Die Satire und Marx
Brecht entkleidet die Verhältnisse, unter denen wir leben, ihrer Drapierung durch Rechtsbegriffe. Nackt wie es auf die Nachwelt gelangen wird, tritt das Menschliche aus ihnen heraus. Leider wirkt es entmenscht. Aber das ist nicht dem Satiriker zuzuschreiben. Den Mitbürger zu entkleiden ist seine Aufgabe. Wenn er ihn seinerseits neu ausstaffiert, ihn wie Cervantes im Hund Berganza, wie Swift in der Pferdegestalt der Houyhnhnms, wie Hoffmann in einem Kater vorstellt, so kommt es ihm im Grunde dabei doch nur auf die eine Positur an, wo derselbe nackt zwischen seinen Kostümen steht. Der Satiriker hält sich an seine Blöße, die er ihm im Spiegel vor Augen führt. Darüber geht sein Amt nicht hinaus.
So begnügt sich Brecht mit einer kleinen Umkostümierung der Zeitgenossen. Sie reicht im übrigen gerade aus, um die Kontinuität mit jenem neunzehnten Jahrhundert herzustellen, das nicht nur den Imperialismus sondern auch den Marxismus hervorgebracht hat, der so nützliche Fragen an diesen zu stellen hat. »Als der deutsche Kaiser an den Präsidenten Krüger telegraphierte, welche Aktien stiegen da und welche fielen?« »Natürlich fragen das nur die Kommunisten.« Aber Marx, der es zuerst unternahm, die Verhältnisse zwischen Menschen aus ihrer Erniedrigung und Verneblung in der kapitalistischen Wirtschaft wieder ans Licht der Kritik zu ziehen, ist damit ein Lehrer der Satire geworden, der nicht weit davon entfernt war, ein Meister in ihr zu sein. In seine Schule ist Brecht gegangen. Die Satire, die immer eine materialistische Kunst war, ist bei ihm nun auch eine dialektische. Marx steht im Hintergrund seines Romans – ungefähr so wie Konfuzius und Zoroaster für die Mandarine und Schahs, die in den Satiren der Aufklärung unter den Franzosen sich umsehen. Marx bestimmt hier die Weite des Abstandes, den der große Schriftsteller überhaupt, besonders aber der große Satiriker seinem Objekt gegenüber einnimmt. Es war immer dieser Abstand, den die Nachwelt sich zu eigen gemacht hat, wenn sie einen Schriftsteller klassisch nannte. Vermutlich wird sie sich im Dreigroschenroman ziemlich leicht zurechtfinden.