5. Träume.


Von den Träumen wird schon lange behauptet, daß man aus ihnen Schlüsse auf das Seelenleben des Menschen ziehen könne. Lichtenberg, ein Zeitgenosse Goethes, hat einmal gesagt, daß man Wesen und Charakter eines Menschen aus seinen Träumen viel besser erschließen könne als aus seinen Worten und Handlungen. Das ist wohl etwas zu viel gesagt und wir, die wir auf dem Standpunkt stehen, einzelne Erscheinungen nur mit größter Vorsicht zu verwenden und sie erst in Verbindung mit anderen Erscheinungen zu deuten, werden aus den Träumen eines Menschen nur dann Schlüsse auf seinen Charakter ziehen, wenn wir auch von wo anders her Unterstützung für unsere aus einem Traum gewonnene Auffassung erhalten können.

Die Betrachtung der Träume hat eine uralte Geschichte. Verschiedene Momente in der Entwicklung der Kultur und ihrer Niederschläge, besonders in Mythen und Sagen, legen uns die Annahme nahe, man habe sich in alter Zeit mit Träumen viel mehr befaßt als heutzutage. Wir finden auch in jener Zeit ein viel besseres Verständnis dafür. Man erinnere sich an die ungeheure Rolle, die der Traum z. B. in Griechenland spielte, daß ferner Cicero ein Buch über Träume geschrieben hat, wie weiter in der Bibel Träume erzählt und überaus klug gedeutet werden oder es wird ein Traum nur erzählt, aber alle wissen sofort, worum es sich handelt (z. B. der Traum Josefs von den Garben, den er seinen Brüdern erzählte). Aus der Nibelungensage, also auf einem ganz anderen Kulturboden, können wir entnehmen, daß Träume damals Beweiskraft hatten.

Wenn wir uns damit beschäftigen, aus Träumen Anhaltspunkte für unsere Kenntnis der menschlichen Psyche zu gewinnen, so sind wir weit entfernt von jenen phantastischen Richtungen der Traumdeutung, die im Traum irgendein überirdisches Eingreifen vermuten. Wir gehen nur den bewährten Weg der Erfahrung und werden uns auf Aufstellungen, die wir uns an der Hand von Träumen machen, nur dann stützen, wenn wir auch aus anderweitigen Beobachtungen in unseren Annahmen bestärkt worden sind.

Immerhin ist es auffallend, daß sich bis auf den heutigen Tag die Neigung erhalten hat, den Träumen eine besondere Bedeutung in bezug auf die Zukunft beizumessen. Hierbei sollen jene Phantasten nur gestreift werden, die sogar so weit gehen, sich von ihren Träumen leiten zu lassen. So gelangte einer unserer Patienten dazu, sich jedes ehrlichen Berufes zu entschlagen und lieber an der Börse zu spielen. Das tat er immer entsprechend den Träumen, die er hatte. Er konnte sogar den historischen Nachweis dafür erbringen, daß sich die Umstände immer zu seinen Ungunsten gewendet hätten, wenn er einmal einem Traum nicht gefolgt habe.

Es ist naheliegend, daß er von nichts anderem träumen wird als von dem, was auch im wachen Zustand stetig Gegenstand seiner Aufmerksamkeit ist, daß er sich, wenn er sich nur sonst einigermaßen auskennt, im Traum einen Wink gibt. So konnte er durch längere Zeit behaupten, daß er unter dem Einfluß seiner Träume reichlich viel gewonnen habe.

Nach längerer Zeit erzählte er aber einmal, er gäbe auf seine Träume überhaupt nichts mehr. Er hatte nämlich alles wieder verloren. Das geht natürlich auch ohne Traum und es ist nichts daran, was uns an ein Wunder glauben machen könnte. Denn ein Mensch, der intensiv mit irgendeiner Aufgabe beschäftigt ist, gibt auch des Nachts keine Ruhe. Die einen machen das so, daß sie überhaupt nicht schlafen und dabei immer nachdenken, die anderen schlafen wohl, sind aber auch im Traum von ihren Plänen umfangen.

Was sich während des Schlafes in unserer Gedankenwelt in so sonderbaren Formen abspielt, ist nichts anderes als die Brücke vom Vortag zum nächsten Tag. Und wenn wir wissen, wie ein Mensch sonst Stellung zum Leben nimmt, wie er sonst diese Brücke zur Zukunft zu schlagen gewohnt ist, dann werden wir uns auch auf seinen merkwürdigen Brückenbau im Traume verstehen und Schlüsse ziehen können. Es ist somit eine Stellungsnahme zum Leben, die dem Traum zugrunde liegt.

