MEDÉA, æ, Gr. Mêdeia, as
1 §. Name. Diesen hat sie von dem griechischen mêdos, welches so viel als Rat bedeutet. Omeis Mythol. in Medea, p. 150. Sie wird auch bald von ihrem Vaterland Kolchis. Horat Epod. XVI. v. 58. bald von dem Fluss desselben Phasias. Ovid. de Arte Am. II. v. 382. bald von ihrem Vater Aeetias, Id. Met. VII. v. 9. oder auch Aeetis Val. Flacc. l. VIII. v. 233. u.s.f. genannt.
2 §. Eltern. Ihr Vater war, nach einstimmigem Vorgeben Aeetes, König in Kolchis, ihre Mutter aber, einigen zufolge, Idyia, des Oceans Tochter. Apollod. l. I. c. 9. §. 23. nach anderen Hekate, Diod. Sic. l. IV. c. 46. p. 173. & Euphorion ap. Schol. Apollon. l. III. v. 242. nach den dritten, Neära, Heraclid. Pont. ap. eumd. l. c. nach den vierten, Eurylyte, Dionys. Miles. ibid. und nach den fünften, Ipsea, Ovid. Epist. Helen. ad Par. v. 232. Cf. ad eumd. Heins. l. c.
3 §. Eigenschaften. Sie war von so schöner Gestalt, dass sie es selbst gegen die Thetis auf eine Entscheidung des Idomeneus ankommen ließ. Da solcher aber den Preis der Thetis zusprach, so antwortete sie, die Kreter wären allezeit Lügner gewesen und wünschte solchem Idomeneus, dass er niemals die Wahrheit sagen möchte. Athenodor. ap. Ptol. Hephæst. l. V. p. 323. Hiernächst war sie in der Kenntnis der Kräuter und deren Wirkungen sehr erfahren; daher sie denn gewöhnlich für eine der größten Zauberinnen gehalten wurde, die selbst den Mond, die Sterne und Flüsse in ihrem Lauf aufhalten, die Wälder versetzen, die Sonne verdunkeln, die Steine bellend machen, die Erde mit Schlangen bedecken, die Seelen aus der Hölle herauf bringen können und was dergleichen alles mehr war. Apollon. & Ovid. ap. Nat. Com. lib. VI. c. 7. Indessen wird doch auch an ihr gelobt, dass sie gar gütig und mitleidig gewesen ist und an den Grausamkeiten ihres Vaters keinen Gefallen gehabt hat, sondern da derselbe alle Fremden, die zu ihm gekommen, hat abschlachten lassen, sie ihnen hingegen bald durch Vorbitte, bald, wie sie sonst gekonnt, losgeholfen. Weil sie nun auf diese Art ihrer Eltern Willen immerzu entgegen gewesen sei, so habe sie sich dadurch endlich bei dem Aeetes so verdächtig gemacht, dass er sie in einen freien Gewahrsam bringen lassen, aus dem sie sich in der Sonnen Tempel geflüchtet habe. Diod. Sic. l. IV. c. 47. p. 173.
4 §. Taten und Schicksal. Als die Argonauten nach Kolchis gingen, so stießen sie unterwegs in der Insel Dia auf des Phrixus und der Chalciope, einer Schwester der Medea, Kinder, welche Schiffbruch gelitten hatten und sich daher in einem höchst elenden Zustand befanden. Sie nahmen sich derselben gütig an und führten sie wieder zur Chalciope mit sich zurück; wofür denn diese dem Jason Gelegenheit gab, mit der Medea zusammen zu kommen. Weil ihr nun Juno solchen schon im Schlaf erscheinen lassen, so warf sie sogleich ihre Neigung auf ihn und versprach ihm, in allen zu Ausführung seines Vorhabens behilflich zu sein. Hygin. Fab. 20. Jason verhieß ihr dagegen, sie nicht nur zur Gemahlin zu nehmen, sondern auch stets zu behalten. Diod. Sic. l. IV. c. 47. p. 174. Sie hielt ihr Wort treulich und brachte dem Jason das goldene Vlies glücklich in die Hände; worauf sie sich denn mit ihm auf dem Argo flüchtete. Siehe Argonauten 4 §. Ihr Bruder Absyrtus folgte ihr. Sie bediente sich dessen aber nur, dem Nachsetzen ihres Vaters desto besser zu entgehen. Siehe Absyrtus. Indessen sendete er ihnen doch einen Teil seiner Leute zu Schiff nach, die sie auch bei dem Alcinous, in Phäakien, einholten und die Medea wieder bekommen sollten, wenn sie noch Jungfer wäre. Es wurde solches aber durch Vermittlung der Königinn Arete, des Alcinous Gemahlin, vereitelt und die Kolchier mußten leer abziehen. Sie ging von da weiter mit den Argonauten zur Kirke, wo sie sich von ihr wegen des Absyrtus Hinrichtung aussöhnen ließen, weil sie sonst ihre Fahrt nicht zu Ende bringen mochten. Als sie nach Lemnos kamen, so soll sie aus Eifersucht wider die Hypsipyle den dortigen Frauenspersonen den üblen Geruch verursacht haben, welches man sonst der Venus zuschreibt. Myrtil. ap. Schol. Apollon. I. 612. In Kreta richtete sie darauf den Talos hin, welcher ein Mann von Erz war. Als sie endlich wieder nach Thessalien kamen und Jason sich gern an dem Pelias, wegen Hinrichtung der Seinigen, rächen wollte, so bewerkstelligte sie solches nach dessen Wunsch. Apollod. l. I. c. 9. §. 