Jacob Voorhoeve |
- |
Homöopathie in der Praxis |
Medizin |
(1908) |
8. Störungen im Harnausflusse können sich ferner noch folgendermaßen äußern:
Harnstrenge oder Harnzwang besteht in einem heftigen schmerzhaften Drang zum Urinieren, wobei der Harn nur sehr spärlich unter heftigen Schmerzen abgelassen werden kann. Die Ursachen und Behandlung sind dieselben wie die von Blasenkrampf.
Schwerharnen wird außer durch Blasenkatarrh und Blasenkrampf öfters durch Entzündung und Verengung der Harnröhre verursacht. Der Urin kann nur in Absätzen, in schwachem Strahl oder tropfenweise gelassen werden. Die Behandlung ist dieselbe, wie die bei Blasenkatarrh und Blasenkrampf beschriebene. Zuweilen ist es nötig, die verengten Stellen der Harnröhre durch öfters eingeführte Bougies allmählich zu erweitern.
Harnverhaltung kommt vor infolge von Erkältungen, Blasenkrampf, Blasensteinen und Nierenentzündung, bei alten Männern infolge krankhafter Vergrößerung der Vorsteherdrüse und bei Frauen während der Schwangerschaft infolge von Druck der Gebärmutter auf den Blasenhals.
Die Behandlung ist je nach der Ursache verschieden und muß stets dem Arzt überlassen werden, welcher die bei länger andauernder Harnverhaltung stets drohende Lebensgefahr durch Anwendung des Katheters abwenden kann. In leichteren Fällen hat der abwechselnde Gebrauch von Bellad. 4 und Canthar. 6 in Verbindung mit heißen Sitzbädern, dem Sitzen über heißem Wasserdampf oder heißen Aufschlägen auf den Unterleib gute Erfolge aufzuweisen. Weitere Mittel sind: Aconit. 4 nach Erkältung; Opium 6 nach einem Schrecken; Pulsat. 3 bei unterdrückter Menstruation und während der Schwangerschaft; Arsen. alb. 5 und Phosph. 5 (in Verbindung mit dem Bettdampfbad) bei Nierenkrankheiten; bei alten Leuten Thuja 6, Pareira brava 2, Sabal serral. 2.
Harnfluß oder Unvermögen, den Harn zu halten entsteht meistens durch nervöse Einflüsse und durch Blasenschwäche oder Blasenlähmung. Nicht selten wird dieses Übel durch die schädliche Angewohnheit, den Urin aus Bequemlichkeit oder falscher Scham zurückzuhalten, verursacht. Bei Kindern kommt der unwillkürliche Abgang des Harns in der Nacht während des Schlafes häufig vor (s. hierüber Bettnässen im 12. Abschnitt). Die Behandlung besteht in Kräftigung des Nervensystems, Abhärtung der Unterleibsorgane durch kalte Waschungen und Sitzbäder und in dem innerlichen Gebrauch von Arnica 3, Arsen. alb. 5, Caust. 4, Kal. phosph. VI, Nux vom. 4.
Blasenlähmung ist zuweilen die Folge langwieriger Blasenkatarrhe bei alten Leuten, meistens ist sie jedoch eine Begleiterscheinung einer Gehirn- oder Rückenmarkskrankheit und ist dann unheilbar. Der Harn geht meistens tropfenweise ab, ohne daß der Kranke es verhindern kann. In diesem Falle muß der Kranke ein Urinal tragen, d. h. einen flaschenförmigen Apparat aus Kautschuk, welcher mittels Riemen befestigt wird. In heilbaren Fällen leisten Bellad. 4, Caust. 4, Gelsem. 4, Nux vom. 4, Zincum VI—XII und die bei Blasenkatarrh genannten Mittel gute Dienste.