Ästhetik - Schelling, Solger, Hegel, Wundt
Mit SCHELLING beginnt die Reihe der speculativen Ästhetiker, der Vertreter einer idealistischen Gehaltsästhetik. Nach SCHELLING ist die Kunst die Überwindung der Gegensätze des Realen und Idealen. Sie stellt das Absolute (Unendliche) endlich dar, nachdem sie es in der Anschauung erfaßt, und zwar unbewußt: »Der Grundcharakter des Kunstwerks ist... eine bewußtlose Unendlichkeit « (Syst. d. tr. Ideal. S. 463 459). Sie ist die Vollendung des Wissens und der Philosophie (l.c. S. 486, 475), sie »bringt den ganzen Menschen, wie er ist,... zur Erkenntnis des Höchsten« (l.c. S. 480). Ihr Ziel ist »die Vernichtung des Stoffes durch Vollendung der Form« (Üb. d. Verh. d. bild. Künste zu d. Nat. 1807, ähnlich schon SCHILLER). Schönheit ist »das Unendliche endlich dargestellt« (Syst. d. tr. Id. S. 465). Nach SOLGER macht die »künstlerische Ironie« (der Romantiker) das Wesen der Kunst aus, denn »sie ist die Verfassung des Gemüts, worin wir erkennen, daß unsere Wirklichkeit nicht sein würde, wenn sie nicht Offenbarung der Idee wäre, daß aber eben darum mit dieser Wirklichkeit auch die Idee etwas Nichtiges wird und untergeht« (Vorles. üb. Ästh. 1829, S. 241). Im Schönen offenbart sich die Idee in der Existenz unmittelbar, daher ist alle Kunst symbolisch (l.c. S. 66f., 73; Erwin 1815, II, 41). CHR. KRAUSE erblickt in der Schönheit »die am Endlichen erscheinende Göttlichkeit oder Gottähnlichkeit« (Vorles. üb. Ästh. 1882, S. 88). Schön ist, »was Vernunft, Verstand und Phantasie in einem ihren Gesetzen gemäßen, entsprechenden Spiele der Tätigkeit befriedigend beschäftigt und das Gemüt mit einem uninteressierten Wohlgefallen erfüllt« (Gr. d. Ästh. § 10). CHR. WEISSE definiert die Ästhetik als »Wissenschaft von der Idee der Schönheit« (Syst. d. Ästh. 1830). Subjectiv ist Schönheit »die aufgehobene Wahrheit«, objectiv Erscheinung und Form der Dinge, ein Maßverhältnis. Das Häßliche ist das »unmittelbare Dasein der Schönheit«. HEGEL definiert das Schöne als »das sinnliche Scheinen der Idee« (Vorles. üb. Ästh. 1835, I, 144). Nur als »den Geist bedeutende, charakteristische, sinnvolle Naturform« soll die Wirklichkeit durch die Kunst nachgeahmt werden (Encykl. § 558). Die Kunst, die sinnliche Darstellung des Absoluten (Ästh. I, 90), bringt den Inhalt erst zum Bewußtsein (l.c. § 562), sie reinigt den Geist von der Unfreiheit (ib.). Es gibt classische, symbolische, romantische Kunst (l.c. § 561 f.; Ästh. I, S. 99 ff.). Ästhetik ist »Philosophie der Kunst« (Ästh. I, 3). Nach K. ROSENKRANZ ist das Häßliche das notwendige negative Correlat zum Schönen, dessen die Kunst bedarf, um die Idee nicht einseitig zur Anschauung zu bringen (Ästh. d. Häßl. S. 115, 38). Nach SCHOPENHAUER wiederholt die Kunst »die durch reine Contemplation aufgefaßten ewigen Ideen«. »Ihr einziger Ursprung ist die Erkenntnis der Ideen; ihr einziges Ziel Mitteilung dieser Erkenntnis« (W. a. V. u. V. Bd. I, § 36). Jedes Ding ist schön, sofern es »Ausdruck einer Idee« ist (l.c. § 41). Die Kunst sondert die Idee aus den Zufälligkeiten der Wirklichkeit, verhilft dadurch zur leichteren Auffassung des Wesens der Dinge (l.c. § 37), die Musik ganz unmittelbar (l.c. § 52). In der ästhetischen Anschauung reißen wir uns vom Willen los, dieser schweigt, alles Streben kommt zur Ruhe, wir sind »reines Subject des Erkennens«. So ist die Kunst ein »Palliativ« gegen das Leiden (l.c. § 38 u. ff.). Eine idealistische Gehaltsästhetik findet sich bei LOTZE (Gr. d. Ästh.2, § 20; Gesch. d. Ästh. S. 97); auch bei SCHASLER (Ästh. I u. Das Syst. d. Künste2, 1885); ferner bei TH. VISCHER: Schön ist »die Idee