Bergidylle
Auf dem Berge steht die Hütte
I
Auf dem Berge steht die Hütte,
Wo der alte Bergmann wohnt;
Dorten rauscht die grüne Tanne,
Und erglänzt der goldne Mond.
In der Hütte steht ein Lehnstuhl,
Ausgeschnitzelt wunderlich,
Der darauf sitzt, der ist glücklich,
Und der Glückliche bin ich!
Auf dem Schemel sitzt die Kleine,
Stützt den Arm auf meinen Schoß;
Äuglein wie zwei blaue Sterne,
Mündlein wie die Purpurros’.
Und die lieben, blauen Sterne
Schaun’ mich an so himmelgroß;
Und sie legt den Lilienfinger
Schalkhaft auf die Purpurros’.
Nein, es sieht uns nicht die Mutter,
Denn sie spinnt mit großem Fleiß,
Und der Vater spielt die Zither,
Und er singt die alte Weis’.
Und die Kleine flüstert leise,
Leise, mit gedämpftem Laut;
Manches wichtige Geheimnis
Hat sie mir schon anvertraut.
„Aber seit die Muhme tot ist,
Können wir ja nicht mehr gehn
Nach dem Schützenhof zu Goslar,
Dorten ist es gar zu schön.
Hier dagegen ist es einsam,
Auf der kalten Bergeshöh’,
Und des Winters sind wir gänzlich
Wie begraben in dem Schnee.
Und ich bin ein banges Mädchen,
Und ich fürcht’ mich wie ein Kind
Vor den bösen Bergesgeistern,
Die des Nachts geschäftig sind.“
Plötzlich schweigt die liebe Kleine,
Wie vom eignen Wort erschreckt,
Und sie hat mit beiden
Händchen Ihre Äugelein bedeckt.
Lauter rauscht die Tanne draußen,
Und das Spinnrad schnurrt und brummt,
Und die Zither klingt dazwischen,
Und die alte Weise summt:
„Fürcht’ dich nicht, du liebes Kindchen,
Vor der bösen Geister Macht;
Tag und Nacht, du liebes Kindchen,
Halten Englein bei dir Wacht!“