Egoismus

Egoismus (praktischer): Ichtum, Selbstsucht, Eigennutz, bedeutet 1) im weiteren Sinne: die Betonung des eigenen Ich und dessen Interessen, jene Handlungs- und Gesinnungsweise, die auf das Wohl und Wehe des eigenen Ich abzielt, die in Motiven der Selbstförderung gegründet ist; 2) im engeren Sinne: die Selbstsucht, die auf Kosten des Wohles anderer für sich sorgt (gemeiner, brutaler Egoismus, im Unterschiede vom geläuterten Egoismus, der das fremde Wohl berücksichtigt). Egoistisch handelt, wer bei seinem Tun nur oder überwiegend das eigene Wohl, den eigenen Nutzen im Auge hat; altruistisch, wer bei seinem Tun fremdes Wohl zu bewirken beabsichtigt. Dadurch daß die altruistische Handlungsweise selbst für das handelnde Ich lustvoll wird, hat sie noch nicht einen egoistischen Charakter - das Motiv und das Handlungsziel ist das, was den Egoismus, bzw. den Altruismus konstituiert. Die egoistische Moraltheorie führt das Sittliche auf egoistische Motive zurück (s. Ethik).

Den praktischen Egoismus lehren einige Sophisten, ferner die Kyniker und Kyrenaiker, welche den Zweck des Daseins in der Erlangung eigener Glückseligkeit erblicken, also Eudämonisten (s. d.) sind; so auch die Epikureer als Hedoniker (s. d.). - HOBBES leitet Recht und Sittlichkeit aus dem egoistischen Selbsterhaltungstriebe der Menschen, aus dem gegenseitigen Aufeinander-angewiesen-sein derselben ab (De cive C. 1, § 2). Einen geläuterten »Egoismus« vertritt SPINOZA. Der vernünftig-gute Mensch will zwar »suum esse«, das Eigensein bewahren (Eth. prop. IV, XXIV), aber nicht auf Kosten fremden Wohles. »Sequitur, homines, qui ratione gubernantur, hoc est, homines qui ex ductu rationis suum utile quaerunt, nihil sibi appetere, quod reliquis hominibus non cupiant« (l.c. IV, prop. XVIII, schol.). Während SHAFTESBURY eine harmonische Verbindung egoistischer und socialer Neigungen als sittlich gut wertet, betonen HOLBACH, HELVETIUS, VOLNEY mehr das egoistische Moment des Handelns. KANT bezeichnet die ursprüngliche, in der sinnlichen Natur des Menschen liegende Selbstsucht als das »radikale Böse« (s. d.). Der »moralische Egoist« ist »der, welcher alle Zwecke auf sich selbst einschränkt, der keinen Nutzen worin sieht, als in dem, was ihm nützt« (Anthrop. I, § 2). SCHOPENHAUER (der selbst eine Mitleidsmoral lehrt) erklärt: »Die Haupt- und Grundtriebfeder im Menschen wie im Tiere ist der Egoismus, d.h. der Drang zum Dasein und Wohlsein« (Üb. d. Grundl. d. Mor. § 14). Einer der konsequentesten Egoisten (nicht ganz konsequent, denn er spricht von einem »Verein der Egoisten«) ist MAX STIRNER (Der Einz. u. s. Eigent.) mit der Behauptung, das Ich sei selbstherrlich, erkenne keine Werte außer ihm an, werte nur das, was es selbst werten will, gebrauche die Welt zu seinen Zwecken, folge nur der Pflicht gegen sich selber u. dgl. Vor ihm äußert ähnliches schon FR. SCHLEGEL, dem das praktische Ich ebenso absolut ist, wie das theoretische »Ich« (s. d.) Fichtes. Egoistisch, mehr aber individualistisch ist die Ethik NIETZSCHES. Nach H. SPENCER ist der Altruismus (s. d.) von gleicher Ursprünglichkeit wie der Egoismus. IHERING sieht die Wurzel des Rechts im Egoismus der Gesellschaft. Nach E. DÜHRING ist der Egoismus nichts Natürliches, sondern »ein Gebilde der Entartung und Verderbnis« (Wirklichkeitsphilos. S. 139). Auch der Altruismus ist nicht das Ursprüngliche, sondern das Gegenstück zum Egoismus (ib.). »Nicht die Bejahung des eigenen Interesses, sondern die unstatthafte Verneinung des fremden, ähnlich oder gleich berechtigten Anspruchs constituiert den wirklichen Egoismus« (l.c. S. 143). Nach MEINONG begehrt egoistisch, »wer begehrt um der eigenen Lust willen« (Werttheor. S. 9, f.). Das Egoistische im engsten Sinne liegt im selbstisch-inaltruistischen Begehren (l.c. S. 103). LIPPS bemerkt: »Egoistisch ist das Wollen, das abzielt auf ein Sachliches, das und sofern es dem Wollenden als ein unmittelbar ihn befriedigendes vorschwebt« (Eth. Grundfr. S. 10). Die neuere, besonders die individualistische Ethik (s. d.) erkennt die Berechtigung des »gesunden« Egoismus an. SIGWART betont, es sei »nicht bloß der Eudämonismus, die Rücksicht auf das Gefühl der Lust überhaupt, sondern auch der Egoismus die Rücksicht auf das Gefühl der eigenen persönlichen Lust notwendig in jedem menschlichen Wollen enthalten« (Vorfrag. d. Eth. S. 6). So auch TH. ZIEGLER (Das Gef.2, S. 289). Nach PAULSEN gibt es in Wirklichkeit keinen absoluten Egoisten (Syst. d. Eth. I5, 232). Nach R. STEINER ist Egoismus »das Prinzip, durch sein Handeln die größte Summe eigener Lust zu bewirken, d.h. die individuelle Glückseligkeit zu erreichen« (Philos. d. Freih. S. 144). Nach GIZYCKI ist eine Handlung nur dann egoistisch, wenn das Ich auch Objekt des Handelns ist (Moralphilos. S. 97). RENOUVIER erklärt den Egoismus als »l'amour de soi et de son bien, a l'exclusion du bien d'autrui, ou, simplement sans en tenir compte« (Nouv. Monadol. p. 198).


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