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Jacob Voorhoeve Homöopathie in der Praxis I. Darstellung der Grundsätze und Lehren der Homöopathie

XI. Abschnitt.
Einige statistische Angaben.

Trockne Zahlen — beweisen!

 

Der Wert einer Heilweise beruht nicht auf theoretischen Erwägungen allein, wie richtig diese auch sein mögen, sondern hauptsächlich auf deren praktischen Resultaten am Krankenbett. Wollen wir deshalb die Berechtigung der Homöopathie bei der Krankenbehandlung beweisen, dann müssen wir imstande sein, auf Resultate hinzuweisen, welche mindestens denen der herrschenden Richtung in der Schulmedizin ebenbürtig sind. Die Krankheitsfälle, welche von den homöopathischen Ärzten in ihrer Privatpraxis behandelt werden, können für die Statistik nicht genügend verwertet werden, weil damit allerhand Schwierigkeiten verknüpft sind und oft Ungenauigkeiten nicht hinlänglich vermieden werden können. Wohl kann jeder, welcher die homöopathische Heilweise an sich selbst oder an seinen Angehörigen erprobt hat, sich über den Wert dieser Heilweise bis zu einem gewissen Grade ein Urteil bilden und die guten Resultate, welche mit der Homöopathie erzielt werden, sind denn auch die Ursache ihrer stets zunehmenden Beliebtheit. Aber bei der öffentlichen Erörterung des Wertes einer Heilmethode müssen die praktischen Resultate, welche in Kliniken und Krankenhäusern erzielt werden, immer die Hauptrolle spielen. Glücklicherweise sind wir in dieser Hinsicht imstande, dem Leser eine durchaus befriedigende Übersicht über die Resultate der homöopathischen Heilweise zu geben. Wir stützen uns hierbei auf eine sehr große Anzahl Krankheitsfälle, welche in verschiedenen Ländern sowohl in früherer wie in neuerer Zeit nach den Grundsätzen der beiden Hauptrichtungen in der Medizin in öffentlichen Krankenhäusern behandelt wurden. Aus diesen vergleichenden Statistiken geht hervor, daß im allgemeinen die Dauer einer Krankheit bei homöopathischer Behandlung kürzer ist als bei der Behandlung mit allopathischen Palliativmitteln und daß auch das Rekonvaleszentenstadium sich nicht so lange hinzieht. Wir wollen hier aber, um den Leser nicht zu ermüden, nur die Sterblichkeitsverhältnisse bei der Kranken­behandlung beider Schulen beleuchten.

Dr. Routh, ein allopathischer Arzt (auf den kein Verdacht der Parteilichkeit zu Gunsten der Homöopathie fallen kann), hat die Resultate der Krankenbehandlung in sämtlichen homöopathischen Spitälern Englands, Deutschlands und Österreichs mit derjenigen der andern Krankenhäuser verglichen und ist dabei zu folgendem Ergebnis gekommen:

 

  Behandelte Kranke. Gestorben. Sterblichkeit.
Allopath. Krankenhäuser
Homöopath. "
119.630
32.655
11.721
1.365
10.5 %
4.4 %

 

In Budapest hat Prof. von Bakody Jahre hindurch die Leitung einer homöopathischen Abteilung des Krankenhauses St. Rochus innegehabt. Die Vergleichung der homöopathischen Behandlung mit der allopathischen in demselben Krankenhause während einer großen Anzahl Jahre ergab u. a. das folgende Resultat: 

 


NAME DER KRANKHEIT.
Sterblichkeit
bei allopath.
Behandlung.
Sterblichkeit
bei homöop.
Behandlung.
Lungenentzündung
Lungenschwindsucht
Andere Krankheiten der Atmungsorgane
Bauchfellentzündung
Ruhr
Typhus
25.4 %
55.8 %
26.1 %
42.0 %
32.8 %
33.6 %
6.5 %
32.1 %
17.47 %
11.7 %
4.4 %
23.5 %

 