Eine junge Frau erzählt folgenden Traum: Ihr träumte, ihr Mann habe an den Hochzeitstag vergessen und sie habe ihm darob Vorwürfe gemacht. — Dieser Traum kann an sich schon einiges bedeuten. Wenn ein solches Problem überhaupt auftauchen kann, so besagt uns dies, daß in dieser Ehe gewisse Schwierigkeiten vorhanden sind nach der Richtung hin, daß sich diese Frau verkürzt fühlt. Wohl erklärt sie, daß auch sie auf den Hochzeitstag vergessen habe. Sie aber ist es, die sich schließlich doch daran erinnert, während der Mann erst von ihr erinnert werden muß. So ist sie der bessere Teil. Auf eine weitere Frage erklärt sie, derartiges sei in Wirklichkeit noch nie vorgekommen, der Mann habe sich stets erinnert. Der Traum bewegt sich also um eine Befürchtung für die Zukunft: so ein Fall könnte einmal eintreten. Man kann daher weiter schließen, daß die Frau die Neigung habe, Vorwürfe zu finden, mit Argumenten zu kommen, die nicht greifbar sind, die Neigung, dem Mann etwas vorzuwerfen, was nur vielleicht einmal vorkommen könnte.

Nun wären wir noch immer unsicher, wenn wir nicht noch andere Belege in die Hand bekämen, die unsere Schlußfolgerungen bekräftigen. Nach ihren ersten Kindheitseindrücken befragt, erzählt sie von einer Begebenheit, die ihr immer im Gedächtnis geblieben ist. Sie wurde einmal als dreijähriges Kind von ihrer Tante mit einem geschnitzten Holzlöffel beschenkt, der ihr große Freude machte. Wie sie so damit spielte, fiel er ihr in den Bach und schwamm davon. Sie trauerte darüber viele Tage und in einer Weise, die die Aufmerksamkeit der Umgebung erregte.

Im Zusammenhang mit dem Traum sei nur bemerkt, daß sie jetzt wieder mit der Möglichkeit rechnete, es könnte ihr etwas »davonschwimmen«, die Ehe. Vielleicht wird der Mann auf den Hochzeitstag vergessen!

Ein anderes Mal träumte sie, der Mann führe sie ein hohes Gebäude hinauf. Der Stiegen werden immer mehr und bei dem Gedanken, sie könnte zu hoch gestiegen sein, wird sie von einem ungeheuren Schwindel erfaßt, bekommt einen Angstanfall und stürzt zusammen. So etwas kann einem auch im wachen Zustand widerfahren, wenn man an Höhenschwindel leidet, in dem sich weniger die Furcht vor der Höhe als vielmehr die vor der Tiefe widerspiegelt. Verbindet man diesen Traum mit dem ersten und verschmilzt das in diesen Träumen enthaltene Gedanken- und Gefühlsmaterial, dann hat man den deutlichen Eindruck, daß es eine Frau ist, die Angst hat, einen tiefen Fall zu tun, also Unheil fürchtet. Wir können ahnen, welches: Lieblosigkeit des Mannes oder dgl. Was wird geschehen, wenn der Mann in irgendeiner Weise nicht recht tauglich zur Ehe ist und Störungen verursacht? Es könnten Verzweiflungsakte folgen, die vielleicht einmal damit enden, daß die Frau wie leblos zusammenstürzt. Tatsächlich ist dies einmal im Verlauf einer häuslichen Szene geschehen.

Damit sind wir dem Verständnis des Traumes schon näher gekommen. Es ist gleichgültig, in welchem Material sich die Gedanken- und Gefühlswelt des Menschen während des Traumes auslebt, in welchem Material er sein Problem zum Ausdruck bringt, wenn ihm dieses Material nur irgendwie behilflich ist, sich auszudrücken. Im Traum verrät sich das Lebensproblem eines Menschen gleichnisweise (steige nicht zu hoch, damit du nicht zu tief fallest!). Wir erinnern uns da an die dichterische Reproduktion eines Traumes, an das Hochzeitslied von Goethe. Ein Ritter kommt vom Land zurück und findet sein Schloß verwahrlost. Müde legt er sich zu Bett und sieht nun im Traum kleine Gestalten unter dem Bett hervorkommen, er bemerkt, wie sich vor seinen Augen eine Zwergenhochzeit abspielt. Er ist von seinem Traum angenehm berührt. Es ist, wie wenn er sich in seinem Gedanken, da müsse eine Frau her, bestärken wollte. Was er hier im kleinen gesehen, das vollzog sich bald darauf im großen und er feierte seine eigene Hochzeit.

