§ 13. Die Ursachen des bisherigen Elends der Wissenschaften


Der allgemeine, wesentliche Grund, warum die Wissenschaften sich bisher nicht heben konnten, ist nur ein einziger nämlich dieser: daß sie sich von ihrer Wurzel, der Natur und Erfahrung, losgerissen haben, denn was die Natur zu seiner Grundlage hat, das wächst und gedeiht, was aber nur auf Meinungen sich stützt, das erleidet wohl mannigfache Veränderungen, hat aber keine fortschreitende Bewegung. (»N. O.«, I, A. 74)

Die besondern Ursachen aber des bisherigen traurigen Zustandes der Wissenschaften, namentlich der Naturphilosophie, ihrer Mutter, sind verschiedene, unter andern folgende: das alte eingewurzelte Vorurteil, daß der menschliche Geist sich von seiner Würde etwas vergäbe, wenn er sich mit Experimenten und den besondern, sinnlichen, in die Materie versenkten Dingen viel und anhaltend beschäftige; der Aberglaube und blinde unvernünftige Religionseifer, von jeher der lästigste und unversöhnlichste Gegner der Naturphilosophie, der schon bei den Griechen diejenigen der Irreligiosität beschuldigte, die vor den noch ungewohnten Ohren der Menschen Blitz und Donner aus natürlichen Ursachen ableiteten, und bei manchen Kirchenvätern diejenigen verketzerte, welche bewiesen, daß die Erde rund sei und es folglich notwendig Antipoden gäbe; die ausschließliche Beschäftigung mit der Moral und Politik, welche die Römer, und mit der Theologie, welche seit den christlichen Zeiten allein die vortrefflichsten Köpfe ganz in Anspruch nahm; der Übelstand, daß die Naturphilosophie bisher selbst unter den Männern, die sich ihrem Studium widmeten, keinen freien und ganzen Menschen fand, besonders in neuern Zeiten, wo man die Naturphilosophie endlich nur als Brücke, als Übergangspunkt zu andern Gegenständen betrachtete und behandelte; die große Autorität, die gewisse Philosophen erhielten, und die Verehrung des Altertums, die aus einer ganz verkehrten Ansicht der Welt hervorging; denn die Zeit, die in Rücksicht des Weltalters, welches doch allein den richtigen, objektiven Maßstaß zur Schätzung des Alters der Menschheit abgibt, die jüngere ist, betrachteten sie als das Altertum, dagegen unsere Zeit, die doch in Rücksicht des Weltalters die ältere ist und der daher auch wegen ihrer größeren Reife und Menge von Kenntnissen und Erfahrungen der Vorrang vor der früheren gebührt, als das jüngere Zeitalter; endlich eine gewisse Mutlosigkeit und Verzweiflung an der Möglichkeit der Überwindung der vielen und großen Schwierigkeiten bei der Erforschung der Natur, eine Verzweiflung, die sich auch der ernstesten und besonnensten Männer bemächtigte, daher die Meinung bei ihnen entstand, die Wissenschaften hätten periodenweise ihre Ebbe und Flut, zu gewissen Zeiten stiegen sie, zu andern Zeiten sänken sie, bei einem gewissen Grade aber trete endlich ein völliger Stillstand ein. (l. c., A. 79-92)

 


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