Jacob Voorhoeve |
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Homöopathie in der Praxis |
Medizin |
(1908) |
32. Würmer kommen sowohl bei Kindern, als auch bei Erwachsenen ziemlich viel vor. Früher nahm man an, daß sich die Eingeweidewürmer im Darm des Menschen von selbst erzeugten; jetzt wissen wir, daß alle solche Parasiten sich nur aus von außen in den Körper gebrachten Eiern oder Embryonen entwickeln können. Allerdings ist es richtig, daß eine gewisse Körperdisposition, zumal bei Kindern, einen besonders günstigen Boden für die Entwickelung dieser Parasiten abgibt. Von den verschiedenen Sorten Würmern, welche beim Menschen am meisten vorkommen, nennen wir die Spul- und Madenwürmer, welche am häufigsten bei Kindern, und die Bandwürmer, welche mehr bei Erwachsenen vorkommen.
I. Spulwürmer haben viel Ähnlichkeit mit Regenwürmern. Sie sind 25—40 cm. lang. Ihre Eier geraten beim Genuß unreinen Wassers oder von Nahrungsmitteln, besonders Obst, welche mit Erde verunreinigt sind, in den Magen. Sie kommen bei Kindern oft in großer Anzahl (bis zu 100 Stück) vor, leben im Dünndarm, von wo aus sie jedoch zuweilen in den Magen kriechen und dann erbrochen werden. Im allgemeinen sind sie ungefährlich, verursachen jedoch Übelkeit, Erbrechen, Jucken in der Nase, Leibschmerzen, Schwindel und sogar Krämpfe, sodaß ihre Abtreibung jedenfalls gerechtfertigt ist. Dieselbe geschieht am besten mit den in jeder Apotheke erhältlichen Santoninplätzchen, wobei es jedoch, besonders bei kleinen Kindern, gut ist, wegen möglichster Rücksichtnahme auf die Dosis, zuerst einen Arzt zu fragen. Mit der Abtreibung allein ist jedoch noch nicht genug geschehen, vielmehr ist es ratsam, die Kinder zur Verbesserung der Konstitution eine Zeit lang, je nach den Begleiterscheinungen, Calcar. carbon. VI oder Sulfur VI einnehmen zu lassen. Dabei ist es sehr empfehlenswert, den Kindern nicht zu viel Brot, Kuchen, Mehlspeisen, Bonbons oder dergleichen Süßigkeiten zu geben, sie nicht zu warm zu halten und viel Körperbewegung, besonders in der frischen Luft, machen zu lassen.
II. Madenwürmer sind kleine, weiße Würmchen von ½—1 cm. Länge, welche sich besonders im Mastdarm aufhalten und zu gewissen Zeiten, besonders nachts, ein unerträgliches Jucken und Kriebeln im After verursachen. Bei Mädchen kriechen sie auch in die Scheide und können durch den Juckreiz zu Selbstbefleckung Anlaß geben. Durch unreine Hände können die Eier der Würmer von einem Kind auf das andere übertragen werden. Zum Abtreiben dieser Parasiten sind Geduld und Ausdauer nötig. Innerlich gebe man 3 Tage lang die obengenannten Santoninplätzchen und verbinde damit eine Klistierkur mit einem Absud von Knoblauch in Milch, oder einer Mischung von Essig und Wasser, oder von 15 Tropfen Pyrethrum-Tinktur in warmer Milch. Diese Klistiere müssen alle 3 Tage gemacht und wochenlang fortgesetzt werden, bis die ganze Wurmbrut vernichtet ist und das Jucken aufhört. Dabei ist es nötig, den Kindern während der Nacht eine geschlossene Hose anzuziehen, um zu verhüten, daß sie sich durch Kratzen stets von neuem anstecken. Gegen das arge Jucken und die damit verbundene nächtliche Unruhe helfen mitunter einige Gaben Ignat. 6 oder Aconit. 6.
III. Bandwürmer kommen beim Menschen in verschiedenen Arten vor. Sie sind zuweilen kurz, meistens aber sehr lang (von 2—8 Meter). Sie bestehen aus einem kleinen Kopf und einer großen Anzahl (zuweilen 1200 und mehr) Gliedern, welche wie eine Kette aneinander gereiht sind. Die untersten Glieder fallen ab, sobald sie reif sind, d. h. Eier enthalten, und werden dann mit dem Stuhlgang aus dem Körper entfernt. Dieser Abgang von Gliedern ist das einzig sichere Kennzeichen des Vorhandenseins eines Bandwurmes; alle anderen Erscheinungen, wie Verdauungsstörungen, Appetitlosigkeit oder Heißhunger, Durchfall oder Verstopfung, Schwindel, Kopfschmerzen, Herzklopfen können auch durch andere Krankheiten verursacht werden. Es besteht einige Wahrscheinlichkeit für das Vorhandensein dieses Parasiten, wenn man nach dem Genuß von Speisen, welche dem Wurm nicht zusagen, wie z. B. Zwiebeln, Knoblauch oder Hering, Kriech- und Saugempfindungen im Unterleib spürt, welche durch den Genuß von Brot und Milch alsbald wieder verschwinden. Nach dem Trinken eines Absudes von Kürbiskernen oder dem Essen von Kokosnuß gehen gewöhnlich Glieder des Wurmes mit dem Stuhlgang ab, wodurch man dann seiner Sache sicher ist. Die eigentliche Abtreibungskur muß unter Aufsicht eines Arztes geschehen, da bei der Wahl des wurmtötenden Mittels und der Dosis desselben mit dem Alter, dem Geschlecht und dem Kräftezustand des Patienten Rechnung getragen werden muß. Bei Kindern und alten Leuten ist besondere Vorsicht nötig. Während der Schwangerschaft, bei Schwindsüchtigen und geschwächten Kranken muß die Kur unterbleiben oder verschoben werden. Die besten wurmtötenden Mittel sind: Aspidium Panna (wovon in gewöhnlichen Fällen 3 Gaben von 1—2 Gramm schnell hintereinander genommen werden müssen) Filix mas, Granatwurzel, Kusso und Kamala. Zu empfehlen ist es, den Wurm vor der Kur zu schwächen, indem man 1 oder 2 Tage nur von Milch lebt; dadurch wird er um so sicherer mit dem Kopf abgetrieben. Das beste Vorbeugungsmittel gegen Bandwürmer ist das Vermeiden des Genusses von rohem Fleisch. Da Hunde öfters die Träger von Bandwurmeiern sind, müssen Kinder davor gewarnt werden, Hunde zu küssen oder sich von ihnen lecken zu lassen.