In diesem Traum sind bereits bekannte Elemente vorhanden. Sicherlich verbirgt sich dahinter eine eigene Erinnerung des Dichters an Momente, da er selbst mit dem Eheproblem beschäftigt war. Man sieht, wie der Träumer in seiner äußeren Not zum gegenwärtigen Stand seines Daseins Stellung nimmt, eine Stellungsnahme, die nach einer Hochzeit schreit. Er beschäftigt sich im Traum mit der Ehefrage, um am folgenden Tage den Entschluß zu fassen, es wäre eigentlich am besten, wenn er auch heiraten würde.

Im folgenden der Traum eines 28jährigen Menschen. Die Linie, die darin abwechselnd nach unten und dann wieder nach oben führt, zeigt ähnlich wie eine Fieberkurve die Bewegung an, von der das Seelenleben dieses Menschen erfüllt ist. Das Minderwertigkeitsgefühl, von dem aus die Bestrebungen nach oben, nach der Überlegenheit ausgehen, ist darin deutlich zu erkennen. — Er erzählt:

Ich mache einen Ausflug mit einer großen Gesellschaft. Auf einer Zwischenstation müssen wir, da das Schiff, auf dem wir fahren, zu klein ist, aussteigen und in der Stadt übernachten. In der Nacht kommt die Nachricht, daß das Schiff sinkt, alle Teilnehmer werden gerufen, um durch Pumpen das Sinken zu verhindern. Ich erinnere mich, daß ich unter meinem Gepäck wertvolle Sachen habe und eile zum Schiff, wo ich schon alle bei den Pumpen finde. Ich trachte, mich von dieser Arbeit zu drücken und suche den Gepäckraum auf. Es gelingt mir, meinen Rucksack durch das Fenster hinauszuziehen. Dabei erblicke ich neben demselben liegend ein Federmesser, das mir sehr gut gefällt; ich stecke es ein. Mit einem anderen Bekannten, den ich treffe, springe ich, da das Schiff immer tiefer sinkt, an einer verborgenen Stelle ins Meer und komme gleich auf den Grund zu liegen. Da die Mole zu hoch ist, wandere ich weiter und komme zu einer tiefen, steil abfallenden Schlucht, in die ich hinab muß. Ich rutsche herunter — meinen Begleiter habe ich seit dem Verlassen des Schiffes nicht mehr gesehen —, es geht immer schneller und ich fürchte, mich zu erschlagen. Endlich bin ich unten angelangt und falle gerade vor einem Bekannten nieder. Es war ein junger, mir im übrigen unbekannter Mann, der sich während eines Streiks in der Streikleitung sehr rührig betätigt hatte und mir dadurch sowie durch sein freundliches Wesen angenehm aufgefallen war. Er empfängt mich mit dem vorwurfsvollen Zuruf, wie wenn er wüßte, daß ich die andern auf dem Schiffe im Stich gelassen hatte: »Was suchst denn du hier?« Ich suchte aus der Schlucht herauszukommen, die überall von steilen Wänden umgeben war, an denen Seile herabhingen. Ich getraute mich nicht, sie zu benutzen, weil sie sehr dünn waren. Bei meinen Versuchen, hinaufzuklettern, glitt ich immer wieder herunter. Endlich war ich oben — ich weiß nicht mehr, wie —; es scheint mir, ich habe diesen Abschnitt des Traumes absichtlich nicht träumen, gleichsam wie in Ungeduld überspringen wollen. Oben am Rande der Schlucht geht eine Straße, die gegen die Schlucht durch ein Geländer geschützt ist. Hier gehen Leute vorüber und begrüßen mich freundlich.

Gehen wir im Leben des Träumers zurück, so hören wir zunächst, daß er bis zu seinem fünften Lebensjahr ununterbrochen an schweren Krankheiten gelitten hatte und auch weiterhin mit Krankheiten öfters darnieder gelegen war. Infolge seiner schwachen Gesundheit ängstlich von den Eltern behütet, kam er in dieser Zeit mit anderen Kindern fast überhaupt nicht zusammen. Wenn er sich an Erwachsene anschließen wollte, wurde er von den Eltern mit dem Hinweis, daß Kinder nicht vorlaut sein dürften und nicht unter Erwachsene gehören, abgeschoben. So versäumte er frühzeitig das, was zum Zusammenleben mit den Mitmenschen gehört und das nur im steten Kontakt mit ihnen erlernt werden kann. Eine andere Folge war, daß er hinter seinen gleichaltrigen Kameraden immer um eine große Spanne zurückblieb und nicht mit ihnen Schritt halten konnte. So war es nicht zu verwundern, wenn er unter ihnen immer als der Dumme galt und bald eine ständige Zielscheibe für ihren Spott wurde. Dieser Umstand hinderte ihn auch, Freunde zu suchen oder zu finden.

