§ 93. Die Einheit des Geistes und Körpers wie überhaupt der idealen und materiellen Objekte


Die Idee ist der Begriff des Geistes, welchen der Geist deswegen, weil er ein denkendes Wesen ist, bildet. (»Eth.«, P. II, Def. 3)

Die Idee ist der Natur nach eher als die übrigen Arten des Denkens; denn die übrigen Denkarten wie Liebe, Verlangen setzen die Idee der geliebten, der verlangten Sache voraus, aber das Dasein der Idee setzt nicht das Dasein einer andern Denkweise voraus. (Axiom 3)

In Gott gibt es notwendig eine Idee sowohl von seinem Wesen als von allem, was notwendig aus seinem Wesen folgt; denn Gott kann Unendliches auf unendliche Arten und Weisen denken oder, was dasselbe ist, eine Idee von seinem Wesen und allem, was aus ihm folgt, bilden. Aber alles, was Gott kann, ist notwendig; es existiert also eine solche Idee, und zwar in Gott. Diese Idee Gottes, aus der Unendliches auf unendliche Weisen folgt, ist aber nur eine einzige, gleichwie es nur eine einzige Substanz gibt. (Pr. 3 u. 4)

Die Ideen der einzelnen Dinge müssen aber so in der unendlichen Idee Gottes enthalten sein und begriffen werden, als das formale wirkliche Wesen der einzelnen Dinge oder die einzelnen Dinge selbst in den Attributen Gottes enthalten sind. (Pr. 8)

 Das formale Sein, d. i. das eigentliche Wesen der Ideen (als Ideen), hat Gott zu seiner Ursache, inwiefern er nur als ein denkendes Wesen, nicht unter einem andern Attribut gedacht wird, d.h., die Ideen sowohl von den Attributen Gottes als von den einzelnen Dingen haben nicht diese ihre Gegenstände oder die begriffnen Dinge zur bewirkenden Ursache, sondern Gott selbst als ein denkendes Wesen. (Pr. 5)

Die Arten und Weisen eines jeden Attributes haben daher Gott zu ihrer Ursache, wiefern er nur unter dem Attribut, dessen Beschaffenheiten oder Weisen sie sind, aber nicht unter einem andern betrachtet wird. Denn ein jedes Attribut wird unmittelbar durch sich selbst gedacht. Die Arten und Weisen eines Attributs enthalten daher den Begriff ihres, aber nicht eines andern Attributes und haben darum Gott zur Ursache, inwiefern er nur unter dem Attribut betrachtet wird, dessen Modi sie sind. Hieraus folgt, daß das formale Sein (das eigentliche Wesen) der Dinge, welche keine Bestimmungen oder Arten und Weisen des Denkens sind, nicht deswegen aus der göttlichen Natur kommt, weil er sie vorher erkannte und dachte, sondern daß auf die nämliche Weise und mit derselben Notwendigkeit die Objekte der Ideen aus ihren Attributen folgen als die Ideen aus dem Attribut des Denkens. (Pr. 5 u. Coroll.)

Die Ordnung und der Zusammenhang der Ideen ist identisch mit der Ordnung und dem Zusammenhang der Dinge. Hieraus folgt, daß das Denkvermögen Gottes seinem Vermögen zu wirken gleich ist, d. i., daß alles, was formaliter (als eigentliches, wirkliches Objekt) aus der unendlichen Natur Gottes folgt, auch objective (als geistiges Objekt, als Idee) in Gott aus der Idee Gottes in derselben Ordnung und demselben Zusammenhang folgt. Die denkende und die ausgedehnte Substanz ist nämlich eine und dieselbe Substanz, die jetzt unter diesem, jetzt unter jenem Attribut betrachtet wird. So ist auch eine bestimmte Art und Weise der Ausdehnung und die Idee dieser Art und Weise eine und dieselbe Sache, aber in zwei verschiedenen Formen ausgedrückt. Der wirklich existierende Kreis z.B. und die Idee dieses Kreises, die auch in Gott ist, ist ein und dasselbe Wesen, welches aus verschiedenen Attributen begriffen wird, und wir mögen deswegen die Natur unter dem Attribut der Ausdehnung oder unter dem Attribut des Denkens oder unter irgendeinem andern Attribute betrachten, wir finden immer nur eine und dieselbe Ordnung oder Verbindung der Ursachen, d. i., wir finden immer die nämlichen Dinge in der nämlichen Folge. Gott ist allein deswegen nur als denkendes Wesen die Ursache der Idee z.B. des Kreises und nur als ausgedehntes die Ursache des wirklichen Kreises, weil das formale Sein oder Wesen der Idee des Kreises nur durch eine andere Idee oder Art des Denkens als seine nächste Ursache und diese wieder durch eine andere und so fort bis ins Unendliche gedacht werden kann, so daß wir, wiefern die Dinge als Arten des Denkens betrachtet werden, die Ordnung der ganzen Natur oder die Verbindung der Ursachen bloß durch das Attribut des Denkens, wiefern sie aber als Arten oder Bestimmungen der Ausdehnung betrachtet werden, die Ordnung der ganzen Natur bloß durch das Attribut der Ausdehnung begreifen dürfen und müssen. (Pr. 7 u. Schol.)