25. 26. 27. Cf. Ovid. Met. VII. v. 9. Siehe Pelias. Indessen stellte Jason doch desselben Sohn, dem Akastus, das Reich wieder zu und ging mit der Medea nach Korinth, wo er ganze zehn Jahre sehr vergnügt mit ihr lebte. Allein, wie er danach seine Augen auf des Königs zu Korinth, Kreons Tochter, Glauce, warf, so verlangte er, Medea sollte sich gutwillig seiner Ehe begeben. Da selbige nun nicht wollte, so schied er sich selbst von ihr und machte Anstalt zu seinem anderweitigen Beilager, wobei der Medea angedeutet wurde, sich von Korinth hinweg zu begeben. Sie bat sich nur noch einen Tag Frist aus, gab sich eine andere Gestalt, schlich in das Schloß und steckte es durch eine besondere Wurzel in den Brand. Nach anderen schickte sie durch ihre Söhne der neuen Braut ein schönes Kleid zum Hochzeitgeschenk. Als dieselbe solches anlegte, so fing sie an zu brennen und ihr Vater nicht minder, als er zulief, ihr zu helfen. Zuletzt aber ging das ganze Schloß auf und konnte sich Jason selbst kaum aus der Flamme retten. Sie nahm darauf ihre mit dem Jason erzeugten Sohn, ermordete sie und machte sich mit ihren getreuesten Bedienten von Korinth nach Theben zu dem Herkules, der ihr in Kolchis Bürge dafür geworden war, dass sie Jason nicht verstoßen sollte. Er versprach ihr auch aufs neue, ihr Unrecht an demselben zu rächen. Diod. Sic. l. c. c. 55. p. 179. Diese Rache und Flucht erblickt man noch auf einem alten Denkmal in halb erhabener Arbeit. Es stellt dasselbe an der einen Seite Jasons Verbindung mit der Glauce vor, wo sich mitten zwischen denselben die Juno Pronuba findet. Auf der anderen Seite sitzt Glauce auf einem Thron, an dessen Seite eine Decke hängt, das Zimmer anzudeuten, worinnen sie ist. Die beiden Söhne der Medea, welche von ihrem Hofmeister geführt werden, bringen ihr die Geschenke, nach denen sie die rechte Hand ausstreckt. Der eine trägt auf beiden Händen das Kleid, der andere die Krone. Darauf zeigt sich weiterhin eine Frauensperson in der heftigsten Bewegung der Unsinnigkeit, welche die von den grausamsten Schmerzen durch das angezogene Kleid gemarterte Glauce ist. Hinter ihr steht ihr Vater nebst zwei anderen Personen, die nicht erklärt werden, wovon man aber eine füglich für den Jason halten kann. Sie scheinen ihr zu Hilfe kommen zu wollen. Kreon ist in einem Talar mit einer Binde um den Kopf und streckt die linke Hand nach seiner Tochter aus, mit der rechten aber scheint er sich die Haare ausreißen zu wollen. Vor ihr befinden sich die Kinder der Medea gleichsam spielend, da das eine einen Ball hat, wornach das andere greift. Ihre Mutter ist im Begriffe, ihr Vorhaben an ihnen auszuüben und hat in der rechten den bloßen Degen und in der linken die Scheide. Darauf besteigt sie ihren mit zwei Drachen bespannten Wagen. Winkelm. monum. ant. 90. e 91. p. 121. Es scheint, mit demjenigen einerlei zu sein, welches Beger Spicileg. ant. p. 123. seq. in vier Tafeln heraus gegeben, worauf aber einige Figuren verstümmelt und mit etwas anderen Dingen zuweilen gezeichnet sind. Wenigstens kommen beide in der Erfindung, der Anordnung, der Stellung der Personen genau überein. Nach anderen ging sie auf einem Wagen mit davor gespannten Drachen von Korinth durch die Luft nach Athen, wo sie mit dem Aegeus sehr vertraulich lebte. Plutarch. Thes. p. 5. T. I. Opp. Einige wollen, er habe sie zur Gemahlin genommen. Allein, als dessen Sohn Theseus bei ihm ankam und Medea bei nahe gemacht, dass Aegeus solchen aus dem Wege geräumt hätte, so machte sie, um dem Zorn des Aegeus zu entgehen, einen Nebel um sich und in demselben ging sie von Athen fort. Ovid. l. c. v. 402. Sie nahm ihren mit dem Aegeus erzeugten Sohn, Medus, von dar mit sich hinweg und kam endlich unbekannter Weise wieder nach Kolchis, wo ihr Vater indessen von seinem Bruder von dem Königreich vertrieben worden war, dem sie aber wiederum darzu half. Apollod. l. I. c. ult. §. vlt. Sie hatte sich mit dem Jason wieder ausgesöhnt und dieser bekriegete eben die Feinde ihres Vaters und setzte ihn wieder auf den Thron. Iustin. hist. XLII. c. 3. Sie soll zu Buthroto gestorben und von dem Jason begraben worden sein; Solin. Polyhist. c. 7. hingegen nach ihrem Tode in den elysäischen Feldern wiederum dem Herkules vermählt worden sein.
