Rainer Maria Rilke
(1875-1926)
„Sein Blick ist vom Vorübergehn der Stäbe
so müd geworden, daß er nichts mehr hält.
Ihm ist, als ob es tausend Stäbe gäbe
und hinter tausend Stäben keine Welt.
Der weiche Gang geschmeidig starker Schritte,
der sich im allerkleinsten Kreise dreht,
ist wie ein Tanz von Kraft um eine Mitte,
in der betäubt ein großer Wille steht.
Nur manchmal schiebt der Vorhang der Pupille
sich lautlos auf –. Dann geht ein Bild hinein,
geht durch der Glieder angespannte Stille –
und hört im Herzen auf zu sein.“
Rainer Maria Rilke, Der Panther.
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„Längst geht es in Europa mit der reinen Lyrik zu Ende. Die kommen könnte, ist politisch und didaktisch, wie sie zuerst George, in den letzten Büchern prägte. Rilke hat in der tiefen Stille seines Daseins der anderen das abgeschiedene Asyl gegeben, in welchem sie zur Ruhe gehen durfte. Menschenstimmen drangen da nicht mehr hin. So hat er denn mit Dingen, die er liebte, sie umstellt, aus Resonanzen, Obertönen dieser Dinge den Laut seiner besten Gedichte gebaut. Ganz wurde er dennoch nie Herr der verwesenden Innerlichkeit, die da im »Stundenbuch« mit den Emblemen des Jugendstils gräßlichen Einzug hielt. Wahr ist auch, daß mit jedem neuen Streifzug durch das Werk die Ernte zwischen seinen Blättern ärmer wurde. Immer aber bleiben darin, zwischen alten und frischen, Lieder von der vollendeten taktilen Schönheit von Früchten; Strophen, die sich als Lied im Sinn der Griechen von Hand zu Hand wie eine Schale, eine Scherbe geben lassen. So sind der »Ange du Méridien« und die »Kretische Artemis«, das »östliche Taglied« und der »Archaïsche Torso Apollos« durch die Hände einer Generation gegangen, der bei so feinem billigen Undank nicht wohl wird ...“