Durch solche Begebenheiten wurde sein außerordentlich starkes Minderwertigkeitsgefühl auf das höchste gesteigert. Seine Erziehung wurde von einem gutmütigen, aber jähzornigen Vater (Militär) und einer schwachen, unverständigen, aber überaus herrschsüchtigen Mutter geleitet. Obwohl die Eltern immer wieder ihren guten Willen betonten, muß diese Erziehung als eine ziemlich strenge bezeichnet werden. Eine besondere Rolle spielte darin die Demütigung. Bezeichnend und auch als früheste Kindheitserinnerung festgehalten ist eine Begebenheit, bei der ihn die Mutter, als er noch drei Jahre alt war, eine halbe Stunde lang auf Erbsen knien ließ. Der Grund hierfür war eine Unfolgsamkeit, deren Ursache — was die Mutter sehr wohl wußte, weil das Kind den Grund äußerte — die war, daß er aus Furcht vor einem Reiter eine Besorgung für die Mutter verweigert hatte. Geprügelt wurde er eigentlich selten. Kam es aber einmal vor, so geschah es immer mit einer mehrstriemigen Hundepeitsche und nie, ohne daß er nachträglich um Verzeihung bitten und dabei sagen mußte, warum er geprügelt worden sei. »Das Kind soll wissen«, sagte der Vater immer, »was es angestellt hat.« Und da trug es sich auch einmal zu, daß er ungerechterweise Prügel bekam, und als er nachher nichts sagen konnte, warum er geprügelt worden war, nochmals, und zwar so lange geprügelt wurde, bis er irgendeine Untat eingestand.

So war schon frühzeitig eine kämpferische Stimmung zwischen Eltern und Kind vorhanden. Das Minderwertigkeitsgefühl des Kindes hatte derartige Dimensionen angenommen, daß es ein Gefühl des Obenseins überhaupt nicht kannte. Sein Leben, in der Schule wie zu Hause, war eine fast ununterbrochene Kette von größeren oder geringeren Beschämungen. Selbst der kleinste Sieg — in seinem Sinne — war ihm versagt. In der Schule, auch als er noch 18 Jahre alt war, war er immer derjenige, der nur ausgelacht wurde. Einmal geschah dies sogar von Seiten eines Lehrers, der eine schlechte Arbeit einmal vor allen anderen vorlas und mit scharfen Bemerkungen verspottete.

Solche Begebenheiten drängten ihn immer mehr in die Isolierung hinein und er begann allmählich sich auch selbst geflissentlich von allen Anderen zurückzuziehen. Im Kampf mit den Eltern verfiel er auf ein zwar wirksames, aber doch für ihn folgenschweres Kampfmittel, er verzichtete auf die Sprache. Dadurch begab er sich des wichtigsten Anknüpfungsmittels für den Anschluß an die Umwelt. Er konnte bald mit niemand mehr ins Gespräch kommen. Er war völlig einsam geworden. Von niemand verstanden, sprach er mit niemand, vor allem nicht mit den Eltern und wurde auch von niemand mehr angesprochen. Alle Versuche, ihn mit andern zusammenzubringen, scheiterten. Es scheiterten aber späterhin — überaus schwer von ihm empfunden — alle Versuche, Liebesbeziehungen anzuknüpfen.

In dieser Weise ging sein Leben weiter bis zu seinem 28. Lebensjahr. Das tiefe Minderwertigkeitsgefühl, von dem sein Gemüt durchdrungen war, hatte zur Folge, daß ein Ehrgeiz ohnegleichen, ein unbändiges Streben nach Geltung und Überlegenheit ihn nicht zur Ruhe kommen ließ und sein Gemeinschaftsgefühl in unerhörter Weise drosselte. Je weniger er sprach, um so bewegter ging es in seinem Seelenleben zu, das Tag und Nacht mit Träumen und Siegen und Triumphen aller Art erfüllt war.

Und so träumte er eines Nachts den oben wiedergegebenen Traum, in dem sich deutlich die Bewegung wiederspiegelt, die Linie, auf der sich sein Seelenleben abspielte.

