Disputation

 

 

Doch die wasserscheuen Juden

Schütteln sich und grinsen schnöde.

Rabbi Juda, der Navarrer,

Hub jetzt an die Gegenrede:

 

»Um für deine Saat zu düngen

Meines Geistes dürren Acker,

Mit Mistkarren voll Schimpfwörter

Hast du mich beschmissen wacker.

 

So folgt jeder der Methode,

Dran er nun einmal gewöhnet,

Und anstatt dich drob zu schelten,

Sag ich Dank dir, wohlversöhnet.

 

Die Dreieinigkeitsdoktrin

Kann für unsre Leut' nicht passen,

Die mit Regula-de-tri

Sich von Jugend auf befassen.

 

Daß in deinem Gotte drei,

Drei Personen sind enthalten,

Ist bescheiden noch, sechstausend

Götter gab es bei den Alten.

 

Unbekannt ist mir der Gott,

Den ihr Christum pflegt zu nennen;

Seine Jungfer Mutter gleichfalls

Hab ich nicht die Ehr' zu kennen.

 

Ich bedaure, daß er einst,

Vor etwa zwölfhundert Jahren,

Ein'ge Unannehmlichkeiten

Zu Jerusalem erfahren.

 

Ob die Juden ihn getötet,

Das ist schwer jetzt zu erkunden,

Da ja das Corpus delicti

Schon am dritten Tag verschwunden.

 

Daß er ein Verwandter sei

Unsres Gottes, ist nicht minder

Zweifelhaft; soviel wir wissen,

Hat der letztre keine Kinder.

 

Unser Gott ist nicht gestorben

Als ein armes Lämmerschwänzchen

Für die Menschheit, ist kein süßes

Philantröpfchen, Faselhänschen.

 

Unser Gott ist nicht die Liebe;

Schnäbeln ist nicht seine Sache,

Denn er ist ein Donnergott

Und er ist ein Gott der Rache.

 

Seines Zornes Blitze treffen

Unerbittlich jeden Sünder,

Und des Vaters Schulden büßen

Oft die späten Enkelkinder.

 

Unser Gott, der ist lebendig,

Und in seiner Himmelshalle

Existieret er drauflos

Durch die Ewigkeiten alle.

 

Unser Gott, und der ist auch

Ein gesunder Gott, kein Mythos

Bleich und dünne wie Oblaten

Oder Schatten am Cocytos.

 

Unser Gott ist stark. In Händen

Trägt er Sonne, Mond, Gestirne;

Throne brechen, Völker schwinden,

Wenn er runzelt seine Stirne.

 

Und er ist ein großer Gott.

David singt: Ermessen ließe

Sich die Größe nicht, die Erde

Sei der Schemel seiner Füße.

 

Unser Gott liebt die Musik,

Saitenspiel und Festgesänge;

Doch wie Ferkelgrunzen sind

Ihm zuwider Glockenklänge.

 

Leviathan heißt der Fisch,

Welcher hause im Meeresgrunde;

Mit ihm spielet Gott der Herr

Alle Tage eine Stunde -

 

Ausgenommen an dem neunten

Tag des Monats Ab, wo nämlich

Eingeäschert ward sein Tempel;

An dem Tag ist er zu grämlich.

 

Des Leviathans Länge ist

Hundert Meilen, hat Floßfedern

Groß wie König Ok von Basan,

Und sein Schwanz ist wie ein Zedern.

 

Doch sein Fleisch ist delikat,

Delikater als Schildkröten,

Und am Tag der Auferstehung

Wird der Herr zu Tische beten

 

Alle frommen Auserwählten,

Die Gerechten und die Weisen -

Unsres Herrgotts Lieblingsfisch

Werden sie alsdann verspeisen,

 

Teils mit weißer Knoblauchbrühe,

Teils auch braun in Wein gesotten,

Mit Gewürzen und Rosinen,

Ungefähr wie Mateloten.

 

In der weißen Knoblauchbrühe

Schwimmen kleine Schäbchen Rettich -

So bereitet, Frater Jose,

Mundet dir das Fischlein, wett ich!

 

Auch die braune ist so lecker,

Nämlich die Rosinensauce,

Sie wird himmlisch wohl behagen

Deinem Bäuchlein, Frater Jose.

 

Was Gott kocht, ist gut gekocht!

Mönchlein, nimm jetzt meinen Rat an,

Opfre hin die alte Vorhaut

Und erquick dich am Leviathan.«

 

Also lockend sprach der Rabbi,

Lockend, ködernd, heimlich schmunzelnd,

Und die Juden schwangen schon

Ihre Messer wonnegrunzelnd,

 

Um als Sieger zu skalpieren

Die verfallenen Vorhäute,

Wahre spolia opima

In dem wunderlichen Streite.

 

Doch die Mönche hielten fest

An dem väterlichen Glauben

Und an ihrer Vorhaut, ließen

Sich derselben nicht berauben.

 

 


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Seite zuletzt aktualisiert: 19.09.2005 
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