5 §. Ehen und Kinder. Ihr erster Gemahl war, bemeldeter Maßen, Jason, welchen sie, einigen zufolge, selbst mit ihres Vaters Bewilligung, geheiratet haben soll. Timonax ap. Nat. Com. l. VI. c. 7. Sie zeugte mit demselben den Mermerus und Pheres; Apollod. l. I. c. 9. §. 28. nach anderen den Thessalus, Alcimenes und Tisander. Diodor. Sic. l. IV. c. 55. p. 179. Einige setzen noch den Polyxenus hinzu: andere aber machen nur den Medus und die Eriopis zu ihren beiden Kindern. Cinæth. ap Paus. Cor. c. 3. p. 91. Dagegen machen noch andere und zwar die meistern, den Medus zu ihrem Sohn, mit dem anderen Gemahle, nämlich dem Aegeus Apollod. l. c.
6 §. Verehrung. Die Kolchier verehrten sie ehemals als eine ihrer Göttinnen. Alcmann. & Hesiod. ap. Athenagoram laudante Vossio Theol. gent. l. I. c. 24. Die Marsen erwiesen ihr nicht minder solche Ehre unter dem Namen der Anguicia, die an ihrem Ort nachzusehen ist. Serv. ad Virg. Aen. VII. v. 750. Cf. Voss. l. c. c. 41.
7 §. Wahre Historie. Dass sie eine wahre Person gewesen, hat man wohl nicht zu zweifeln, die auch wegen ihrer Erfahrenheit in der Botanik für eine Zauberin hat angesehen werden können. Denn es hat durch zugerichtete Arzneien und Kräuterbäder leicht geschehen können, dass sie den Aeson wieder gesund und also gleichsam wieder jung gemacht, sich aber durch Bestreichung mit der Kräuter Säften oder dergleichen eine andere Gestalt gegeben, als sie in der Tat gehabt. Palæphat de Incred. c. 44. Die Glauce hat sie mit der Naphtha verbrennen können. Die Drachen aber vor ihrem Wagen bemerken nichts anders, als dass sie sich eines Schiffs bedient, welches dergleichen Tiere zum Wapen geführt. Bannier Entret. XIV. ou P. II. p. 115. Man hat vieles zu ihrer Geschichte hinzu gesetzt, solche nur desto wunderbarer und die Person desto verhaßter zu machen. Dahin soll die Ermordung ihrer Kinder gehören, welche sie doch zu Korinth gelassen, wo sie von den Korinthern selbst in dem Tempel der akräischen Juno umgebracht worden sind. Apollod. l. I. c. 9. §. 28. Aelian. V. H. l. V. c. 21. Weil dieses nun ein Vorwurf für dieselben war, so sollen sie dem Euripides fünf Talente gegeben haben, damit er diesen Mord der Medea selbst andichte. Schol. Eurip. ad Med. v. 9. Man hat aber auch solches hinlänglich zu widerlegen und den Euripides zu verteidigen gesucht. Barnes. vit. Eurip. §. XVII. p. 15. Noch weniger statthaft ist ihre Begebenheit mit dem Aegeus, weil dieser lange vorher tot gewesen, ehe sie nach Griechenland gekommen ist. Ban. Erl. der Götterl. IV B. 588 S.
8 §. Anderweitige Deutung. Wenn ihr Namen von Mêdos, Rat, herkommen soll, so wird durch sie aller guter Rat verstanden, der sowohl einem, wie dem Jason, zu seinen Absichten verhelfen, als in der größten Gefahr erhalten, allein auch Leute, die in Lastern alt geworden, wieder jung machen, das ist, wieder auf einen guten Weg bringen kann. Jedoch soll sie auch anderen Teils ein Muster einer unzüchtigen verlaufenen Frauensperson sein, die um ihrer Geilheit, willen Vater, Mutter und Vaterland verlassen und verraten, alte Gecken zu ihrer Liebe gereizt und wieder zu jungen Leuten gemacht habe: allein auch letzlich andere und sich in ihr Unglück stürzte. Nat. Com. l. VI. c. 7. Omeis Mythol in Medea & alii. Sonst sind von ihr noch die Tragödien des Euripides und des Seneca bis jetzt vorhanden: des Aeschylus, Ennius und, anderer ihre aber verloren gegangen Fabric. Biblioth. Gr. l. II. c. 17. §. 2. n. 4. & ibid. c. 16. §. 7. idem Biblioth. Lat. l. II. c. 9. §. 11. n. 7. & l. III. c. 1. §. 4. n. 2. 4. 5.