Zum Schluß noch einen von Cicero erzählten Traum, einen der berühmtesten prophetischen Träume:

Der Dichter Simonides, der einst den Leichnam irgendeines Unbekannten unbeachtet am Straßenrande angetroffen und für seine anständige Bestattung gesorgt hatte, wurde, als er später im Begriffe war, eine Schiffsreise zu unternehmen, von dem dankbaren Toten im Träume gewarnt: wenn er führe, würde er durch Schiffbruch umkommen. Er fuhr nicht, und alle, die fuhren, kamen um. (Siehe Enne Nielsen, Das Unerkannte auf seinem Weg durch die Jahrtausende, Ebenhausen b. München, Verlag Langewiesche-Brandt.) Wie berichtet wird, soll dieses Ereignis im Zusammenhang mit dem Traum auf Jahrhunderte hinaus ungeheures Aufsehen und einen tiefen Eindruck auf die Menschen gemacht haben.

Wenn wir zu diesem Vorfall Stellung nehmen, müssen wir vor allem festhalten, daß in jener Zeit wohl sehr oft Schiffe untergegangen sind, ferner aber auch, vielleicht wegen dieses Umstandes, daß es damals wohl sehr vielen Menschen geträumt haben mag, sie sollen von einer Reise Abstand nehmen, und daß unter diesen vielen Träumen eben dieser ein solches Zusammenfallen von Traum und Wirklichkeit darstellt, daß er infolge dieser Besonderheit der Nachtwelt erhalten blieb. Es ist begreiflich, daß Menschen, die eine Neigung haben, geheimnisvollen Zusammenhängen nachzuspüren, für solche Erzählungen ein besonderes Faible haben, während wir nüchtern den Traum dahin auslegen: Unser Dichter hat in der Sorge um sein leibliches Wohlergehen wohl nie besondere Lust gezeigt, die Reise zu machen und als die Entscheidungsstunde nahte, griff er zu einer Verstärkung. Er ließ sich gleichsam den Toten kommen, der sich ihm nun dankbar erweisen sollte. Daß er jetzt nicht fuhr, ist selbstverständlich. Und wäre dieses Schiff nicht untergegangen, dann hätte die Welt von der ganzen Geschichte wahrscheinlich nie etwas erfahren. Denn wir erfahren nur Dinge, die unser Gehirn in Unruhe versetzen, die uns nahelegen sollen, daß zwischen Himmel und Erde mehr Weisheit verborgen ist, als wir uns träumen lassen. Das Prophetische im Traum ist insofern verständlich, weil beides, Traum und Wirklichkeit, die gleiche Stellungnahme eines Menschen beinhalten.

Zu denken gibt uns noch der Umstand, daß nicht alle Träume so einfach zu verstehen sind, eigentlich die wenigsten. Entweder wir vergessen den Traum sofort, oder, wenn er einen bestimmten Eindruck hinterläßt, verstehen wir gewöhnlich nicht, was dahintersteckt, es sei denn, daß wir zufällig Traumdeutung erlernt haben. Auch für diese Träume gilt das oben Gesagte, daß der Traum gleichnisweise, symbolisch die Bewegungslinie eines Menschen wiedergibt. Die Hauptbedeutung eines Gleichnisses ist die, daß es uns in eine Situation hineinführt, in der wir stark mitschwingen. Ist man mit der Lösung eines Problems beschäftigt und neigt die Persönlichkeit nach einer bestimmten Richtung, dann, sucht man erfahrungsgemäß nach einem Schwung. Da ist nun der Traum überaus geeignet, den Affekt, die Verve, die man zur Lösung eines Problems in einem bestimmten Sinne braucht, zu verstärken. Es ändert an dieser Tatsache nichts, daß der Träumer diesen Zusammenhang nicht versteht. Es genügt, daß er das Material und den Schwung hat. In irgendeiner Weise wird dann der Traum die Spur bezeichnen, in der sich die Gedankentätigkeit des Träumers abdrückt, er wird also die Bewegungslinie des Träumers andeuten. Es ist wie der Rauch, der anzeigt, daß irgendwo ein Feuer brennt. Ein erfahrener Mensch wird aus dem Rauch sogar Schlüsse auf das Holz ziehen können, das brennt.

Zusammenfassend können wir somit sagen, daß der Traum eines Menschen anzeigt, daß der Träumer mit einem Problem des Lebens beschäftigt ist, sowie, in welcher Weise er dazu Stellung nimmt. Insbesondere werden sich auch im Traum jene beiden Faktoren geltend machen und sich wenigstens in Spuren erkennen lassen, die den Träumer auch in der Wirklichkeit bei seiner Stellungsnahme zur Umwelt beeinflussen: das Gemeinschaftsgefühl und sein Streben nach Macht.


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