Ästhetik - Kant, Schiller, Goethe
Eine neue Begründung erhält die Ästhetik durch KANT. Die »ästhetische Urteilskraft« bezieht sich nicht auf das Erkennen oder Begehren, sondern auf das Gefühl der Lust und Unlust. In der Urteilskraft liegt ein apriorisches Prinzip der ästhetischen Beurteilung, das auf die subjective, ästhetische Beschaffenheit des Objekts geht, vermöge deren dieses Lust erweckt, und dies, weil das Bewußtsein der Zweckmäßigkeit des Objekts für das Erkenntnisvermögen zugrunde liegt. Das Geschmacksurteil bezieht Vorstellungen durch die Einbildungskraft aufs Subjekt, ist nicht logisch, sondern ästhetisch. »Was an der Vorstellung eines Objekts bloß subjectiv ist, d. i. ihre Beziehung auf das Subjekt, nicht auf den Gegenstand ausmacht, ist die ästhetische Beschaffenheit derselben« (Kr. d. Urt. Einl. VII). Das Ästhetische bildet die Vermittlung zwischen Natur und Sittlichkeit (l.c. § 6). Das ästhetische Urteil ist a priori, insofern es subjektive Allgemeingültigkeit besitzt, vermöge deren es die Einstimmung jedermanns mit dem eigenen Geschmack (s. d.) erwartet, wenn auch nicht absolut fordert (ib.). Schön ist, was uninteressiert, durch sich selbst, ohne Begehren, »ohne Begriffe, als Objekt eines allgemeinen Wohlgefallens vorgestellt wird« (ib.). (Schon MENDELSSOHN sagt: »Wir betrachten die Schönheit der Natur und der Kunst, ohne die mindeste Regung von Begierde, mit Vergnügen und Wohlgefallen«, Morgenst., Schrift. II, 294 f.; vor ihm schon MONTESQUIEU: »Lorsque nous trouvons du plaisir à voir une chose avec une utilité pour nous, nous disons qu'elle est bonne, lorsque nous trouvons du plaisir à la voir sans que nous y dêmêlions une utilité présente, nous l'appellons belle«, Réflex. sur les causes du plaisir... Oeuvr. 1835, p. 586; RIEDL: »Schön ist, was ohne interessierte Absicht sinnlich gefallen und auch dann gefallen kann, wenn wir es nicht besitzen«, Theor. d. schön. Künste 1767, S. 17; SULZER: »Das Schöne gefällt uns ohne Rücksicht auf den Wert des Stoffes, wegen seiner Form oder Gestalt, die sich den Sinnen oder der Einbildungskraft angenehm darstellt«.) »Schön ist, was ohne Begriff als Gegenstand eines notwendigen Wohlgefallens erkannt wird« (l.c. § 22). Schönheit ist die »Form der Zweckmäßigkeit eines Gegenstandes, sofern sie ohne Vorstellung eines Zweckes an ihm wahrgenommen wird« (l.c. § 17). Es gibt zweierlei Arten von Schönheit, »freie Schönheit (pulchritudo vaga), oder die bloß anhängende Schönheit (pulchritudo adhaerens). Die erstere setzt keinen Begriff von dem voraus, was der Gegenstand sein soll; die zweite setzt einen solchen und die Vollkommenheit des Gegenstandes nach demselben voraus« (l.c. § 16). Den Übergang vom Schönen zum Sittlichen bildet das Erhabene (s. d.). Die Kunst ist »Hervorbringung durch Freiheit«, »als ob es ein Produkt der bloßen Natur sei« (l.c. § 45). In ihr gibt die Natur, vertreten durch das Genie (s. d.) schöpferisch Regeln (l.c. § 46). Eine Weiterbildung erfährt diese Ästhetik durch FR. SCHILLER. Er leitet die Kunst aus dem Spieltrieb (s. d.) ab. Im Spiel befreit sich der Mensch von den Sorgen und Engen des Alltags, er erhebt sieh zu etwas Höherem, lebt eiu reineres, freieres Leben. Denn »der Mensch spielt nur, wo er in voller Bedeutung des Wortes Mensch ist, und er ist nur da ganz Mensch, wo er spielt« (Üb. d. ästh. Erz. d. M. Br. 15). (Vom »freien Spiel der Vorstellungskräfte« spricht schon KANT, Kr. d. Urt. § 9.) Die Kunst ist dem Menschen als etwas Spezifisches eigen. Das Ästhetische vermittelt zwischen Natur und Sittlichkeit, läutert den Menschen, ist ein eminenter Kulturfaktor. (Üb. d. äst. Erz. d. M., Ph. Schr. S;. 