Die größte Veränderung
152.
Die größte Veränderung. — Die Beleuchtung und die Farben aller Dinge haben sich verändert! Wir verstehen nicht mehr ganz, wie die alten Menschen das Nächste und Häufigste empfanden, — zum Beispiel den Tag und das Wachen: dadurch, dass die Alten an Träume glaubten, hatte das wache Leben andere Lichter. Und ebenso das ganze Leben, mit der Zurückstrahlung des Todes und seiner Bedeutung: unser „Tod“ ist ein ganz anderer Tod. Alle Erlebnisse leuchteten anders, denn ein Gott glänzte aus ihnen; alle Entschlüsse und Aussichten auf die ferne Zukunft ebenfalls: denn man hatte Orakel und geheime Winke und glaubte an die Vorhersagung. „Wahrheit“ wurde anders empfunden, denn der Wahnsinnige konnte ehemals als ihr Mundstück gelten, — was uns schaudern oder lachen macht. Jedes Unrecht wirkte anders auf das Gefühl: denn man fürchtete eine göttliche Vergeltung und nicht nur eine bürgerliche Strafe und Entehrung. Was war die Freude in der Zeit, als man an die Teufel und die Versucher glaubte! Was die Leidenschaft, wenn man die Dämonen in der Nähe lauern sah! Was die Philosophie, wenn der Zweifel als Versündigung der gefährlichsten Art gefühlt wurde, und zwar als ein Frevel an der ewigen Liebe, als Misstrauen gegen Alles, was gut, hoch, rein und erbarmend war! — Wir haben die Dinge neu gefärbt, wir malen immerfort an ihnen, — aber was vermögen wir einstweilen gegen die Farbenpracht jener alten Meisterin! — ich meine die alte Menschheit.