Das erste, was das wirkliche Sein und Wesen des menschlichen Geistes ausmacht, ist nichts weiter als die Idee eines wirklich existierenden Dinges. Das Objekt nämlich dieses das Wesen des menschlichen Geistes ausmachenden Begriffs ist der Körper oder eine bestimmte, wirklich existierende Art und Weise der Ausdehnung und nichts weiter. Alle Dinge in der Natur sind daher, aber in verschiedenen Graden, beseelt. Denn von jedem Dinge gibt es notwendig in Gott eine Idee, deren Ursache Gott ist. Der Begriff des Körpers aber, der der Geist oder die Seele selbst ist oder sein Sein ausmacht, ist ein direkter, unmittelbarer Begriff, und daraus ergibt sich der Unterschied, der zwischen der Idee z.B. des Petrus, die das Wesen selbst seines Geistes ausmacht, und zwischen der Idee desselben Petrus, die ein anderer Mensch, z.B. Paulus, von ihm hat, stattfindet. Denn jene Idee drückt unmittelbar das Wesen von dem Körper des Petrus aus und enthält nur solange Existenz, als Petrus selbst existiert; diese aber drückt mehr die körperliche Beschaffenheit des Paulus aus als das Wesen des Petrus, und es kann daher der Geist des Paulus, solange jene körperliche Beschaffenheit dauert, den Petrus sich als gegenwärtig vorstellen, wenngleich Petrus selbst nicht mehr existiert. Die Einheit des Geistes mit dem Leibe besteht daher darin, daß der Leib das unmittelbare Objekt der Seele ist. (Pr. 11, 13, 17, Sch.)

Alles, was daher in dem Körper, dem Objekt des Begriffes ist, welcher der Geist selbst ist, das ist auch im Geiste, und alles, was im Körper vorgeht, geht auch im Geiste vor oder wird von ihm wahrgenommen. Da das Wesen des Geistes nur darin besteht, daß er der Begriff eines wirklich existierenden Körpers ist, das Vermögen eines Dinges aber nichts anders als sein Wesen ist, so erstreckt sich das Erkenntnisvermögen des Geistes auch nur auf das, was die Idee des Körpers enthält und aus ihr folgt. (Pr. 12 u. »Epist.« 66) Die Idee jeder Affektion des menschlichen Leibes oder jeder Art und Weise, wie er von äußern Körpern affiziert wird, drückt zugleich die Natur des äußern und des menschlichen Körpers aus. Mit dem Wesen seines Körpers nimmt der Geist daher zugleich das Wesen sehr vieler Körper wahr. Die Ideen aber, die wir von den äußern Körpern haben, drücken mehr die Beschaffenheiten unsers Körpers als der äußern Körper aus. (»Eth.«, P. II, Pr. 16, Cor. 1, 2) Der menschliche Geist nimmt übrigens nicht nur die Affektionen (Eindrücke, Bestimmtheiten) des Körpers wahr, sondern auch die Ideen dieser Affektionen. Der Geist erkennt aber nur sich selbst, inwiefern er die Ideen von den Affektionen seines Körpers wahrnimmt. Auch nimmt er keinen äußern Körper als einen wirklich existierenden wahr außer durch die Ideen von den Affektionen seines Körpers. (Pr. 22, 23, 26) Da der Geist nur der direkte Begriff des Körpers ist, so folgt auch notwendig, daß, je vortrefflicher und tüchtiger das Objekt des Geistes, d. i. der Leib, ist, um so vortrefflicher und tüchtiger auch der Geist ist. (Pr. 13, Sch., Pr. 14)

Von dem menschlichen Geiste existiert in Gott auch ein Begriff oder eine Idee, welche aus Gott auf dieselbe Weise folgt und auf ihn sich bezieht wie die Idee oder der Begriff des menschlichen Körpers. Diese Idee des Geistes (das Bewußtsein) ist auf die nämliche Weise mit dem Geiste vereint wie der Geist mit dem Leibe. (Pr. 20, 21)

Geist und Körper sind also ein und dasselbe Individuum, welches jetzt unter dem Attribut des Denkens, jetzt unter dem der Ausdehnung betrachtet wird, und ebenso ist die Idee des Geistes und der Geist selbst eine und dieselbe Sache, ein und dasselbe Wesen, welches unter einem und demselben Attribute, nämlich dem des Denkens, gedacht wird. (Pr. 7, Sch., Pr. 21, Sch.)

Gleichwohl kann aber weder der Körper den Geist zum Denken noch der Geist den Körper zur Ruhe oder Bewegung oder sonst etwas bestimmen. (»Eth.«, P. III, Pr. 2)


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