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Jacob Voorhoeve Homöopathie in der Praxis III. Behandlung der Krankheiten und erste Hilfe

X. Abschnitt.
Krankheiten der Geschlechtsorgane

Gesunde Geschlechtsorgane sind nicht nur für das Erzeugen einer gesunden Nachkommenschaft, sondern auch für unser eigenes Wohlbefinden von größter Wichtigkeit. Kranke Geschlechtsorgane haben, abgesehen von den örtlichen Beschwerden und Schmerzen, meistens tiefgehende Gemütsverstimmung und Nervosität zur Folge, wodurch das Leben manchen Mannes und mancher Frau verbittert wird. Nirgends bewahrheitet sich die Regel, daß Krankheiten leichter zu verhüten als zu heilen sind, mehr als auf diesem Gebiet. Denn durch eine vernünftige Erziehung können sowohl Knaben als Mädchen vor dem Übel der Selbstbefleckung mit seinen für Körper und Geist gleich nachteiligen Folgen meistens bewahrt werden, während venerische Krankheiten durch einen keuschen Lebenswandel sicher vermieden werden können. Ferner kann das weibliche Geschlecht durch eine hygienische Lebensweise, durch eine zweckmäßige Kleidung, durch peinliche Reinlichkeit und Schonung während der Menstruation, der Schwangerschaft und des Wochenbetts außerordentlich viel dazu beitragen, daß es vor den jetzt soviel verbreiteten sog. Frauenkrankheiten bewahrt bleibt.

Was die Selbstbefleckung oder Onanie betrifft, welche eine unnatürliche Befriedigung des Geschlechtstriebs darstellt, und von Knaben und Mädchen, sogar in jungen Jahren, vielfach im geheimen geübt wird, ist es die Pflicht der Eltern und Erzieher, ihre Kinder oder Pflegebefohlenen auf dieses Übel aufmerksam zu machen und sie liebevoll davor zu warnen, da es viele Onanisten gibt, welche gar nicht wissen und ahnen, wie unsittlich und auch nachteilig das ist, was sie tun. Bei solchen Ermahnungen darf es aber nicht sein Bewenden haben, sondern der Umgang der Kinder muß überwacht und Müßiggang, Wohlleben, Verzärtelung und das Lesen schlechter Bücher strenge geahndet werden. Macht man die Wahrnehmung, daß ein bis dahin gesundes und munteres Kind blaß wird, schwarze Ränder um die Augen und weiche, schlaffe Muskeln bekommt, an Gedächtnisschwäche und Zerstreutheit zu leiden anfängt und einen ungewöhnlichen Hang zur Einsamkeit zeigt, dann muß der Verdacht auf Selbstbefleckung rege werden und ist es an der Zeit, eine Untersuchung hierüber anzustellen und Maßregeln zu ergreifen, um das Übel im Keime zu ersticken. Die besten Mittel um dieses Laster zu heilen sind, neben der notwendigen moralischen Einwirkung durch Aufklärung und Ermahnung, angestrengte Arbeit, einfache Nahrung mit Vermeidung von geistigen Getränken, ausgiebige Körperbewegung im Freien (Spazierengehen, Turnen, Rudern, Schwimmen, Schlittschuhlaufen) und Abhärtung des verweichlichten Körpers und der geschwächten Energie durch kalte Waschungen und Sitzbäder. Bei Mädchen muß überdies für geregelten Stuhlgang und Vertreibung etwaiger Madenwürmer (s. Seite 185) gesorgt werden, da sonst die Geschlechtsorgane in einen Reizzustand geraten können, welcher unwillkürlich zur Selbstbefleckung führt. Zum Trost für alle an den Folgen der Onanie Leidenden kann schließlich gesagt werden, daß die für die Gesundheit oft sehr nachteiligen Folgen in den meisten Fällen dennoch dauernd beseitigt werden können, wenn dem Laster endgültig entsagt wird und obengenannte Maßregeln gewissenhaft durchgeführt werden.