in der Form begrenzter Erscheinung« (Ästh. I, 54; so auch CARNERI, Sittl. u. Darw. S. 79). »Die Natur ist der Boden, woraus der Geist aufsteigt« (D. Schöne u. d. K.2, S. 92). Im Schönen ist »verborgene Philosophie« (l.c. S. 99). Im Individuum muß das Gattungsmäßige erscheinen (l.c. S. 105). Das Schöne ist » ausdrucksvolle Form, formgewordener Ausdruck, Einheit von Ausdruck und Harmonie, oder mimisch-harmonische Form« (l.c. S. 78). Es findet ein unbewußtes » Einfühlen«, ein »Leihen«, »Unterlegen« seitens der Seele statt (l.c. S. 69 f., 77). CARRIERE erblickt das eigentlich Ästhetische in der Form, diese aber schon als »Ausdruck des Innern« genommen (Ästh. I, S. VII). Schön ist, »was sofort durch sein Erscheinen die ihm zugrunde liegende Idee in uns wachruft« (l.c. S. 19), »was rein durch seine Form gefällt« (l.c. S. 76). Schönheit ist »angeschaute Zweckmäßigkeit« (l.c. S. 89), »die Idee, welche ganz in der Erscheinung gegenwärtig, die Erscheinung, welche ganz von der Idee gebildet und durchleuchtet ist« (l.c. S. 70). Nach KIRCHMANN ist schön das idealisierte, sinnlich angenehme Bild eines seelenvollen Realen (Ästh. 1868). Wie HORWICZ lehrt er eine Gefühlsästhetik. V. HARTMANN sieht im Schönen eine Erscheinungsform des unbewußt Logischen. In der Realität, mit der Form, wird die Idee erfaßt - lehrt die »concret- idealistische« Ästhetik. Das Schöne ist sinnlich ästhetischer Schein »in der Sphäre einer idealen Phänominalität«. Durch die Kunst werden nur » ästhetische Scheingefühle« erweckt, es genießt das »Schein-Ich« ästhetisch (Phil. d. Schön. 1887, S. 26, 455 ff.). RUSKIN erklärt die Schönheit für die Manifestation des schöpferischen Weltgeistes (Lect. on Art 1870).
Zwischen Gehalts- und formalistischer Ästhetik vermitteln verschiedene Philosophen. Nach WUNDT liegt in jedem ästhetischen Urteil »eine unmittelbare Anerkennung des selbständigen Wertes der den Gegenstand des Urteils bildenden geistigen Lebensinhalte« (Syst. d. Phil.2, S. 674). Der ästhetische Wert liegt schon im Object selbst begründet, er beruht auf objectiven Bedingungen. Die Hauptfrage der Ästhetik lautet: »Welche Eigenschaften müssen die Gegenstände haben, um in uns ästhetische Wirkungen hervorzubringen« (l.c. S. 674 ff.). Es gefällt niemals die Form als solche, sondern »die vollkommene Angemessenheit der Form an den Inhalt« (l.c. S. 677 ff.). Die Kunst will das wirkliche Leben darstellen, aber nicht durch einfache Nachahmung, sondern durch Hervorhebung des Bedeutsamen in dessen Reinheit. Gegenstand der künstlerischen Schöpfung ist »die ideale Wirklichkeit«, d.h. die Wirklichkeit, »wie sie im Lichte der durch die Anschauung in künstlerischen Genius erweckten Ideen erscheint«. Die Idee, welche die Einheit des ästhetischen Objects vermittelt, liegt latent schon in ihm. Nur der »bedeutsame Lebensinhalt« ist ästhetischer Gegenstand (l.c. S. 683 ff.). Aufgabe der Kunst ist, »die Wirklichkeit in der Fülle ihrer bedeutsamen Formen in die Sphäre jener reinen Betrachtung zu erheben, von der jedes der Versenkung in den Gegenstand selbst fremde Begehren weit abliegt« (l.c. S. 687 ff.; Grundz. d. ph. Psych. II4, 235 ff., 250 ff., 526). Ähnlich lehrt VOLKELT, der in dem »Menschlich-Bedeutungsvollen« den Gegenstand der Kunst erblickt (Ästh. Zeitfrag. 1895). Die Ästhetik hat »in metaphysische Betrachtungen auszulaufen« (l.c. S. 221, Ästh. d. Trag. S. 425 ff.). Die »ästhetische Beseelung« ist wichtig (Zeitschr. f. Philos. Bd. 113, 115; vgl. auch WITASEK, Zeitschr. f. Psychol. Bd. 25). RIEHL: »Die Kunst ist productive Tätigkeit, kein Spiel«, sie ist »ein Complement des Lebens« (Z. Einf. in d. Phil. S. 174 f.).