Denken - Locke, Leibniz, Kant, Spencer
Als verbindend-trennende Tätigkeit bestimmt das Denken LOCKE, der die Beteiligung der willkürlichen Aufmerksamkeit am Denken beachtet (Ess. II, ch. 9, § 1). LEIBNIZ betrachtet jede Seelentätigkeit als ein (deutliches oder verworrenes) Denken; dieses ist im engeren Sinne ein vernünftiges Vorstellen, Reflexionsfähigkeit (Erdm. p. 464, 716). Unsere Gedanken (idées) »se forment par nous, non pas en conséquence de notre volonté, mais suivant notre nature et celle des choses« (l.c. p. 619b, 620a). Nach BAUMGARTEN ist Denkobjekt das Allgemeine (Akroas. Log. § 51). HOLBACH bestimmt das Denken als Fähigkeit des Menschen, »d'appercevoir en lui-même ou de sentir les différentes modifications ou idées qu'il a reçues, de les combiner et de les séparer, de les étendre et de les restreindre, de les comparer, de les renouveler« (Syst. d. l. nat. I, ch. 8, p. 112). Nach DESTUTT DE TRACY ist Denken = »sentir un rapport, appercevoir un rapport de convenance ou de disconvenance entre deux idées« (El. d'idéol. I, 23).
Eine Art Rechnen ist das Denken nach HOBBES, ein Addieren und Subtrahieren von Begriffen oder Worten. »Ratiocinari igitur idem est, quod addere et abstrahere, vel si quis adiungat his multiplicare et dividere. Computare est plurium rerum simul additarum summam colligere vel una re ab alia detracta cognoscere residuum« (El. phil. I, 1, 2, Leviath. I, 5). Auch BARDILI sieht im Denken eine Art Rechnen. So auch J. J. WAGNER (Organ. d. m. Erk. 1830). Und SCHOPENHAUER bemerkt: »Denken im strengsten Sinne ist etwas, das große Ähnlichkeit mit einer Buchstabenrechnung hat: die Begriffe sind Zeichen für Vorstellungen, wie Worte Zeichen für Begriffe sind: wir kennen die Beziehungen der Begriffe aufeinander und können deshalb die Begriffe hin und her werfen zu allerhand neuen Verbindungen, ohne daß wir nötig hätten, die Begriffe in Bilder der Phantasie von den Gegenständen, die sie vorstellen, zu verwandeln. Bloß beim Resultat pflegt dies zu geschehen« (Anmerk. S. 64 f.). Nach M. MÜLLER ist das Denken ein Kombinieren und Trennen (Das Denken im Lichte der Sprache S. 26). Denken ist Sprache (l.c. S. 69 ff.).
Als aktive, synthetische, Einheit setzende Funktion, aus der Begriffe entspringen, wird das Denken wiederholt bestimmt. Nach TETENS heißt denken »selbständig Vorstellungen bearbeiten und tätig mit dem Gefühl auf diese bearbeiteten Vorstellungen zurückwirken« (Phil. Vers. I, S. 607). »Denkkraft« ist das Vermögen der Seele, »womit sie Verhältnisse in den Dingen erkennt« (l.c. I, 295). KANT scheidet das Denken schroff von der Anschauung (s. d.). Das Denken ist Funktion der »Spontaneïtät« (s. d.) des Verstandes (Kr. d. r. V. S. 76). »Die Sache der Sinne ist, anzuschauen; die des Verstandes, zu denken« (Prolegom. § 22). Aber ohne Anschauung ist alles Denken »leer«. Denken ist »Vorstellungen in einem Bewußtsein vereinigen«, und da dies ein Urteilen ist, ist »denken so viel wie als urteilen oder Vorstellungen auf Urteile überhaupt beziehen« (ib., Krit. d. r. Vern. S. 88). Es ist »Erkenntnis durch Begriffe« (Kr. d. r. V. S. 89), anderseits »die Handlung, gegebene Anschauung auf einen Gegenstand zu beziehen« (l.c. S. 229). Bedingungen und Formen des Denkens sind die Kategorien (s. d.) des Verstandes. Die Einheit der Apperzeption (s. d.) liegt allem Denken zugrunde. CHR. E. SCHMID nennt als Denkfunktionen das Verbinden, Trennen, Vergleichen der Vorstellungen (Empir. Psychol. S. 226 f.). Nach S. MAIMON heißt denken »Einheit im Mannigfaltigen hervorbringen« (Vers. üb. d. Transc. S. 33). Nach KRUG ist das Denken »das mittelbare Vorstellen, welches darin besteht, daß ein gegebenes Mannigfaltiges von Vorstellungen zur Einheit eines Begriffs verknüpft wird« (Fundam. S. 175). KIESEWETTER definiert das Denken als »diejenige Handlung des Gemüts, wodurch Einheit des Bewußtseins in die Verknüpfung des Mannigfachen gebracht wird« (Gr. d. Log. § 10). Nach FRIES ist Denken die »willkürliche Tätigkeit« des Bewußtseins, welche im Urteile Erkenntnisse als Verbindungen allgemeiner Vorstellungen zum Bewußtsein bringt (Syst. d. Log. S. 94). G. E. SCHULZE bezeichnet als Denken alles das, »was im Erkennen und Vorstellen aus dem Entschlusse, es entstehen zu lassen, herrührt. Es zeigt aber nicht bloß das Vorstellen durch Begriffe an, sondern auch das Deutlichmachen jeder Art von Erkenntnis durch das willkürliche Verwenden der Aufmerksamkeit auf die Unterschiede an den Bestandteilen derselben, ferner das Vorstellen abwesender Dinge durch Erinnerung, desgleichen alles aus Gründen herrührende Urteilen, endlich das Vorstellen und Handeln nach Absicht« (Gr. d. allg. Log.3, S. 4). Nach DROBISCH ist Denken »ein Zusammenfassen eines Vielen und Mannigfaltigen in eine Einheit« (N. Darst. d. Log.5, S. 5). VOLKMANN bestimmt das Denken als »Verbinden und Trennen der Vorstellungen, das seinen Grund hat lediglich im Inhalte der betreffenden Vorstellungen selbst« (Lehrb. d. Psychol. II4, 238). Nach LIPPS ist Denken »objektiv bedingtes Vorstellen« (Gr. d. Log. S. 4), ein »Hinausgehen über das unmittelbare Tatsächliche zu dem, was um dieses Tatsächlichen willen gedacht werden muß« (ib.). Nach REHMKE ist das Denken ein aktiver Seelenproceß, der Zerlegen oder Unterscheiden und Verknüpfen enthält (Allg. Psychol. S. 478, 486). Nach HELMHOLTZ ist Denken »die bewußte Vergleichung der schon gewonnenen Vorstellungen unter Zusammenfassung des Gleichartigen zu Begriffen« (Vortr. u. Red. II4, 341). Als Vergleichung von Daten bestimmt das Denken TÖNNIES (Gem. u. Ges. S. 168 f.). H. SPENCER versteht unter Denken (thought) das Feststellen von Beziehungen (»establishment of relations«), das Zusammenordnen von Eindrücken und Ideen (Psychol. § 378), eine »Anpassung von inneren an äußere Beziehungen« (l.c. § 174).