Aus letzterer Zeit nennen wir die sehr sorgfältige, nach amtlichen Quellen von Dr. W. S. Mills bearbeitete Statistik aus den Vereinigten Staaten von Nord-Amerika. Seine Tabellen umfassen die Resultate der Kranken­behandlung in den Krankenhäusern von sechs der größten Städte Nord-Amerikas im Jahre 1895. Die allopathische und homöopathische Behandlung wird dort vielfach in getrennten Abteilungen desselben Krankenhauses ausgeübt; die Verteilung der Kranken über beide Abteilungen findet durch die städtische Behörde statt, entsprechend der Anzahl Betten, welche in jeder Abteilung frei sind ohne Rücksicht auf die Art des vorliegenden Krankheitsfalles. Da also das sogenannte Krankenmaterial und auch die hygienischen Einrichtungen beider Abteilungen die gleichen sind und die Zahl der behandelten Fälle sehr groß ist, hat diese Statistik für die Beurteilung der verschiedenartigen arzneilichen Behandlung Anspruch auf besondere Beachtung. Wegen ihrer Wichtigkeit lassen wir sie hier unverkürzt folgen:

 

 

1895. ALLOPATHISCHE ABTEILUNGEN. 1895.
NAME DER STADT. Behandelte Kranke. Gestorben. Sterblichkeit.
1. New-York
2. Brooklyn
3. Philadelphia
4. Pittsburgh
5. Boston
6. Chicago (in 5 Jahren)
8.430
1.373
2.553
2.305
4.605
28.121
621
118
268
207
453
3.340
7.35 %
8.60 %
10.49 %
8.98 %
9.83 %
11.87 %
Summa 47.387 5.007 10.56 %

 

 

Demgegenüber stehen die:

 

 

1895. HOMÖOPATHISCHE ABTEILUNGEN. 1895.
NAME DER STADT. Behandelte Kranke. Gestorben. Sterblichkeit.
1. New-York
2. Brooklyn
3. Philadelphia
4. Pittsburgh
5. Boston
6. Chicago (in 5 Jahren)
5.060
1.170
1.871
1.412
1.911
8.509
271
76
98
90
50
766
5.36 %
6.44 %
5.29 %
6.37 %
4.19 %
9.00 %
Summa 19.123 1.351 7.03 %

 

 

Wir finden hier also einen Unterschied in der Sterblichkeit von 3.53 % zu Gunsten der Homöopathie. Wenn man in Betracht zieht, daß bei einer so großen Anzahl Kranker die Fälle von Tuberkulose, Krebs und anderen oft unheilbaren Krankheiten über beide Abteilungen gleicherweise verteilt waren, dann kann ein solches Resultat nicht anders als sehr günstig bezeichnet werden.

Es gibt denn auch bereits seit längerer Zeit in Amerika und England Lebensversicherungsgesellschaften, welche denjenigen Personen, welche sich bei ihnen versichern und im Erkrankungsfalle homöopathisch behandeln lassen, einen Rabatt von 10% auf die Jahres-Prämie einräumen!

Da wir nun doch einmal bei der Angabe von Zahlen sind, wollen wir noch einige hinzufügen betreffs der Ausdehnung, welche die Homöopathie in unserer Zeit erlangt hat. Mögen sie manchem die Augen öffnen, welcher bisher spöttisch oder mitleidig über diese Heilweise gelächelt hat!

In Deutschland praktizieren zirka 600 homöopathische Ärzte, von wel­chen viele dem "Homöopathischen Zentralverein Deutschlands" angehören. Es gibt verschiedene homöopathische Kliniken und Spitäler, von welchen das größte und bedeutendste, das im Jahre 1905 eröffnete Berliner homöo­pathische Krankenhaus, besonders zu nennen ist, an welchem auch Unter­richtskurse für Ärzte eingeführt worden sind. Es bestehen mehrere Hundert homöopathische Laienvereine, welche sich zum Teil zu großen Landesver­bänden zusammengetan haben. Im Jahre 1903 wurde die "Homöopathische Liga" von zahlreichen Ärzten ins Leben gerufen, welche sich die Aufgabe gestellt hat, alle Anhänger der Homöopathie zu sammeln, um auf die Regierung und die gesetzgebenden Körperschaften Einfluß auszuüben zu Gunsten dieser vielfach noch so stiefmütterlich behandelten wissenschaft­lichen Heilmethode. Das öffentliche Organ dieser Liga, die "Homöopathische Rundschau," welche allmonatlich erscheint, hat bereits einen ausgedehnten Leserkreis in allen Schichten der Bevölkerung. Außer diesem Organ gibt es noch mehrere Zeitschriften, welche seit vielen Jahren bestehen, worunter zwei ausschließlich für Ärzte bestimmte, "die Allgemeine homöopathische Zeitung" und "die Zeitschrift des Berliner Vereins homöopathischer Ärzte," welche stets die neuesten Errungenschaften auf homöopathischem Gebiete bringen. Die Anzahl Apotheker, welche homöopathische Mittel liefern, ist eine sehr große; von den rein homöopathischen Offizinen sind die von Marggraf und Dr. Willmar Schwabe in Leipzig die bekanntesten. Letztere Firma bezifferte bereits im Jahre 1891 die Zahl der unausgezetzt mit ihr in Verbindung stehenden Anhänger der Homöopathie auf 60.000, unter denen sich viele Mitglieder regierender Fürstenhäuser, höhere und höchste Staatsbeamte, Professoren u. s. w. befanden; gegenwärtig unterhält sie allein in Deutschland über hundert Niederlagen, in welchen die homöo­pathischen Arzneien gebrauchsfertig erhältlich sind und überdies exportiert sie ihre Präparate nach allen Ländern der Welt. Die Entwicklung dieses Welt-Etablissements ist daher zugleich ein Gradmesser für den Aufschwung, welchen die Homöopathie in unserer Zeit trotz aller Anfeindung genommen hat.

