Jacob Voorhoeve |
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Homöopathie in der Praxis |
Medizin |
(1908) |
37. Gallensteinkolik ist ein sehr heftiger, schnell auftretender und oft sich steigernder Schmerz in der Lebergegend, welcher nach dem rechten Schulterblatt ausstrahlt, von großer Angst und Beklemmung begleitet ist und nach einiger Zeit (Stunden oder zuweilen auch Tage), ebenso schnell verschwindet, wie er gekommen ist. Er wird durch Einklemmung von Gallensteinen in den Gallengängen verursacht und verschwindet, wenn die Steine in die Gallenblase zurückfallen oder in den Zwölffingerdarm gerutscht sind. Die Schmerzanfälle sind von Schüttelfrösten und Erbrechen begleitet, wenn die Leber geschwollen und bei Berührung schmerzhaft ist. Oft tritt auch Gelbsucht dabei auf. Manchmal werden nach einem Anfalle die Gallensteine im Stuhl angetroffen. Ziehen sich die Anfälle lange hin, dann kann dieses Entzündung und Eiterung der Gallenblase zur Folge haben. Man versäume deshalb nicht, rechtzeitig ärztliche Hilfe herbeizurufen. Die Ursachen der Gallensteinbildung liegen oft in Blutstockungen im Pfortaderkreislauf, wodurch der Gallenabfluß verlangsamt wird. Dieses kann u. a. durch eine zu sitzende Lebensweise, übermäßigen Genuß von Fleisch und Alkohol und bei Frauen durch unvernünftiges Schnüren hervorgerufen werden. Habituelle Hartleibigkeit und zu enge Korsetts sind die Ursache, daß 5 mal mehr Frauen als Männer an der Gallensteinkrankheit leiden.
Die Behandlung des Kolikanfalles besteht in Heißwasserkompressen, oder heißen Leinsamenaufschlägen auf die Lebergegend und wiederholtem Einnehmen von Bellad. 4, oder, wenn dieses nicht schnell genug hilft, von Atrop. sulf. 5, alle 10—15 Minuten 5 Tropfen. Auch vom eßlöffelweisen Einnehmen von Olivenöl sahen wir Erfolg. Die Wirkung des Öls ist teils mechanisch, teils beruht sie auf ihrem Gehalt an kleinen Mengen Cholesterin, ein Mittel, welches bei Gallensteinen homöopathisch wirkt. Die Gallenabsonderung kann durch Natr. cholein. III oder Rizinus 3 gefördert werden. Von der größten Wichtigkeit ist die Verhütung der Kolikanfälle. Hierzu kommt der abwechselnde Gebrauch von Cholesterin VI und Lycopod. VI, ferner China 3, Card, marian. 2, Podophyll. 2 oder Berberis 3 in Betracht. Die Sorge für einen geregelten Stuhlgang durch Körperbewegung, Diät und Klistiere ist dabei unentbehrlich. Die Diät muß leichtverdaulich und größtenteils vegetarisch sein. Verboten sind: fette Speisen, alkoholische Getränke, Käse, harte Eier, Fisch, Krebse und Austern. Dagegen sind Obst, dicke Milch, Buttermilch, Grahambrot, Bienenhonig, Salat und Spinat zu empfehlen. Die Mineralwässer von Karlsbad, Vichy, Neuenahr haben einen guten Ruf bei dieser Krankheit. Auch gibt es Fälle, bei denen sich eine Operation nicht vermeiden läßt.