Erhaltung: Bestehenbleiben eines Dinges, einer Kraft, Energie (s. d.), einer Größe, eines Selbst im Wechsel des Geschehens. Der »Selbsterhaltung« der Lebewesen liegt ein Trieb (»Wille zum Leben«) zugrunde, eine Betätigung und Widerstandskraft gegenüber den Mächten der Umgebung. Es gibt auch eine psychische (geistige), ferner eine soziale Selbsterhaltung.
Nach den Stoikern hat jedes Lebewesen einen ursprünglichen Selbsterhaltungstrieb; prôton oikeion einai panti zôô tên autou systasin kai tên tautês syneidêsin -; tên de prôtên hormên phasi to zôon ischein epi to têrein heauto (Diog. L. VII 1, 85). Ähnlich AUGUSTINUS (De civ. Dei XI, 28). THOMAS erklärt: »Quaelibet res naturalis conservationem sui esse appetit« (Quaest. d. disp. de potent. 5, 10 b, 13). »Conservatio rei non est nisi continuatio esse ipsius« (Contr. gent. III, 65). L. DA VINCI: »Naturalmente ogni cosa desidera mantenersi in suo essere.« TELESIUS schreibt der Materie einen Selbsterhaltungstrieb zu; die Selbsterhaltung ist ihm die Grundlage der Ethik. Wie DESCARTES (Medit.) erklärt SPINOZA: »Non minor causa requiritur ad rem conservandam, quam ad ipsam primum producendam.« (Ren. Cart. pr. phil. I, ax. X). »Omnia, quae existunt, a sola vi Dei conservantur« (l.c. prop. XII). Der Selbsterhaltungstrieb (des Seins, des Lebens, der Vernunft) ist in jedem Dinge gelegen. »Unaquaeque res, quantum in se est, in suo esse perseverare conatur« (Eth. III, prop. VI). Auch HOBBES betont die Wichtigkeit des Selbsterhaltungstriebes. LEIBNIZ erklärt; »Chaque substance se conserve, mais les masses en vertu des loix de leur propre nature tendent à se détruire« (Gerh. IV, 585). HOLBACH betont den Selbsterhaltungstrieb der Dinge (Syst. de la nat. I, ch. 4, p. 48). J. G. FICHTE: »Ich finde mich selbst als ein organisiertes Naturproduct. Aber in einem solchen besteht das Wesen der Teile in einem Triebe, bestimmte andere Teile in der Vereinigung mit sich zu erhalten, welcher Trieb, dem Ganzen beigemessen, der Trieb der Selbsterhaltung heißt« (Syst. d. Sittenlehre S. 154). Der Trieb geht stets auf »eine bestimmte Existenz« (l.c. S. 155). Nach HEGEL, erhält sich nur das, »was, als absolut, mit sich identisch ist, und das ist das Allgemeine, das für das Allgemeine ist,« die Gattungsidee (Naturphilos. S. 649). Nach HERBART bestehen die Zustände der »Realen« (s. d.) in »Selbsterhaltungen« gegenüber drohenden Störungen anderer Realen. Die Vorstellungen (s. d.) sind Selbsterhaltungen der Seele (vgl. Hauptp. d. Met. S. 42; K. Encykl. S. 344 ff.). HEINROTH erblickt im »Erhaltungstrieb« einen Grundtrieb der Seele (Psychol. S. 92). Eine Erhaltung der am besten angepaßten Rassen (Arten) im Kampf ums Dasein lehren CH. DARWIN, H. SPENCER u. a. (s. Evolutionismus). Einen Grundtrieb der Selbsterhaltung bei den Lebewesen nimmt FORTLAGE an (Syst. d. Psychol. I, 478). E. DÜHRING erklärt: »Jedes Lebenselement will sich behaupten.« Das »Beharrungsstreben« ist ein Grundgesetz der Natur (Wirklichkeitsphilos. S. 84). SPICKER: »Sich im Dasein zu erhalten und behufs dieses Zweckes die entsprechenden Mittel zu ergreifen, bezw. die einwohnenden Kräfte zu betätigen, ist das große allgemeine Gesetz, welches durch die ganze Natur geht« (Vers. e. n. Gottesbegr. S. 121). TÖNNIES: »Alles Leben und Wollen ist Selbstbejahung« (Gem. u. Ges. S. 118). NIETZSCHE leugnet die Existenz eines primären Selbsterhaltungstriebes. Vielmehr strebt das Lebendige, mehr zu werden, als es ist (WW. XV, 302). Die Selbsterhaltung ist nur eine Folge des Willens zur Macht (WW. VII, 1, 13). HÖFFDING sieht in der Erblichkeit die »Tendenz der Natur, das Erworbene zu erhalten« (Psychol. S. 481). R. AVENARIUS nimmt an, das »System C« (s. d.) (Repräsentant des menschlichen Individuums) strebe beständig, sich den ändernden Einflüssen gegenüber zu »erhalten«. Der »ideale« Zustand ist das »vitale Erhaltungsmaximum«, das positiv oder negativ verändert werden kann (»Vitaldifferenz«, s. d.). Die variable Größe der vitalen Erhaltung ist der »vitale Erhaltungswert« (Krit. d. r. Erf. S. 62). Von den »Schwankungen« des Systems C ist das Erkennen »abhängig« (l.c. I, S. 64 ff.). OSTWALD versteht unter dem »Gesetz der Erhaltung der Elemente« die Möglichkeit, daß chemische Elemente aus jeder ihrer Verbindungen in unveränderlicher Menge wieder zu gewinnen sind (Vorles. üb. Naturphilos.2, S. 286 f.). Vgl. Energie.