183; vgl. Br. 23.) Der ästhetische Sinn sucht »in der Form ein freies Vergnügen« (Üb. Anm. u. Würde, Phil. Schr. S. 128), »ohne alle Rücksicht auf Besitz, aus der bloßen Reflexion über die Erscheinungsweise« (Üb. d. Erhab., l.c. S. 190). Vernunft und Sinnlichkeit stimmen im Schönen zusammen Üb. Anm. u. W., l.c. S. 128). Die Schönheit ist »die Bürgerin zweier Welten«, »sie empfängt ihre Existenz in der sinnlichen Natur und erlangt in der Vernunftwelt das Bürgerrecht« (l.c. S. 105), dadurch, daß die Vernunft das Sinnliche übersinnlich behandelt, es zum Ausdruck einer Idee macht (l.c. S. 104 f.). Schönheit ist »Freiheit in der Erscheinung« (WW. XII). W. v. HUMBOLDT erinnert in dem Gedanken der Harmonie zwischen der sinnlichen und der geistigen Natur des Menschen durch das Ästhetische an Schiller. Ein Gegner Kants ist HERDER (Kalligone 1800). Er behauptet u. a.: »Interesse hat die Schönheit, ja alles Gute hat nur durch sie Interesse« (l.c. I, 195). »Des Menschen Spiel, wie das Spiel der Natur ist sinniger Ernst« (l.c. III, 290). Schönheit ist »das Gefühl der Vollkommenheit eines Dinges«. Beziehungen zur Kant-Schillerschen Ästhetik weisen ästhetische Bemerkungen J. G. FICHTEs auf (WW. VIII, 275 u. ff., IV, 355), auch solche FR. SCHLEGELs, der eine Theorie des Häßlichen gibt. - Nach GOETHE ist Schönheit da vorhanden, wo wir »das gesetzmäßige Lebendige in seiner größten Tätigkeit und Vollkommenheit schauen« (WW. Hempel, XXV, 155). Das Kunstwerk stellt die Grundformen der Dinge in individuellen Gestaltungen und typischer Vollkommenheit dar: Das Schöne ist eine »Manifestation geheimer Naturgesetze« Weim. Ausg. Bd. 48, S. 201). Nach BOUTERWEK ist die Aufgabe der Ästhetik, »zu erklären, was wir empfinden, wenn wir mit Recht urteilen, daß etwas schön ist, und wie sich die Empfindung des Schönen zu den natürlichen Anlagen sowohl als zur Entwicklung einer musterhaften Cultur des menschlichen Geistes verhält« (Ästh. I, 3). Wir wollen wissen, »was sich in der Seele ereignet, wenn wir etwas schön finden« (. c. I, 19). Das ästhetische Gefühl ist »das ursprüngliche Menschengefühl«, das »menschliche Urgefühl« (l.c. I, 41), »ein Gefühl, in welchem die menschliche Natur wie ein ungeteiltes Ganzes wirkt« (ib.). Daß Spiel ist mit der Kunst verwandt (l.c. S. 42 ff.). Das Schöne beruht auf dem Gesetz einer »harmonischen Tätigkeit aller geistigen Kräfte« (l.c. I, 50). Schönheit beruht auf gewissen Verhältnissen einer Mannigfaltigkeit von Eigenschaften der Dinge zu unserem Geisteszustande (l.c. S. 56). »Allen Elementen des Schönen liegt zum Grunde eine innere Harmonie oder ästhetische Einheit im Mannigfaltigen« (l.c. S. 58), die wieder auf die Einheit der Seele zurückführt. Es gibt keinen besonderen Schönheitssinn (l.c. S. 71). Alles Schöne interessiert unmittelbar durch sich selbst (l.c. S. 80). Die Kunst ahmt nicht nach, sondern wetteifert mit der Natur (l.c. S. 200 ff.). Die Bouterweksche Auffassung des ästhetischen Gefühls billigt GRILLPARZER (WW. XV, 131). »Schön ist dasjenige, das, indem es das Sinnliche vollkommen befriedigt, zugleich die Seele erhebt.« »Die Schönheit ist die vollkommene Übereinstimmung des Sinnlichen mit dem Geistigen« (ib.). »Wenn der sinnlich befriedigende Eindruck durch Erweckung der Idee des Vollkommenen ins Übersinnliche hinüberreicht, so nennen wir das das Schöne « (ib.). »Schön ist, was durch die Vollkommenheit in seiner Art die Idee der Vollkommenheit im allgemeinen erweckt« (l.c. S. 136). Die Kunst ist »die Hervorbringung einer andern Natur, als die, welche uns umgibt, einer Natur, die mehr mit den Forderungen unseres Verstandes, unserer Empfindung, unseres Schönheitsideals, unseres Strebens nach Einheit übereinstimmt« (ib.).