Apeiron (apeiron): das Unbegrenzte. So nennt ANAXIMANDER das Princip, den Urgrund aller Dinge (archên kai stoicheion to apeiron, Diog. L. II, 1; tôn ontôn archên einai to apeiron, Stob. Ecl. I, 10, 292). Das Apeiron ist eigenschaftlich unbestimmt; in den aus ihm entstandenen Dingen beharrt es unveränderlich (ametableton), unzerstörbar (anôlethron), unsterblich (athanaton; Aristot., Phys. III 4, 203b 13). Es umfaßt und beherrscht alles (periechein panta kai panta kybernan, l.c. 203b 11). Die Dinge entstehen aus ihm durch Aus- oder Abscheidung (ekkrinesthai, apokrinesthai; Simpl. ad Arist. Phys. 24, 23), zuerst das Warme und Kalte, dann das Flüssige, Feste (Erde), Luftförmige, Feurige (l.c. Diels 150, 22). Die Zahl der entstehenden Welten, die wieder vergehen müssen, ist unbegrenzt (Stob. Ecl. I, 10, 292). Der Urgrund selbst muß apeiron sein, damit das Werden sieh nicht erschöpfe (hina mêden elleipê hê genesis hê hyphistamenê, l.c. I, 10, 292). Immer wieder kehren die Dinge ins Apeiron zurück: ek gar toutou panta gignesthai kai eis touto panta phtheiresthai (ib.), um zu büßen für ihr Verschulden gemäß der Zeitordnung (didonai gar auta tisin kai dikên tês asikias kata tês tou chronou taxin, Simpl. l. c; vgl. ZELLER, G. d. gr. Ph. I, 15, S. 229). Die Einzelexistenz erscheint hier als eine Art Schuld, als ein Raub am Sein, der an diesem wieder gutgemacht werden muß. - Das Apeiron ist wohl nicht als »migma« (ARISTOTELES, Met. XII 1, 1069b 22), als Gemenge fertiger Qualitäten anzusehen (so RITTER, BÜSGEN, Üb. d. Apeir. 1867, TEICHMÜLLER, Stud. zur Gesch. d. Begr. S. 71, u. a.), sondern als ein stofflich Unbestimmtes (STRÜMPELL, SEYDEL, TANNERY, KÜHNEMANN, Grundl. d. Philos. S. 2), das die Qualitäten der Dinge potentiell in sich birgt (ÜBERWEG, Grundr. I, 45; ZELLER, G. d. gr. Ph. I, 15, 201, 218). Bemerkenswert ist die Ansicht WINDELBANDs: »Das Wahrscheinlichste ist hier noch, daß Anaximander die unklare Vorstellung des mystischen Chaos, welches eins und doch alles ist, begrifflich reproduziert hat, indem er als den Weltstoff eine unendliche Körpermasse annahm, in der die verschiedenen empirischen Stoffe so gemischt seien, daß ihr im ganzen keine bestimmte Qualität mehr zugeschrieben werden dürfe, daß aber auch die Ausscheidung der Einzelqualitäten aus dieser selbstbewegten Materie nicht mehr als eigentliche qualitative Veränderung derselben angesehen werden könnte« (G. d. Phil. S. 25 f.). (Vgl. NATORP, Phil. Monatshefte XX, 36. ff.; J. COHN, Geseh. d. Unendl. S. 13 ff.). Den pythagoreischen Gegensatz des Bestimmten und Unbegrenzten (peras und apeiron) erneuert PLATO. Das apeiron ist das Unbestimmte, Nicht-Seiende (mê on), das erst durch das peras, die quantitative Bestimmtheit und Ordnung, zum Seienden (peperasmenon, ousia) wird (Phileb. 16C, D, 24, 25 A). Nach ARISTOTELES (Met. I, 6; XIV, 1) hat Plato auch in den Ideen als Faktoren derselben ein peras und apeiron angenommen. Vgl. Idee.