ABÁDIR, od. Abaddir, auch Abdir, ein Stein, welchen Rhea ihrem Gemahl, dem Saturn, anstatt des von ihr geborenen Jupiters zu verschlingen gab. Priscian. Inst. Gramm. lib. V. p. m. 127. Denn, wie solcher grausame Vater gewohnt war, alle seine Söhne gleich nach ihrer Geburt wieder in sich zu vergraben, weil ihm entweder war gesagt worden, dass ihn einer derselben mit der Zeit vom Thron stoßen würde; Hes. Theog. v. 459. et Apoll. lib. I. c. 1. §. 3. oder aber er mit seinen ältern Brüdern, den übrigen Titanen, sich dahin verglichen hatte, dass, ungeachtet er der jüngste unter ihnen war, er dennoch auf seine Lebenszeit das väterliche Reich besitzen, hingegen aber auch keinen von seinen Söhnen beim Leben lassen sollte, der ihnen dereinst die Herrschaft streitig machen könnte: Ennius apud Lact. Inst. divin. lib. I. c. 14. so suchte er entweder sich, oder auch seinen Brüdern, auf besagte Art alle Furcht zu nehmen. Da nun dieses der Rhea, als Mutter, nicht anders, als sehr empfindlich fallen konnte: so suchte sie ihre Söhne auch auf alle Art zu retten. Sie schaffte daher den kleinen Jupiter gleich nach seiner Geburt in Sicherheit, wickelte dargegen einen Stein in Windeln, Apollodor. l. c. oder, nach andern, in ein Ziegenfell, Auctor. Etymol. Magni apud Voss. Etymol. in Bætulus. s. p. 71. benetzte solchen mit ihrer Milch, und zwar so reichlich, dass von dem, was daneben fiel, die Galaxia, oder Milchstraße am Himmel, entstand. Hygin. Astron. Poët. lib. II. c. 43. und, als Saturn das neugeborene Kind ihr abfoderte, so gab sie vor, dass sie solchen Stein geboren, den er darauf, ohne weiteres Nachforschen, auf dem Berge Thaumasium in Arkadien verschluckte. Steph. Byz. in Thaumasion. Wie aber solcher Bissen ziemlich hart war: so gab er ihn auch nach der Zeit, als ihm die Metis eine starke Brecharzenei beigebracht hatte, ganz unverdaut wieder von sich, Apollodor. l. c. c. 2. §. 1. worauf er denn nachher nicht allein gar sorgfältig in dem Tempel des Apollo zu Delphis aufbehalten, sondern auch täglich, vornehmlich aber an den Festen, mit Öl begossen und mit besonderer Wolle bedeckt wurde. Pausan. Phoc. c. 24. Andere behaupten, dass er eben der Stein gewesen [sei], welcher auf keine Art von seiner Stelle zu bringen war, als man dem Jupiter auf dem Monte Capitolino zu Rom einen Tempel erbauen wollte, und daher nachmals von den Römern unter dem Namen Terminus göttlich mit verehrt worden ist. Lactant. l. c. c. 20. Griechisch hieß er sonst Baitylos, Priscian. l. c. von baitê, ein Fell, weil ihn Rhea, besagter Maßen, in dergleichen eingewickelt. Vossius l. c. Andere leiten solchen Namen von Bethel her, und wollen, dass er eigentlich der Stein gewesen, welchen der Patriarch Jacob ehemals auf seiner Reise des Nachts unter seinen Kopf gelegt, und, da er im Traum darauf die Engel auf einer Leiter vom Himmel ab- und aufsteigen, Gott aber oben darüber stehen gesehen, solchen Stein daselbst zum Gedächtnismal aufgerichtet, ihn mit Öl begossen und den Ort Bethel, das ist, Gottes Haus, genannt; worauf die Jüden solchen Stein mit der Zeit gar heilig gehalten, von denen endlich dessen Verehrung auch auf die Heiden gekommen. Ios. Scaliger apud Voss. l. c. Allein, es ist solches etwas weit gesucht; und, da es auch auf keine Art glaublich fällt, dass Saturn einen Stein für ein junges Kind verschlucken sollen, so wollen einige, dass die ganze Fabel auf die doppelten Bedeutungen der phönizischen Wörter Balah und Eben ankomme, wovon das erste sowohl etwas verschlingen als gefangen legen und das andere beides ein Kind als auch ein Stein heiße. Da nun Saturn aus Mistrauen seine Söhne insgesammt ins Gefängnis, oder doch sonst genaue Verwahrung bringen lassen, damit sie sich nicht wider ihn auflehnen könnten, so habe man daher Gelegenheit zu dichten genommen, als ob er sie gar gefressen, oder verschlungen habe Banier Explicat. histor. des Fables. Entret. V. ou P. I. p. 108. Insonderheit aber soll auch das Wort Abadir so viel, als Eben und Dir sein, wovon ersteres filium, das andere aber alienum bedeute, weil Rhea dem Saturn ein untergeschobenes fremdes Kind für ihren Sohn ins Gefängnis zu legen gegeben. Cleric. ad Hesiod. l. c. v. 485. Nach Bocharten Chanaan L. II. c. 11. soll es aus den phönizischen Wörtern Aban-dir, zusammengeflossen sein und einen runden Stein bedeuten; wie denn eben dieser Stein rund gewesen sein soll. Wenigstens ist solches Wort doch in der lateinischen Sprache allerdings fremd, daher es auch nach derselben nicht dekliniert wird, Priscian. l. c. Conf. Voss. Aristarch. lib. III. c. 27.