Jacob Voorhoeve |
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Homöopathie in der Praxis |
Medizin |
(1908) |
"Des Menschen Seele gleicht dem Wasser,
Vom Himmel kommt es, zum Himmel steigt es!"
(Goethe.)
Die Krankenbehandlung mit Bädern und Waschungen war schon den alten Ägyptern bekannt; die Kenntnis der Heilkraft des Wassers ging jedoch im Laufe der Jahrhunderte größtenteils wieder verloren. Es ist als ein Fortschritt der Heilkunde zu betrachten, daß in unserer Zeit viele Ärzte sich wieder der uralten Faktoren der sogenannten Naturheilkunde zu bedienen anfangen. Unter diesen haben besonders die bekannten Prießnitzschen Umschläge bei der Behandlung fieberhafter Krankheiten Eingang' gefunden. Auf verschiedenen Universitäten wird denn auch gegenwärtig die Hydrotherapie (Wasserheilkunde) als besonderes Fach gelehrt.
Die homöopathische Heilweise kann sich mit der milden Anwendung der Wasserbehandlung sehr gut vereinen. Die Kombination der innerlichen Behandlung mittels homöopathischer Mittel mit der äußerlichen Behandlung mittels Bäder, Waschungen und Umschlägen gibt in den meisten Fällen sehr gute Erfolge. Hingegen muß gewarnt werden vor übertriebenen Wasserkuren, wie solche in einzelnen Wasserheilanstalten üblich sind, wodurch schon mancher Kranke in seiner Gesundheit empfindlich geschädigt worden ist. Zu kalte, zu heiße, zu häufig wiederholte Wasseranwendungen sind äußerst nachteilig für blutarme und nervenschwache Leute, während andererseits gerade kalte Bäder und Dampfbäder in den dafür geeigneten Krankheitsfällen gute Dienste leisten können. Es gehört denn auch viel Einsicht und Erfahrung dazu, um das Wasser, besonders in seinen extremen Temperaturen, mit gutem Erfolg anzuwenden; wir müssen deshalb jedem empfehlen, den Rat eines erfahrenen Arztes einzuholen, ehe er sich einer solchen Wasserkur unterzieht.
Indem wir nun in folgendem die gebräuchlichsten Anwendungsformen des Wassers beschreiben, legen wir nochmals den Nachdruck auf die "milde" Wasserbehandlung, wie solche in der Familie ohne Gefahr für die Gesundheit gehandhabt werden kann.
Was die Wirkung des Wassers betrifft, so kann diese einesteils dadurch erklärt werden, daß das Wasser durch seine reinigende Eigenschaft die Haut zu erhöhter Tätigkeit antreibt, sodaß die Krankheitsstoffe durch die von Staub, Schmutz und Fett befreiten Hautporen besser ausgeschieden werden können, was wir besonders bei den Prießnitzschen Umschlägen, welche auflösend und ausscheidend wirken, beobachten können. Andernteils äußert sich die Wirkung des Wassers in einer Reizung der Hautnerven, welche besonders durch die Temperatur des Wassers hervorgerufen wird. Auf jeden Reiz folgt eine Reaktion. Letztere ist um so größer, je größer der Reiz ist. Je größer der Unterschied zwischen der Temperatur des angewandten Wassers und derjenigen des Körpers ist, um so größer ist der Reiz, der ausgeübt wird. Wir können es also verstehen, daß geschwächte Organe durch zu starke und zu lang anhaltende Reizungen durch verkehrte Wasseranwendungen ebenso benachteiligt werden, wie durch zu stark wirkende Arzneien. Durch Wassertemperaturen, die mit der Körperwärme ungefähr übereinstimmen, können wir auf das ganze Nervensystem beruhigend einwirken. Dies ist bei vielen akuten und chronischen Krankheiten, die mit Überreizung der Nerven einhergehen, von großem Wert. Darum wirken Bäder, die allmählich von 35° auf 30° Celsius abgekühlt werden, bei Fieberkranken manchmal besser, als sehr kalte Bäder, welche oft gefährlich werden können. Durch Wasseranwendungen, deren Temperatur sehr viel von der des Körpers unterschieden ist, können wir einen starken Reiz auf die Haut und das Nervensystem ausüben; auch dieses ist oft wichtig, wenn der Körper noch kräftig genug ist, eine genügende Reaktion hervorzubringen. Darum haben z. B. kalte Fußbäder bei Blutandrang nach dem Kopfe gute Wirkung, wenn die Füße vorher warm sind, da alsdann die Reaktion bald eintritt. Sind jedoch die Füße kalt, dann kann das Gegenteil bewirkt werden von dem, was man wünscht. In diesem Falle ist es nötig, die Füße durch Reibungen, Körperbewegung oder ein vorhergehendes heißes Fußbad zu erwärmen, um von dem darauf folgenden kalten Fußbad die erwünschte Wirkung zu erhalten.
Die gebräuchlichsten Anwendungsformen der Wasserbehandlung sind: