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Jacob Voorhoeve Homöopathie in der Praxis III. Behandlung der Krankheiten und erste Hilfe XI. Beschwerden bei Schwangerschaft und im Wochenbett

E. Die Entbindung

Die Entbindung erfolgt normaler Weise sobald die Entwicklung des Kindes in der Gebärmutter vollendet ist, was für gewöhnlich in der 40. Woche der Schwangerschaft der Fall ist. Der Geburtsvorgang wird in 3 Perioden eingeteilt: 1. die Eröffnungsperiode, 2. die Austreibungsperiode und 3. die Nachgeburtsperiode. Als Vorläufer der ersten Periode stellen sich, besonders bei Erstgebärenden, schon einige Wochen vorher, wehenartige, ziehende Schmerzen im Kreuz und in den Hüften ein, die sogenannten falschen Wehen, welche bei späteren Geburten meistens fehlen. Die eigentlichen Geburtswehen, welche aus Zusammenziehungen der Gebärmutter bestehen und den Zweck haben, das Kind auszutreiben, sind anfänglich mäßig stark und kurz, werden jedoch bald kräftiger, anhaltender und folgen einander in immer kürzeren Zwischenpausen, bis der Muttermund geöffnet ist, die Fruchtblase platzt und das Fruchtwasser abfließt. Hiermit ist die Eröffnungsperiode, welche bei Erstgebärenden 10—20 Stunden, bei Frauen, welche bereits Kinder geboren haben, 1—12 Stunden dauert, beendigt.

Hierauf beginnt nach einer etwas längeren Wehenpause die Austreibungsperiode unter stets stärkeren und anhaltenderen Wehen, die sogenannten Treibwehen, welche die Gebärende durch die Bauchpresse unterstützen darf. Der Kopf des Kindes, welcher bei einer normalen Geburt zuerst zum Vorschein kommt, tritt allmählich durch den Muttermund und die Scheide nach außen, worauf unter den letzten heftigen Wehen das Kind geboren wird. Diese Periode dauert bei Erstgebärenden 1½—8 Stunden, bei Mehrgebärenden ¼—1½ Stunden.

Nach kurzer, wohltätiger Ruhe, während welcher durch das Unterbinden und Durchschneiden des Nabelstrangs die völlige Trennung zwischen Mutter und Kind bewirkt wird, folgt die Nachgeburtsperiode und zwar ¼—½ Stunde nach der Geburt des Kindes. Unter erneuten Wehen, den sogenannten Nachgeburtswehen, wird der Mutterkuchen, samt den Eihäuten und den Nabelschnurresten, die sogenannte Nachgeburt, unter Abgang teils flüssigen, teils geronnenen Blutes ausgetrieben, womit die Geburt beendet ist. Die Gebärmutter zieht sich nun zusammen, es darf keine Blutung mehr auftreten und in den nun folgenden Tagen müssen die Wunden der ihrer Schleimhäute beraubten Gebärmutter ausheilen. Dies geschieht bei gesunden Wöchnerinnen in 10—14 Tagen; die vergrößerte Gebärmutter zieht sich allmählich immer mehr zusammen und sondert fortwährend Schleim ab, den sogenannten Wochenfluß, welcher zuerst blutig ist, hernach eitrig und schließlich wässerig wird. Die völlige Rückbildug und Wiederherstellung der Geschlechtsorgane ist gewöhnlich nach 6 Wochen beendet, und in dieser Zeit tritt gewöhnlich bei nichtstillenden Mütern die erste Regel wieder ein.

In den meisten Fällen genügt eine geprüfte Hebamme zur Leitung und Überwachung der Geburt; ist jedoch der Verlauf der Geburt einigermaßen abnormal oder treten beunruhigende Erscheinungen ein, dann ist die Hinzuziehung eines Arztes geboten. Derartige Erscheinungen sind: Blutungen in der Eröffnungsperiode, welche stets gefährlich sind, da sie durch eine verkehrte Lage der Nachgeburt verursacht sind; Krämpfe, infolge von Nierenkrankheit, welche zur Erstickung des Kindes Veranlassung geben können; Krampfwehen; zu schwache Wehen, wenn dadurcn die Geburt außergewöhnlich lange hinausgezogen wird; verkehrte Lage des Kindes, wodurch öfters eine künstliche Entbindung erforderlich wird, und schließlich abnormale Blutungen in der Nachgeburtsperiode, welche, wenn sie nicht bald durch sachverständige Hilfe gestillt werden, den Tod der Gebärenden verursachen können. Wird eine Schwangere unerwartet von Wehen befallen, dann begebe sie sich sobald als möglich zu Bett und warte ruhig ab, bis Hilfe erscheint.

Zur Vermeidung unangenehmer Folgen ist es bei jeder Entbindung von der größten Wichtigkeit, für peinliche Reinlichkeit, sowohl der Gebärenden und ihrer Umgebung, als aller mit ihr in Berührung kommenden Gegenstände Sorge zu tragen. Das gefürchtete Wochenbettfieber, welches früher so häufig war, kann durch das Befolgen dieser Regel meistens verhütet werden. Die bereits auf Seite 262 besprochenen Sitzbäder sind deshalb, allein schon vom Standpunkt der Reinlichkeit aus, jeder Frau in der letzten Zeit der Schwangerschaft dringend zu empfehlen. Kurz vor der Entbindung müssen die Geschlechtsteile der Gebärenden mit warmem Wasser und Seife gewaschen werden. Die Blase und der Mastdarm müssen entleert werden, alle Instrumente der Hebamme, besonders aber ihre Hände müssen gründlich gereinigt, gebürstet und mit einer 1-prozentigen Lysollösung gewaschen werden. Handtücher, Bettücher, Watte u. s. w. müssen rein, das Bett muß sauber, das Zimmer gereinigt sein und darf keine schmutzige Wäsche und unsaubere Kleider enthalten. Während der Geburt vermeide man jede Aufregung und laute Gespräche, sorge für eine bequeme Lage der Gebärenden, schütze sie vor Erkältung und lasse sie bei Schwäche oder Mutlosigkeit irgend einen belebenden Trank (Tee, Kaffee, Zitronenlimonade) zu sich nehmen.

Ist die Geburt beendigt, dann muß das beschmutzte Bettzeug entfernt, die Gummiunterlage gereinigt und sauberes, vorher erwärmtes Bettzeug untergeschoben werden. Gegen die Geschlechtsteile kann ein Streifen reiner, in ½ prozentiger Lysollösung getauchter und etwas ausgedrückter Verbandwatte gelegt werden, welcher durch einen T-Umschlag, welcher zugleich als Prießnitzscher Umschlag dienen kann, befestigt wird. Diese, 3—4 mal täglich zu erneuernden Umschläge sind übrigens ein gutes Schutzmittel gegen das Eindringen von Krankheitskeimen. Das Kind soll, sobald es geboren und abgenabelt ist, in warmem Wasser (von 35° C.) gebadet werden und seine Augen müssen mit reiner Verbandwatte und abgekochtem Wasser, welches in einem besonderen Gefäß bereit gehalten werden muß, gereinigt werden.



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10. Fehlgeburt - F. Hygiene des Wochenbetts