Jacob Voorhoeve |
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Homöopathie in der Praxis |
Medizin |
(1908) |
"Das beste Mittel zur Beförderung des Blutkreislaufs ist zweckmäßige Bewegung."
(Prof. Bock.)
Die Massage ist ein wichtiger Faktor bei der Behandlung vieler Krankheitszustände. Den alten Völkern war sie schon in der Form des Einreibens bekannt. Gegenwärtig wird dieselbe mehr im besonderen von Massierern und Massiererinnen ausgeübt, welche durch ein bestimmtes Studium die Fähigkeit zur Anwendung dieses Zweiges der Heilkunde erlangt haben. In allen schwierigen Fällen, z. B. bei Frauenkrankheiten, wird der behandelnde Arzt die Massage selbst zur Ausführung bringen. Zur Erlangung guter Resultate sind genügende Kenntnis der anatomischen Verhältnisse des Körpers und genaue Ausführung der verschiedenen Anwendungen dieser Kunst stets notwendig, wobei zu gleicher Zeit auch auf die Eigenart des vorliegenden Krankheitsfalles und auf die Empfindlichkeit des Kranken gebührend Rücksicht genommen werden muß.
Was ist der Zweck der Massage? Erstens die Förderung des Blutkreislaufs. Dies ist nötig bei Kranken, die durch Körperschwäche, Schmerzen oder andere Umstände sich wenig oder gar nicht bewegen können, ferner bei Blutstockungen in den verschiedensten Körperteilen, bei steifen Gelenken, bei Quetschungen und Verstauchungen, bei Lähmungen und Muskelschwäche. Zweitens beeinflußt die Massage das Nervensystem. Kräftige Massage regt an, reizt; schwache Massage, sanfte Reibungen beruhigen dagegen. Drittens hat die Massage den Zweck, Krankheitsstoffe, die an bestimmten Stellen des Körpers angehäuft sind, zu verteilen und mittels des Blutkreislaufes zu beseitigen. Dies kann bei Wasseransammlungen in Gelenken und Höhlen des Körpers, bei Rheumatismus und Gicht und bei verschiedenen Krankheiten der weiblichen Organe erreicht werden.
Bei der Ausübung der Massage kommen verschiedene Griffe in Betracht. Zuerst muß das Blut nach dem zu behandelnden Körperteil getrieben werden. Dies geschieht durch Klopfen, Kneten, Drücken, Reiben. Ist der Körperteil rot und warm geworden und somit eine genügende Menge Blut zur Stelle, dann nimmt das Streichen seinen Anfang, welches bezweckt, das Blut vom Körperteil ab nach dem Herzen zu treiben. Diese Streichungen müssen deshalb immer in der Richtung nach dem Herzen zu stattfinden, so z. B. an Armen und Beinen von unten nach oben, am Kopf von oben nach unten.
Wichtig ist die Bauchmassage, welche in kreisförmigen Reibungen und Knetungen der Bauchmuskeln besteht und bei hartnäckiger Stuhlverstopfung und damit in Verbindung stehendem Kopfschmerz und Schwindel gute Dienste leistet. Durch Massage der Kopfhaut kann der Haarwuchs gefördert werden, welches seinen Grund hat in der reichlichen Zufuhr des Blutes nach den Haarwurzeln. Selbst Runzeln und Verunstaltungen des Antlitzes können durch eine besondere Art Gesichtsmassage in manchen Fällen beseitigt werden.
Die Massage darf nicht angewendet werden bei fieberhaften Krankheiten, bei Entzündungen, bei Eiterbildung und bösartigen Geschwülsten. Auch bei heftigen Schmerzen kann Massage zuweilen mehr schaden als nützen.
Die Heilgymnastik, welche auf alle Teile des Körpers angewendet werden kann, ist nützlich bei der Behandlung von steifen Gelenken und verkürzten Sehnen und leistet ferner zur Übung schwacher Muskeln und zur Kräftigung und Erweiterung des Brustkastens gute Dienste. Die Anwendungen der Heilgymnastik, wie sie meistens von Massierern und in speziell dafür eingerichteten Anstalten ausgeführt werden, bestehen in aktiven, passiven und Widerstandsbewegungen. Bei den aktiven Bewegungen muß der Patient mit verschiedenen Muskeln Biegungen, Streckungen, Drehungen in einer bestimmten Reihenfolge und Zeit machen. Bei den passiven Bewegungen bleibt der Patient ruhig sitzen oder liegen, während der Massierer oder Arzt die Glieder biegt oder streckt, je nachdem es nötig ist. Bei den Widerstandsbewegungen endlich müssen sowohl Patient wie Arzt arbeiten, indem der eine das Biegen oder Strecken des Armes oder des Beines des andern zu verhindern suchen muß. Bei diesen Übungen muß deshalb viel Kraft entwickelt werden. Dieselben können jedoch auch ohne Hilfe mittels Gewichte und Apparate zur Ausführung gebracht werden. Solche Apparate sind z. B. der "amerikanische Spiralstab" und der "Arm- und Bruststärker von Largiadère" (Fabrikant: Georg Engler, Stuttgart), mit denen die verschiedensten Bewegungen, den Kräften des Ausübenden entsprechend, ausgeführt werden können. Für diejenigen, welche eine rationelle und physiologisch richtige Betätigung der Gesamtmuskulatur des Körpers und davon die guten Erfolge bei Verdauungsbeschwerden, Stuhlverstopfung, Kongestionen, Korpulenz, Hämorrhoiden, gewissen Herzleiden, Neurasthenie, Rheumatismus und Gicht haben wollen, können wir den Universal-Apparat "Werde gesund" empfehlen. (Den illustrierten Prospekt kann man sich von der "Fabrik heilgymnastischer Apparate," Wilhelmstrasse 5, Berlin, kommen lassen.) An diesem Apparat arbeitet man mittels genau einstellbarer Widerstände, wodurch alle heilgymnastischen Widerstandsbewegungen ermöglicht werden.
Die Orthopädie bezweckt Verkrümmungen des jugendlichen Körpers zu verbessern oder zu heilen. Früher bestand diese Methode meistens in der Anwendung roher Gewalt, während man gegenwärtig beim Gebrauch der orthopädischen Apparate peinlich Rücksicht nimmt auf die anatomischen Verhältnisse des Körpers. Abgesehen von gewissen äußerlichen Ursachen sind Verkrümmungen der Wirbelsäule, krumme Beine u. s. w. meistens Folgen eines krankhaften Zustandes der Konstitution, indem hierbei gewöhnlich Rhachitis (englische Krankheit), Tuberkulose oder Knochenerweichung im Spiele ist. Will man deshalb beim Gebrauch dieser Apparate einen durchschlagenden Erfolg sehen, so muß man vor allem darauf bedacht sein, auch die Konstitution zu verbessern. Letzteres kann, außer durch eine passende Diät, welche die wichtigen Nährsalze reichlich enthält, nicht selten erreicht werden durch die richtige Anwendung homöopathischer Heilmittel.