Aber auch in andern Ländern hat die Homöopathie erfreuliche Fortschritte zu verzeichnen.

In den Niederlanden zählt die homöopathische Heilweise sehr viele Anhänger in den höchsten, wie in den niederen Kreisen. Die Zahl der homöopathischen Ärzte ist zwar noch klein, mehrt sich aber von Jahr zu Jahr und die Regierung steht dieser Heilweise wohlwollend gegenüber, was sie erst kürzlich bewiesen hat, indem sie ein homöopathisches Supplement zum niederländischen Arzneibuch von homöopathischen Ärzten und Apothekern ausarbeiten ließ, welches im Jahre 1907 gesetzliche Gültigheit erlangt hat, und wonach alle Apotheker, welche homöopathische Arzneien verabfolgen wollen, zu arbeiten verpflichtet sind. Den vereinten Bemühungen einfluß­reicher Laien und Ärzte ist es ferner ebenfalls im Jahre 1907 gelungen durchzusetzen, daß im städtischen Krankenhause zu Utrecht eine große Abteilung zur Verfügung solcher Kranker gestellt ist, welche sich nach den Grundsätzen der Homöopathie behandeln lassen wollen. Ein weiterer Beweis für die zunehmende Beliebtheit der Homöopathie in weiten Kreisen der dortigen Bevölkerung ist die günstige Aufnahme der holländischen Ausgabe vorliegenden Werkes, welches in über hundert Tagesblättern und Zeitschriften, besonders auch von ärztlicher Seite, günstig beurteilt und empfohlen wurde.

In Österreich, England, Frankreich, Spanien und in den meisten großen europäischen Staaten sind homöopathische Spitäler vorhanden und eine große Anzahl Ärzte, welche ihre Kranken nach der Hahnemannschen Methode behandeln. Auch in Indien, in Australien, Montevideo, Brasilien gibt es homöopathische Krankenhäuser, allein in Rio de Janeiro gibt es deren drei.

Den größten Fortschritt haben die Vereinigten Staaten von Nord-Amerika aufzuweisen. Der neueste Bericht über die Entwicklung der Homöopathie in diesem Lande der Freiheit und Gleichheit stammt aus dem Jahre 1904 von der Hand des Assistenten am homöopathischen Kranken­hause zu London, Dr. Scarson, welcher eine Studienreise durch Nord-Amerika gemacht hat. Nach seinen Angaben praktizieren gegenwärtig in den Vereinig­ten Staaten 15000 homöopathische Ärzte, welche an 20 homöopathischen Universitäten und Colleges ihre Ausbildung erlangt haben. Zur Kranken­behandlung nach den Grundsätzen der Homöopathie stehen dort 100 Krankenhäuser mit 8000 Betten zur Verfügung. Die Universität von Ann Arbor in Michigan bietet der Welt ein seltenes Schauspiel; die allopathischen und homöopathischen Studierenden beider Abteilungen der Universität verbringen hier ihre Studienzeit und ungeachtet des Unterschiedes in wissenschaftlicher Überzeugung und praktischer Betätigung herrscht ein gutes Verhältnis zwischen Professoren und Studenten.

So sehen wir, daß die Ausbreitung der Homöopathie über die ganze Welt zu einer unumstößlichen Tatsache geworden ist. Das Samenkorn, welches Dr. Samuel Hahnemann gepflanzt hat, ist zu einem großen Baume geworden!

Nunquam retrorsum! Nie rückwärts, sondern vorwärts! das sei die Losung aller überzeugten Anhänger der Homöopathie!



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