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Rheumatismus

Rheumatismus eigentlich Fluß, von der Laienvorstellung (für den ja ohnehin alles Reißen Rheuma ist) des Herumfließens des Krankheitstoffes im Körper, gemeinsame klinische Bezeichnung für schmerzhafte Krankheiten der Gelenke und Muskeln, die durch Erkältung und oft durch infektiöze oder toxische Einflüsse entstanden sind und zwar nach Ausschaltung jedes Pseudo-Rheumatismus, d. h. aller der Erscheinungen, die nach genauer Untersuchung sich als andere Erkrankungen feststellen lassen wie etwa Nieren -, Gallensteine, Quetschung eines Nerven usw. und vor allem eigentliche Gicht. 1. Infektiöser Gelenkrheumatismus, eine nicht ansteckende, durch Erkältungen, feuchte Wohnungen und schlechten Ernährungszustand begünstigte Infektionskrankheit zw. 15—30. Lebensjahre; die Erreger, Streptokokken, Pneumokokken u. a. sollen meist in den akut oder chronisch erkrankten Mandeln oder in kleinen Eiterverhaltungen der Nasenhöhle, kranke Zahnwurzeln, der Harnröhre, des Cervixkanals, in Bronchiektasien, Furunkeln, Hämorrhoiden usw. sitzen. Die Gelenke sind serös oder serofibrinös entzündet, meist zu mehreren oder vielen, oft auch Schleimbeutel und Sehnenscheiden; oft besteht zugleich Endokarditis, hauptsächlich mitralis, seltener Pleuritis, Perikarditis, Peritonitis, Iritis, Chorea, Nephritis. Die Gelenkerkrankung beruht nicht auf Verschleppung der Bakterien, sondern auf Toxinwirkung, als anaphylaktische Reaktion. Zuweilen kommt sekundäre Infektion der Gelenke durch Streptokokken, Pneumokokken usw. hinzu, also eine Art Pyämie. Die akuten Gelenkrheumatismen bei Scharlach, Gonorrhoe sind besondere Formen, Rheumatoide, auch teils anaphylaktisch, teils Gelenkinfektionen. Unter Frost oder wiederholtem Frösteln und Fieber werden meist zahlreiche Gelenke in Schüben befallen, unterheftigen Schmerzen, oft mit Schwellung und Rötung. Fälle mit höchstem Fieber, hyperpyretischer Gelenkrheumatismus (42°—43°), gehören wohl zur Pyämie und zu den Seltenheiten. Manche Fälle, chronischer Gelenkrheumatismus, verlaufen unscheinbar, ohne Fieber, mit periartikulären Schwellungen, die oft fälschlich als Gicht gedeutet werden, vgl. HEBERDENsche Knoten. Er entsteht primär schleichend oder entwickelt sich aus den akuten. Durch die Endokarditis schließen sich oft Herzklappenfehler an. 2. Chronische Arthrosen, in zwei Formen, als Arthritis deformans, s. d., und als Periarthritis destruens UMBER, primäre schleichende Entzündung und Schrumpfung der Gelenkkapsel und des periartikulären Gewebes, erstere auf Stoffwechselgiften, letztere auf Störungen der inneren Sekretion beruhend. 3. Rheumatismus musculorum, Muskelrheumatismus, Myalgia rheumatica, akute oder chronische Schmerzen mit Behinderung der Bewegungen in einzelnen Muskeln oder Muskelgruppen; die verschiedenen Formen s. unter Myalgia. Ursache Erkältung oder infektiös-toxische Einwirkungen wie bei akutem Gelenkrheumatismus, womit sich der Muskelrheumatismus öfters vereinigt. Vgl. Polymyositis. 4. Rheumatismus nodosus a) = Arthritis deformans. b) bei Kindern vorkommende Form des akuten Gelenkrheumatismus, wobei sich haupt- sächlich subkutane Knötchen an Sehnen, Bändern und Periost nahe den Gelenken bilden, MEYNET in Lyon 1875, REHN. 5. Rheumatismus gonorrhoicus s. Gonorrhoismus. 6. Rheumatismus scarlatinosus s. Rheumatoide. 7. Rheumatismus tuberculosus PONCET 1905, chronische Gelenktuberkulose in akuten und subakuten Schüben, rein entzündlich und steril, zu Ankylose führend. — England verliert jährlich etwa 15000 Kinder in Schuljahren an Herzleiden nach Gelenkrheumatismus, ferner sind 1/6 aller invaliden Arbeiter durch Rheumatismus invalid. In Österreich sind 1/2 der Kriegsinvaliden invalid durch chronischen Rheumatismus. In Deutschland fallen auf 23 000 Invalidenfälle durch Tbc, 24000 auf rheumtische Erkrankung der Bewegungsorgane.