Worte von Jean Paul, Schopenhauer und Bismarck

[Jean Paul]


Jean Paul:

Gegen den Krieg schreiben ist allerdings so viel als im Druck harte Winter scharf rügen oder die Erbsünde. — — —

Gleichwohl wäre ein Wort für den Krieg noch heilloser, als eines dagegen fruchtlos ist; in keiner Zeit aber mehr als in der jetzigen, wo .... (sind anders kleinliche Spielworte dem an sich kleinlichen Kriegsspiel angemessen) vernagelte Köpfe und vernagelte Kanonen einerlei gelten wollen und wo sich alle Blüten der Völker bloß dem Sichelwagen der Kriegsminister auf ihren eisernen Gleisen unterstreuen sollen. Allerdings trägt das rednerische, dichtende und geschichtschreibende Volk einige Schuld an der Fortsetzung der Kriege durch die gemeine Fortsetzung seiner Kriegslobreden. Freilich ist es Rednern leichter — daher junge Schauspieler und veraltete Fürsten dasselbe wollen —, Tyrannen darzustellen als Friedensfürsten, so wie Klavieranfänger am liebsten Durtöne spielen. Alles Gute nimmt wie der Himmel nur wenige Farben an; es gehört mehr Kenntnis dazu, einen Friedensfürsten als einen Kriegsfürsten zu malen.

Indessen, bliebe auch die Menschheit .... ewig auf dem Schlachtfeld und Kriegsfuß stehen; und hälfe keine Friedenspredigt zum ewigen Frieden: so würde ich sie gleichwohl halten; ist der Wille nicht zu bessern, so doch vielleicht das Urteil.

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— — — Freilich wurzelt dann auf dem Anfallskrieg der Abtreibungskrieg fort und leider so, dass sich jener leicht in diesen verkleidet, weil nicht nur die beste Verteidigung Angriff ist, sondern weil die Politik auch Präservationskriege annimmt, das heißt eine Staatsnotwehr, ähnlich der eines Einzelwesens, das dem Mörder, der ihm auflauern will, früher auflauerte und den Todesstreich vorausführte, welcher dann, sobald er fehlglitte, wieder den Mörder in einen billigen Notwehrstand einsetzte. Wir erbärmliche Menschen! Unsere Laster organisieren einander notwendiger (wie hier Mord den Mord) als unsere Tugenden einander! Hinter einer Brust- und Kopfwehr, wie die eines Kant ist, der den ewigen Frieden verfocht, den er jetzt selber genießt, darf man schon behaupten, dass die Menschheit bei dem letzten, wenn nicht der Gott der Liebe zugleich der Gott des Mordes sein soll, einmal ankommen muß. Der Krieg kommt endlich selber am Kriege um; seine Vervollkommnung wird seine Vernichtung, weil er sich seine Verstärkung abkürzt.

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»Der Friede verweichlicht die Völker,« sagt einer der Gemeinplätze, wo sich Irrtum und Wahrheit friedlich nebeneinander aufhalten und mit sich Versteckens spielen. — — — Übrigens härtet der Krieg nicht viel stärker aus als der Friede; denn dieser gibt dem Landmann, Seemann, Kaufmann, Handwerksmann, also der Überzahl Eisenmolken länger zu trinken aIs die kurzen mit Schwelgereien unterbrochenen Strapazen einiger Kriegsjahre dem Soldaten.

— — — Auch sonst ist für Krieg und Menschheit die Behauptung schimpflich und unwahr, dass .... der Mensch nur erst eine harte Haut bekomme, wenn auf sie und von ihr geschlagen wird, dass nicht Freudigkeit, sondern nur Schmerz sie gegen den Schmerz verpanzert, und dass erst Länder zu Gräbern umgeackert werden müssen, um einige Helden zu säen.

Was aber verweichlicht und die Festungswerke der Seele schleift, kann Krieg und Friede gleich gut zuschicken, nämlich die Herrschaft des Genusses über die Idee. Der Körper sei siech, weich, weichlich und weiblich: setzt zum Beispiel ein Mutterherz hinein, so ist er eine Bergfestung und die Kinder werden durch keinen Sturm erobert. Entzündet in der Jungfrau Liebe — wie in Hannibal Römerhaß —: sie geht auch über die Alpen und kann sterben und töten. Folglich kann ein Friede ebensogut durch eine Idee — es sei Freiheit oder Religion oder Ehre — den verzärtelten und genußhungrigen Körper gleichsam dem siegenden Geiste vorspannen, als ein Krieg ohne diese Idee den Geist im abgehärteten Körper gleichsam als einen gepanzerten Patienten hinlegt. Das immer fortdauernde Kriegsfeuer brannte doch die Kaiserrömer nicht härter aus, sondern schmolz sie durch das Verquicken mit dem Golde der Welt nur flüssiger zusammen.

Aus »Dämmerungen für Deutschland«

 

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Nr. 405, XVI. Jahr

23. Februar 1915.


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