Kausalität - Wundt, Mill, Czolbe, Rée
WUNDT unterscheidet vom »substantiellen« Kausalbegriff, dessen Ursprung ein anthropomorpher ist, den »aktuellen«, der Vorgänge (nicht Dinge) miteinander verknüpft; er enthält nichts Metaphysisches (Syst. d. Phil.2, S. 290 f., Log. I2, S. 595 ff.). Die naturwissenschaftliche Bedeutung des Kausalprinzips besteht darin, daß der gesamte Zusammenhang der Erscheinungen als einziges System von Gründen und Folgen betrachtet werden will. Die speciellen Naturgesetze sind schon Anwendungen des Kausalprinzips, das nicht zu entbehren, nicht zu »eliminieren« ist (Syst. d. Phil.2, S. 288 ff.; Log. II2, 1, S. 28, 30 f., 343 ff.; Phil. Stud. XIII, 98 f., 104, 404; Einleit. in d. Philos. S. 299). Betreffs des Ursprungs des Kausalbegriffs ist gegen HUME zu sagen, daß die Assoziation, auf die er sich berufe, zu viel erkläre, »weil sie über die Regeln, nach denen wir aus einer größeren Zahl assoziativ verbundener Erscheinungen diejenigen auswählen, denen wir eine Kausalverbindung zuschreiben, keine Rechenschaft gibt«. Die Annahme der Apriorität des Kausalbegriffs wiederum macht die Frage nach den Kriterien, die zur Anwendung dieses Begriffs veranlassen, nicht entbehrlich. Nach WUNDT liegt die Quelle der Notwendigkeit des Kausalgesetzes im Logischen, im Satz vom Grunde. Aus ihm geht das Kausalprinzip hervor, indem es »lediglich die Anwendung des letzteren auf den gesamten Inhalt der Erfahrung darstellt«. Es ist »Erfahrungsgesetz«, insofern es »für alle Erfahrung gilt, weil unser Denken nur Erfahrungen sammeln und ordnen kann, indem es sie nach dem Satz vom Grunde verbindet«. Apriorisch ist das Kausalprinzip, insofern es auf der Gesetzmäßigkeit des Denkens beruht, empirisch, insofern es Anschauungen voraussetzt, auf die es anwendbar ist. Es hat den Charakter eines Postulates, dem sich die Erfahrung überall fügt, wobei sie die Form der Anwendung des Kausalprinzips bestimmt. So setzt ihr die Erfahrung Schranken. Erst aus den besonderen Bedingungen der Raumanschauung und des Substanzbegriffs geht das Prinzip der Äquivalenz von Ursache und Wirkung hervor. Im Psychischen hat dieses keine Anwendung, hier herrscht vielmehr ein Princip des Wachstums geistiger Energie (s. d.) (Log. I2, S. 556, 606 ff., 611 ff., II2, 2, S. 141; Phil. Stud. X, 108, XII, 388, 393; Gr. d. Psych.5, S. 395 f.; Syst. d. Phil.2, S. 304). Vermittelst der psychischen Kausalität wird der Zusammenhang der Bewußtseinsvorgänge hergestellt. Diese Kausalität ist unmittelbar- anschaulicher Art, während die physische Kausalität begrifflich-abgeleitet ist. Beide Kausalitäten sind aber in Wahrheit nur eine, die sich von verschiedenen Standpunkten aus verschieden darstellt und die in der logischen Kausalität des Denkens in unmittelbarster Reinheit gegeben ist (Syst. d. Phil.2, 291, 593 f., 301; Log. I2, 625 ff., II2, 2, 291; Phil. Stud. X, 107, 109, 111). Die psychische Kausalität ist rein actueller Art, setzt keine Substanz (s. d.) voraus.
Auf die Erfahrung und auf Induktion wird das Kausalgesetz mehrfach zurückgeführt, wobei aber oft das Bedürfnis oder der Trieb nach Zusammenhang der Erfahrungen oder irgend eine allgemeine Voraussetzung immerhin als ein relativ Apriorisches anerkannt werden muß. J. ST. MILL führt das Kausalgesetz auf Induktion (s. d.) zurück, die aber selbst die Gleichförmigkeit des Naturverlaufes voraussetzt - was allerdings auch wieder Resultat allgemeinster Induktion sei. Im einzelnen erklärt sich das Kausalgesetz aus der Beobachtung einer »Unveränderlichkeit der Sukzession zwischen einer Tatsache in der Natur und einer andern, die ihr vorhergegangen ist« (Log. I, 386). Ein »ursprünglicher Fetischismus« ist es, »daß wir unsere Willensacte als Typus aller Kausalität auffassen« (l.c. S. 415). Wir verlegen unser Anstrengungsgefühl beim Überwinden eines Hindernisses in die Außendinge (Exam. p. 378). Nach C. GOERING ist das Kausalgesetz das Ergebnis der Induktion (Syst. d. Krit. Phil. II, 211). Es besagt, daß jede Wirkung ihre Ursache hat. Seinen Inhalt bildet »die durch Erfahrung hinlänglich bestätigte Voraussetzung, daß jede in die Erscheinung tretende Veränderung oder, konkreter gefaßt, jedes entstehende Objekt wie jeder Zustand nicht ein Letztes, Ursprüngliches, daher einfach als tatsächlich Anzuerkennendes, sondern eine Wirkung mehrerer Faktoren oder Elemente sei« (l.c. S. 209). Nach CZOLBE findet in jedem wahrnehmbaren Kausalzusammenhang »zunächst ein bloßes Nacheinander der Ursachen und der Wirkung« statt (Gr. u. Urspr. d. m. Erk. S. 64). Bestandteil des Kausalverhältnisses selbst ist die Notwendigkeit der Verknüpfung; ihr Wesen liegt darin, »daß gewisse Verhältnisse nur in einer Weise ausführbar sind oder stattfinden« (l.c. S. 67). Das gilt aber nur von der mechanischen Kausalität, alle anderen Vorgänge beurteilen wir, infolge eines logischen Bedürfnisses, nach Analogie jener (l.c. S. 67 f.). Nach P. RÉE stammt der Kausalbegriff aus der Erfahrung. »Kausalverhältnisse sind regelmäßige Folgeverhältnisse« (Philos. S. 144). Die Kausalität ist eine »Denkgewohnheit« (l.c. S. 155 ff., 168 f.).