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Jacob Voorhoeve Homöopathie in der Praxis III. Behandlung der Krankheiten und erste Hilfe I. Charakteristik der wichtigsten homöopathischen Arzneimittel

36. Sulfur

Gereinigte Schwefelblüten werden auf die gewöhnliche Weise mit Milchzucker verrieben und in den höheren Verdünnungen mit starkem Alkohol weiter potenziert. Außerdem ist noch ein von Hahnemann empfohlenes Präparat, Spiritus sulfuratus oder Schwefeltinktur in Gebrauch, welches durch Verschütteln von einem Teile Schwefelblüten und zehn Teilen absoluten Alkohols angefertigt und auf die bekannte Weise weiter potenziert wird.

Gebräuchliche Präparate: 6. und höhere Dezimalverreibungen; Verdünnungen nicht unter der 10. Dezimalpotenz.

 

Wirkung. Dieses von der offiziellen Medizin verkannte, von der Homöopathie jedoch zu den wirksamsten Arzneien gerechnete Mittel ist von Hahnemann am gesunden menschlichen Körper sorgfältig geprüft. In seiner "Reinen Arzneimittellehre" erwähnt er 755 Beobachtungen über die Wirksamkeit des Schwefels. Nach ihm hat Prof. Farrington in seinem berühmten klinischen Werke die Heilkraft dieses Mittels bewiesen und in der neuesten Zeit ist Prof. Schulz durch sorgfältig angestellte Versuche zu demselben Ergebnis gekommen wie seiner Zeit der Begründer der Homöopathie.

Schwefel übt eine tief eingreifende Wirkung auf den ganzen Organismus aus, was uns nicht zu wundern braucht, da er, wenn auch in kleinen Mengen, in allen Geweben des Körpers vorgefunden wird. "Kein Zellgewebe, kein Eiweiß ohne Schwefel. Durch seine Affinität zum Sauerstoff fördert er die Eiweißverbrennung, reizt alle Ausscheidungsorgane zu erhöhter Tätigkeit und beschleunigt demgemäß den Stoffwechsel. Seine Wirkung äußert sich besonders auf die Haut, die Verdauungs- und Atmungsorgane, das Blutgefäß­system, die Muskeln, das Nervensystem und ferner auf die Nieren, die Blase und die Geschlechtsorgane.

Das allgemeine Krankheitsbild des Schwefels ist in kurzen Zügen folgendes: Hautjucken, die Haut ist gewöhnlich rauh und mit Schuppen bedeckt. Schweres Gefühl im Kopf, schwarze Ränder um die Augen, geschwollene Nase, trockener Mund und belegte Zunge. Dazu kommen Kurzatmigkeit, wankender Gang, Zittern der Hände, Wadenkrämpfe, aufgetriebenes Gefühl im Unterleib, Verstopfung mit Durchfall abwechselnd. Ferner Hitze oben auf dem Kopf, brennende Fußsohlen, brennender Urin, leichter, durch das geringste Geräusch gestörter Schlaf mit Neigung zu aufregenden Träumen.

Besondere Wirkungen sind ferner: Hautausschläge verschiedener Art. Bläschen, welche eine scharfe, wässerige Flüssigkeit enthalten und zu gelblichen Krusten vertrocknen. Kopfausschlag mit Haarausfall. Sauerriechender Schweiß an bestimmten Körperteilen, welcher durch die geringste Anstrengung hervorgerufen wird. — Drüsenanschwellungen, Geschwüre und Abs­zesse verschiedener Art. — Blutandrang nach dem Kopf mit Schwindel, besonders morgens und abends, nach dem Essen und bei dem Aufrichten aus einer liegenden Stellung. — Schwermütige oder reizbare Gemütsstimmung; bohrende, stechende, einseitige Kopfschmerzen; klopfende Schmerzen in hohlen Zähnen; Jucken und Brennen der Augen; entzündete Augenlider. — Rote, heiße, geschwollene Nase mit Absonderung scharfer Flüssigkeit mit heftigem Niesen; langwierige Heiserkeit, schwache Stimme, trockener Husten, kurzer pfeifender Atem mit unterdrücktem Husten, Blutspucken und Kurzatmigkeit; stechende Schmerzen in der Brust, besonders links, heftige Hustenanfälle beim Aufstehen, beim Zubettgehen und nach dem Essen. — Brennendes Gefühl im Mund und im Magen, belegte Zunge, schleimiger Geschmack, Magensäure, saures und bitteres Aufstoßen, Druck und volles Gefühl im Magen nach dem Essen und abends, hartnäckige Verstopfung oder gelbgrünlicher schleimiger Durchfall, Schmerzen bei der Stuhlentleerung, Jucken und brennendes Gefühl im After. — Blasenschwäche, Bettnässen, stinkender Urin, welcher mit einem Fetthäutchen bedeckt ist, Jucken und Schmerzen in den Geschlechtsteilen, verschiedene Menstruationsstörungen.

Charakteristische Kennzeichen. Viele Schmerzen und Beschwerden entstehen oder verschlimmern sich in der Ruhe, nachts und bei kaltem Wetter, während sie sich durch Bewegung des angegriffenen Körperteiles oder durch Hin- und hergehen in der Wärme und bei trockenem Wetter bessern oder ganz verschwinden.

Anwendung bei Kranken. Es ist nicht möglich, hier alle oder auch nur die meisten Krankheitszustände aufzuzählen, bei denen der Schwefel gute Dienste leistet. Für den aufmerksamen Leser gibt obenstehende Beschreibung einige Anhaltspunkte. Sulfur ist bei chronischen Krankheiten das homöopathische Hauptmittel um die Reaktionskraft des Körpers anzuregen und den Körper für die Wirkung anderer Mittel empfänglich zu machen, wenn es selbst die Heilung nicht herbeiführen kann. Zu große oder zu oft wiederholte Gaben können den Krankheitszustand verschlimmern. Vorsicht ist deshalb besonders bei skrofulösen Personen am Platze. Auffallend günstig ist die Wirkung des Schwefels bei Hautkrankheiten, wenn diese sich durch trockenen Ausschlag und Hautjucken kennzeichnen, sowie bei Krankheitszuständen, welche durch das Unterdrücken eines Hautausschlages durch äußerliche Mittel entstanden sind. Ferner bewirkt Sulfur Besserung zahlreicher Krankheitserscheinungen bei skrofulösen und rachitischen Kindern und bei Personen, welche leicht von Ausschlag und Geschwüren befallen werden. Auch bei akuten Krankheiten, u. a. bei Bildung von Exsudaten leistet dieses Polychrest oft gute Dienste.



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