Jacob Voorhoeve |
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Homöopathie in der Praxis |
Medizin |
(1908) |
46. Englische Krankheit oder Rhachitis, eine häufige Krankheit schlecht genährter Kinder, kommt bei Kindern, welche auf die richtige Weise ernährt werden (s. Seite 272—274), nur selten vor; fehlen jedoch die wichtigen Nährsalze, besonders die Kalksalze in der täglichen Nahrung, dann wird das normale Wachstum beeinträchtigt, die Knochen bleiben weich und es bilden sich allmählich Verkrümmungen und Verunstaltungen an den Beinen, dem Rücken und der Brust (O- und X-Beine, Rückgratsverkrümmung, Hühnerbrust, Schiefwerden u. s. w.) aus. Auch die Schädelknochen entwickeln sich schlecht, sodaß die Fontanellen lange offen bleiben; das Zahnen tritt, unter mannigfachen Beschwerden, meistens sehr verspätet ein und die Kinder lernen das Gehen schlecht, da die Muskeln zu schlaff und kraftlos sind. Die ersten Erscheinungen, welche auf diese Krankheit hinweisen, sind: Schwitzen am Kopfe, Neigung zu Krämpfen und zu Durchfällen mit grünlichen Stuhlentleerungen. Es ist deshalb zu empfehlen, Kinder, welche derartige Erscheinungen aufweisen, einem Arzte vorzustellen, da die frühzeitige, richtige Diagnose für die Behandlung äußerst wichtig ist.
Diese Behandlung besteht in erster Linie in einer richtigen Ernährung. Die ausführlichen Mitteilungen, welche wir auf Seite 272—274 über die beste Nahrung für Säuglinge und kleine Kinder gemacht haben, sind besonders bei dieser Krankheit nicht zu übersehen. Süßigkeiten, Kartoffeln und Kindermehle sind gänzlich zu vermeiden. Zu empfehlen sind dagegen: Maizena, Mondamin, Pflanzenmilch, Kuhmilch, Eier, Obstkompotte und gekochtes, durchgesiebtes Blattgemüse. Außerdem muß tagtäglich für längeren Aufenthalt im Freien und ferner für eine gute Hautpflege durch Bäder (32° bis 28° C, von 5—10 Minuten Dauer, 2—3 mal wöchentlich) gesorgt werden. Homöopathische Arzneimittel sollten in jedem Falle verabreicht werden, da ihre Wirkung über allen Zweifel erhaben ist; die beste Wirkung haben Calcar. carb. VI und Calcar. phosph. VI—III, welche längere Zeit hintereinander 2 mal täglich genommen werden müssen; letzteres Mittel ist besonders dann angezeigt, wenn der kleine Patient an Durchfall mit grünlichem Stuhl leidet. Ferner haben sich noch in verschiedenen Fällen Arsen. alb. 5, Graphit. VI, Kal. phosph. VI, Phosph. 5—12, Silicea VI bewährt. Von großem Nutzen sind auch tägliche Einreibungen des Rückens und der Glieder mit verdünnter Pinus-Tinktur. Die Kinder sollten stets auf einer harten Matratze, am besten aus Roßhaar, schlafen, während Federbetten gänzlich zu verwerfen sind. Bei großen Verkrümmungen sind orthopädische Apparate und heilgymnastische Übungen zu empfehlen.