Idealismus - Kant
Lehrt der empiristische Idealismus, die Außenwelt sei nichts als eine Summe von Vorstellungen, so betont der kritische oder transzendentale Idealismus KANTS die gesetzmäßige, denkend gesetzte Verknüpfung der Objekte als Inhalte des (allgemeinen, konstanten, überindividuellen) wissenschaftlich erkennenden Bewußtseins, die »empirische Realität« (s. d.) der Objekte und die Existenz eines (qualitativ völlig unbekannten unerkennbaren) »Ding an sich« (s. d.). In Baum und Zeit ist das »Gegebene« wirklich, aber Raum und Zeit (und die Kategorien) sind nur Formen unserer Anschauung und unseres Denkens, die Objekte als solche (nichts als) gesetzmäßige Zusammenhänge von Erkenntnisinhalten. Die Existenz der Dinge an sich wird nicht geleugnet, wohl aber ihre Erkennbarkeit (Prolegom. S. 68). Unter dem »transzendentalen Idealismus aller Erscheinungen« versteht Kant »den Lehrbegriff, nach welchem wir sie insgesamt als bloße Vorstellungen und nicht als Dinge an sich selbst ansehen, und demgemäß Zeit und Raum nur sinnliche Formen unserer Anschauung, nicht aber für sich gegebene Bestimmungen oder Bedingungen der Objekte, als Dinge an sich selbst sind« (Krit. d. r. Vern. S. 313). »Wir haben... bewiesen: daß alles was im Raume oder in der Zeit angeschauet wird, mithin alle Gegenstände einer uns möglichen Erfahrung, nichts als Erscheinungen, d. i. bloße Vorstellungen sind, die so, wie sie vorgestellt werden, als ausgedehnte Wesen oder Reihen von Veränderungen, außer unseren Gedanken keine an sich gegründete Existenz haben. Diesen Lehrbegriff nenne ich den transzendentalen Idealism.« »Ich habe ihn auch bisweilen den formalen Idealism genannt, um ihn von dem materialen, d. i. dem gemeinen, der die Existenz äußerer Dinge selbst bezweifelt oder leugnet, zu unterscheiden« (l.c. S. 401) »Raum und Zeit sind nur unsere Anschauungsformen, in ihnen aber stellen sich wirklich Dinge dar« (l.c. S. 402). Der Zweifel, »ob das Objekt, welches wir außer uns setzen, nicht vielleicht immer in uns sein könne«, ist für die Metaphysik belanglos (Üb. d. Fortschr. d. Metsphys. S. 117). Der transzendentale Idealismus ist zugleich »empirischer Realismus«, insofern er der Materie als Erscheinung Wirklichkeit zugesteht (Krit. d. r. Vern. S. 314). Die Objekte sowohl des äußeren als auch des inneren Sinnes (s. d.) sind als solche ideell (l.c. S. 71). - Der ästhetische Idealismus beruht darauf, »daß wir in der Beurteilung der Schönheit überhaupt das Richtmaß derselben a priori in uns selbst suchen, und die ästhetische Urteilskraft in Ansehung des Urteils, ob etwas schön sei oder nicht, selbst gesetzgebend ist« (Krit. d. Urt. I, § 58). Der »Idealismus der Zweckmäßigkeit« besteht in der Behauptung, daß alle Zweckmäßigkeit der Natur unabsichtlich sei (l.c. I, § 58, II, § 72), in der Leugnung der Intentionalität des Naturwirkens, sei es als System der »Kausalität« oder als System des »Fatalismus« (l.c. II, 72, 73). - Im Sinne Kants lehren ältere und neuere Kantianer (s. d.). Auch LICHTENBERG. Er behauptet, wir müßten Idealisten sein. »Denn alles kann uns ja nur bloß durch unsere Vorstellung gegeben werden. Zu glauben, daß diese Vorstellungen und Empfindungen durch äußere Gegenstände veranlaßt werden, ist ja wieder eine Vorstellung. Der Idealismus ist ganz unmöglich zu widerlegen, weil wir immer Idealisten sein würden, selbst wenn es Gegenstände außer uns gäbe, weil wir von diesen Gegenständen unmöglich etwas wissen können. So wie wir glauben, daß Dinge ohne unser Zutun in uns vorgehen, so können auch die Vorstellungen davon ohne unser Zutun in uns vorgehen.« »Man muß erst eins werden über das, was man unter Vorstellung versteht. Sie sind sicherlich von verschiedener Art, aber keine enthält irgend ein deutliches Zeichen, daß sie von außen komme. Ja, was ist außen? Was sind Gegenstände praeter nos? Was will die Präposition ›praeter‹ sagen? Es ist eine bloß menschliche Erfindung; ein Name, einen Unterschied von andern Dingen anzudeuten, die wir nicht praeter nos nennen. Alles sind Gefühle« (Bemerk. S. 117).