln aus solchen Begriffen; aber der Gebrauch derselben und Beziehung auf angebliche Gegenstände kann am Ende doch nirgends als in der Erfahrung gesucht werden, deren Möglichkeit (der Form nach) jene a priori enthalten.« »Daher können wir auch keine der Kategorien definieren, ohne uns sofort zu Bedingungen der Sinnlichkeit, mithin der Form der Erscheinungen herabzulassen, als auf welche, als ihre einzigen Gegenstände, sie folglich eingeschränkt sein müssen« (l.c. S. 142 ff.). Die Kategorien bedürfen »Bestimmungen ihrer Anwendung auf Sinnlichkeit überhaupt«, des transzedentalen »Schemas« (s. d.). Die Schemata »realisieren« die Kategorien und »restringieren« sie auf die Sinnlichkeit (l.c. S. 142 ff.). Die Kategorien haben transzendentale Bedeutung, aber nur empirischen Gebrauch, sie gelten nur für Phänomene (s. d.), setzen ein empirisch Gegebenes zur Anwendung voraus (l.c. S. 229 ff., 234). Durch die Kategorien lassen sich nur Erfahrungsobjekte erkennen, zu praktischen Zwecken aber können sie auch auf das Übersinnliche bezogen werden (Krit. d. prakt. Vern. I. T., 1. Bd., 1. Hptst.). Die Apriorität der Kategorien erklärt die Möglichkeit synthetischer Urteile (s. d.) a priori. - Es gibt auch »Kategorien der Freiheit«, die auf die Bestimmung eines freien Willens gehen und die Form des reinen Willens zur Grundlage haben. Sie sind »praktische Elementarbegriffe« (Krit. d. prakt. Vern. S. 79). Die Tafel derselben ist folgende (l.c. S. 81):

 

Kategorien der

 

1) Quantität:

Subjektiv, nach Maximen: Willensmeinungen des Individuums

Objektiv, nach Prinzipien: Vorschriften

A priori sowohl als subjektive Prinzipien der Freiheit: Gesetze.

 

2) Qualität:

Praktische Regeln des Begehens (praeceptivae)

Praktische Regeln des Unterlassens (prohibitivae)

Praktische Regeln der Ausnahmen (exceptivae).

 

3) Relation:

Auf die Persönlichkeit

Auf den Zustand der Person

Wechselseitig einer Person auf den Zustand der andern.

 

4) Modalität:

Das Erlaubte und Unerlaubte

Die Pflicht und das Pflichtwidrige

Vollkommene und unvollkommene Pflicht.

 


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