Es ist hier nicht der Ort, näher darauf einzugehen, daß die Befriedigung des Geschlechtstriebs außerhalb der Ehe vom moralischen Standpunkt zu verurteilen ist, wohl aber möchten wir kurz darauf hinweisen, daß der außeheliche Geschlechtsverkehr oft zu den unangenehmsten und gefährlichsten Krankheiten Veranlassung gibt und daß demgegenüber die mäßige Ausübung des ehelichen Verkehrs für den gesunden Organismus gesunderhaltend ist. Dem entspricht auch die statistische Feststellung, daß die Ehe — abgesehen von zu frühem und zu spätem Heiraten — einen außerordentlich günstigen Einfluß auf die Gesundheit und die Lebensdauer ausübt.

Die Ursachen der gegenwärtig so häufig vorkommenden sog. Frauenkrankheiten sind vielfach. Schon in der Jugend wird oft durch eine unvernünftige Erziehung und eine gesundheitswidrige Lebensweise der Grund zu späteren Krankheiten der Geschlechtsorgane gelegt. Noch stets wird auf die oberflächliche Dressur des Verstandes zu viel und auf die naturgemäße Gesundheitspflege des Körpers zu wenig. Gewicht gelegt. So ist z. B. die chronische Stuhlverstopfung ein Übel, welches unter jungen Mädchen weit verbreitet ist und wogegen meistens nichts getan wird, als gewohnheitsmäßiges Einnehmen von Abführmitteln, durch die das Leiden natürlich nur noch verschlimmert wird. Weitere Punkte, die wir der Beachtung der Mütter, welche mit Töchtern gesegnet sind, empfehlen möchten, sind der Mißbrauch starken Kaffees oder Tees seitens der weiblichen Jugend, das Tragen zu dünner Fußbekleidung, zu enger Korsetts und Strumpfbänder, zu große körperliche Anstrengung und Erkältungen während der Menstruation. Dieselben und noch andere Ursachen können während der Schwangerschaft und nach dem Wochenbett zu Krankheiten der Geschlechtsorgane führen, welche oft jahrelang dauern. Aus dem Gesagten ergibt sich von selbst, was man tun muß, um den vielen Frauenkrankheiten vorzubeugen. Besonders wichtig ist ferner noch eine öftere Reinigung der äußeren Geschlechtsteile, die leider nur zu oft vernachlässigt wird. In dieser Hinsicht sind Sitzbäder von 32° bis 20° C. (s. S. 85) allen Mädchen und Frauen angelegentlichst zu empfehlen, während verheiratete Frauen gut tun werden, hiermit ab und zu eine lauwarme Scheidenausspülung (s. S. 89) zu verbinden. Durch geregelte Anwendung dieser einfachen, naturgemäßen Maßregeln könnten viele krankhafte Zustände der weiblichen Geschlechtsorgane verhütet werden.

Wir haben uns wegen der Wichtigkeit der Sache etwas länger bei der Hygiene der Geschlechtsorgane aufgehalten; bei der nun folgenden Beschreibung der am meisten vorkommenden Krankheiten dieser Organe werden wir uns um so kürzer fassen können, als bei den meisten der diesbezüglichen Krankheiten stets eine genaue, örtliche Untersuchung durch einen Arzt stattfinden sollte. Auch die Behandlung ist am besten dem Arzt zu überlassen, wobei wir bemerken, daß homöopathische Mittel, in Verbindung mit Wasserbehandlung, Massage, Elektrizität u. s. w. gerade auf diesem Gebiete ausgezeichnete Erfolge aufzuweisen haben, sodaß eine Operation nicht selten vermieden werden kann. Man lese hierzu unsere Bemerkungen in 7. Abschnitt des 1. Teiles, besonders auf Seite 35 sorgfältig durch.



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