Idealismus heißt allgemein die Lehre von der Idealität (s. d.) des Seins. Sie tritt in zwei (theoretischen) Hauptformen auf: als metaphysischer und als erkenntnistheoretischer Idealismus. Der erstere behauptet: wahres Sein, absolute Wirklichkeit hat nur die Idee (s. d), der Geist, das Geistige (als Vernunft, Wille u. dgl.). Das Geistige ist der Urgrund alles Geschehens, der Urquell aller Dinge, die treibende, zwecksetzende Kraft in der Welt (»objektiver Idealismus«). Ideen beherrschen den Weltlauf, realisieren sich in ihm. Der erkenntnistheoretische Idealismus behauptet: Die Außenwelt (s. d.) ist nichts dem Subjekte fertig Gegebenes, nichts Selbständiges, vom erkennenden Subjekte Unabhängiges, sondern sie ist bloß ideal (ideell), d.h. sie besteht bloß im Bewußtsein, als Bewußtseinsinhalt, als Bewußtseinsimmanentes, sie ist vom Subjekte abhängig, ist im und durch das (allgemeine) Subjekt des Erkennens anschaulich- denkend gesetzt, konstruiert, hat das Subjekt zu ihrem untrennbaren Korrelate (»kein Objekt ohne Subjekt«). Sie ist nichts als ein gesetzmäßig verknüpfter Zusammenhang von (wirklichen und möglichen) Bewußtseinsinhalten, ihr Sein ist Bewußt-sein (»esse = percipi«), für ein Subjekt Sein während der metaphysische Idealismus den Dingen ein Für-sich-Sein zuerkennt, ja gerade in diesem die wahre Wirklichkeit erblickt. - Der ethische Idealismus erkennt die absolute Gültigkeit sittlicher Ideen (Ideale) an. Der ästhetische Idealismus betrachtet als die Aufgabe der Kunst die Darstellung des Idealen, der Idee (s. d.) im Realen.
Zunächst einige Definitionen des Ausdruckes »Idealismus«. Unter »ideal system« (LOCKE, BERKELEY) versteht REID die (von ihm bekämpfte) Ansicht, daß uns unmittelbar nur Ideen, Vorstellungen als Objekte gegeben sind. »Idealisten« heißen dann die Anhänger der Lehre, daß den Körpern nur eine ideelle Existenz zukommt. So bemerkt CHR. WOLF: »Idealistae dicuntur, qui nonnisi idealem corporum in animis nostris existentiam concedunt: adeoque realem mundi et corporum existentiam negant« (Psychol. rational. § 36). Na h BAUMGARTEN ist ein »idealista« »solos in hoc mundos spiritus admittens« (also ein Spiritualist, s. d., Met. § 402). Nach BILFINGER ist die Meinung der Idealisten, »existere spiritum infinitum, et finitos quoque ab illo dependentes, sed nihil existere praeterea« (Dilucidat. § 115). FEDER: »Diejenigen, welche überhaupt leugnen, daß die Dinge, die außer uns vorhanden zu sein scheinen, wirklich vorhanden, oder doch daran zweifeln, oder wenigstens glauben, daß man wohl daran zweifeln könne, werden insgemein Idealisten genennet. Wenn sie nur gar ihre eigene Existenz für gewiß halten, heißen sie Egoisten« (Log. u. Met. S. 134 ff.). MENDELSSOHN erklärt: »Der Anhänger des Idealismus hält alle Phänomene unserer Sinne für Akzidenzen des menschlichen Geistes, und glaubet nicht, daß außerhalb desselben ein materielles Urbild anzutreffen sei, dem sie als Beschaffenheiten zukommen« (Morgenst. I, 7). Nach PLATNER ist der Grundbegriff des Idealismus dies, »daß es keine materielle Welt gebe und daß unsere Ideen davon nichts anderes seien als Vorspiegelungen, durch die Gottheit in unseren Seelen erweckt« (Philos. Aphor. II, § 922). KANT sagt: »Der Idealismus besteht in der Behauptung, daß es keine anderen als denkende Wesen gebe; die übrigen Dinge, die wir in der Anschauung wahrzunehmen glauben, wären nur Vorstellungen in den denkenden Wesen, denen in der Tat kein außerhalb dieser befindlicher Gegenstand korrespondierte« (Prolegom. S. 67). »Unter einem Idealisten muß man... nicht denjenigen verstehen, der das Dasein äußerer Gegenstände der Sinne leugnet, sondern der nur nicht einräumt, daß es durch unmittelbare Wahrnehmung erkannt werde, daraus aber schließt, daß wir ihrer Wirklichkeit durch alle mögliche Erfahrung niemals völlig gewiß werden können« (Krit. d. r. Vern. S. 312). »Der dogmatische Idealist würde derjenige sein, der das Dasein der Materie leugnet, der skeptische, der es bezweifelt« (l.c. S. 319). Diesen beiden Formen des Idealismus stellt Kant seinen »transzendentalen« Idealismus (s. unten) gegenüber. Eine begriffliche Bestimmung des (erkenntnistheoretischen) Idealismus gibt L. BUSSE: »Für den Idealismus ist die körperliche Außenwelt lediglich Erscheinung, Vorstellungsinhalt eines Bewußtseins, und geht darin vollständig auf. Sie ist also nicht Erscheinung von etwas... Der Idealismus kann nun wieder ein subjektiver oder ein objektiver sein. Der erstere macht das körperliche Universum zu einem Phänomen für das Bewußtsein des individuellen endlichen Subjekts. Das Phänomen der körperlichen Welt ist demnach so oft vorhanden, als es individuelle Bewußtseinssubjekte gibt... Die Körperwelt als Ganzes, das physische Weltall ist auf diesem Standpunkte nur eine ideale Konstruktion, eine Fiktion... Der objektive Idealismus läßt dagegen die Körperwelt nicht in den Vorstellungsinhalten der einzelnen endlichen Bewußtseine aufgehen, sondern macht sie zu einer konstanten Vorstellung des absoluten unendlichen Subjekts, in welchem die endlichen Subjekte sämtlich als seine Einschränkungen enthalten sind. Die physischen Weltbilder, welche in diesen endlichen Bewußtseinen enthalten sind, sind Besonderheiten des allgemeinen physischen Weltbildes, das sie weder dem Umfang noch auch dem Inhalt nach erschöpfen« (Geist u. Körp. S. 4 f.). O. WILLMANN versteht unter »Idealismus« diejenige »Denkrichtung, bei welcher mittelst der idealen Prinzipien der Idee, des Maßes, der Form, des Zweckes, des Gesetzes das Verhältnis des Göttlichen zum Endlichen, des Seins zum Erkennen, der natürlichen zur sittlichen Welt bestimmt wird« (Gesch. d. Idealism. III, 206). - Eine extreme Form des erkenntnistheoretischen Idealismus ist der »Solipsismus« (s. d.).
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