§ 79. Gott das Prinzip aller Tätigkeit und Bewegung der Natur
Gott ist ebenso wie das Prinzip aller geistigen Bewegungen das Prinzip aller Wirkungen und Bewegungen in der Natur. Denn die Materie ist durchaus ohne Tätigkeit. (Ebd., Liv. I, ch. 1) Die heidnischen Philosophen nahmen zwar zur Erklärung der Wirkungen in der Natur substantielle Formen, reelle Qualitäten und andre ähnliche Wesenheiten an; allein, wenn man die Idee der Ursache oder der Macht zu wirken sorgfältig untersucht, so stellt diese Idee unbezweifelbar etwas Göttliches vor. Denn die Idee einer höchsten Macht ist die Idee der höchsten Gottheit, und die Idee einer geordneten Macht die Idee einer niederen, aber dennoch wahren Gottheit, wenigstens im Sinne der Heiden, vorausgesetzt nur, daß sie die Idee einer Macht oder wahren Ursache ist. Man nimmt daher etwas Göttliches in den Körpern an, wenn man Formen, Fähigkeiten, Qualitäten, Kräfte oder reelle Wesen, die durch die Kraft ihrer Natur gewisse Wirkungen hervorzubringen imstande sind, annimmt, und gerät so unmerklich durch die Verehrung der Philosophie der Heiden in ihre Gesinnungen hinein. Denn es ist nicht einzusehen, wie man nicht wahre Mächte oder Ursachen fürchten und lieben sollte, Wesen, die auf uns wirken, die uns strafen können mit Schmerzen, lohnen mit Vergnügungen, und noch schwerer aber ist es einzusehen, wie man sie nicht verehren sollte, da Furcht und Liebe die wesentlichen Bestandteile der Verehrung ausmachen. Allein, wie es nur einen wahren Gott gibt, so gibt es auch nur eine wahre Ursache, die Natur oder Kraft jedes Wesens ist nur der Wille Gottes. Alle Naturursachen sind nicht wahre Ursachen, sie sind nur die gelegenheitlichen Ursachen. (T. II, Liv. VI, P. II, ch. 3)
Alle Körper, sie mögen nun klein oder groß sein, haben nicht die Kraft oder das Vermögen, sich zu bewegen. Aber ebenso, wie den Körpern das Vermögen mangelt, sich zu bewegen, mangelt den Geistern die Kraft, sie zu bewegen. Ihr Wille ist nicht imstande, auch nur den allerkleinsten Körper von der Welt zu bewegen; denn es findet offenbar keine notwendige Verbindung zwischen unserm Willen, z.B. den Arm zu bewegen, und der Bewegung selbst dieses Armes statt. Es ist allerdings wahr, daß sich der Arm bewegt, wenn wir es wollen, und wir also die natürliche Ursache der Bewegung unsers Armes sind. Aber die natürlichen Ursachen sind nicht die wahren Ursachen, sondern nur die gelegentlichen oder veranlassenden, die selbst nur durch die Kraft und Wirksamkeit Gottes wirken. Eine wahre Ursache ist nur eine solche, mit welcher die Wirkung in einer notwendigen Verbindung steht. Nun kann aber nur zwischen dem Willen Gottes, d. i. des unendlich vollkommnen und allmächtigen Wesens, und zwischen der Bewegung der Körper der Geist eine notwendige Verbindung, und zwar eine solche erkennen, daß es ein Widerspruch wäre, wenn auf seinen Willen oder Befehl, daß ein Körper bewegt sei, doch keine Bewegung erfolgte. Gott allein ist also die wahre Ursache und hat wahrhaft das Vermögen in sich, die Körper zu bewegen. Alle Kräfte der Natur sind in der Tat und Wahrheit nur der Wille Gottes. (Ebd.)