Materie - Antike

Von den ionischen Naturphilosophen (THALES, ANAXIMADER, HERAKLIT) wird die Materie als bestimmter Stoff (Wasser, Luft, Feuer) bestimmt, von ANAXIMANER als unbegrenzter Kraftstoff (s. Apeiron). Bei den Eleaten tritt die Materie im Begriffe des starren Seins (s. d.) auf. Nicht ganz sicher ist es, was die PLATONISCHE Materie eigentlich bedeutet, ob einen Stoff oder eher den leeren Raum (so nach ARISTOTELES, Phys. IV, 2, 209 b 11 squ.; E. ZELLER, Gesch. d. Philos. d. Griech. II4, 1, 727 ff.; SIEBECK, Platons Lehre von d. Mat.; Unters. zur Philos. d. Gesch.2, S. 49 ff.; WINDELBAND, Plato2, S. 108 ff.; BÄUMKER, Probl. d. Mat. S. 177 ff.). Plato vergleicht die Materie mit der hylê der Handwerker. Sie ist das triton genos neben den Ideen und den Sinnendingen, ein mê on, relativ Nichtseiendes (Tim. 48 E). Sie ist gestaltlos, unbegrenzt, qualitätslos, unwahrnehmbar, nur durch einen unechten Schluß (logismô tini nothô) erfaßbar, sie ist der Schloß des Werdens, die dexamenê ein ekmageion ein alles Aufnehmendes (pandeches), sie ist genos tês chôras (Tim. 52 A); die Dinge entstehen in ihr (en hô gignesthai, Tim. 50 C). Pasês einai geneseôs hypodochên auto, hoion tithênên (Tim. 49 A). Dechetai te gar aei ta panta kai morphên oudemian pote oudeni tôn eisiontôn homoian eilêphen oudamê oudamôs: ekmageion gar physei panti keitai, kinoumenon te kai diaschêmatizomenon hypo tôn eisiontôn... en d' oun tô paronti chrê genê dianoêthênai tritta, to men gignomenon, to d' en hô gignetai, to d' hothen aphomoioumenon phyetai to gignouenon. kai dê kai proseikasai prepei to men dechomenon mêtri (Tim. 50 C, D); kai tô ta tôn pantôn aei te ontôn kata pan heautou pollakis aphomoiômata kalôs mellonti dechesthai pantôn ektos autô prosêkei pephykenai tôn eidôn, dio dê tên tou gegonotos, horatou kai pantôs aisthêtou mêtera kai hypodochên mête mên mête aera mête pyr mête hydôr legomen, mête hosa ek toutôn mête ex hôn tauta gegonen. all' anoraton eidos ti kai amorphon, pandeches (Tim 51 A). Triton de au genos on to tês chôras aei, phthoran ou prosdechomenon, hedran de parechon hosa echei genesin pasin, auto de met' anaisthêsias hapton logismô tini nothô, mogis piston (Tim. 52 A, B).

Den Begriff der Materie im Gegensatze zum Formbegriffe prägt ARISTOTELES. Die Materie (hylê) ist eines der Prinzipien (archai). Sie ist die dynamis, das dynamei on, die Möglichkeit (Potenz) zu allem, das Unbestimmte (aoriston), das der Form zur konkreten Existenz bedarf, die Grundlage aller Gestaltung, das »weibliche« Prinzip (to thêly, De gener. anim. II, 1). Legô gar hylên to prôton hypokeimenon hekastô, ex hou gignetai ti enyparchontos; (Phys. I 9, 192 a 31); hou gar hê diaphora kai hê poiotês esti, tout' esti to hypokeimenon,ho legomen hylên. - Legô d' hylên hê kath' hautên mête ti mête poson mête allo mêden legetai hois hôristai to on. esti gar ti kath' hou katêgoreitai toutôn hekaston, hô to einai heteron kai tôn katêgoriôn hekastê (Met. VII 3, 1029 a 20 squ.); dynaton gar kai einai kai mê einai hekaston autôn, touto d' estin hê hekastô hylê Met. VII 7, 103 a 21); hylên de legô, hê mê tode ti ousa energeia dynamei esti tode ti (Met. VIII 1, 1042a 27). Die Materie ist träge, formlos (aeides kai amorphon), unbegrenzt (aoriston Met. VII 11, 1037 a 27), allein für sich unerkennbar (agnôstos kath' hautên, Met. VII 10, 1036a 8). Zu unterscheiden sind hylê aisthêtê und noêtê (sinnlicher und geistiger Stoff, Met. VII 10, 1036a 9 squ.). Die hylê ist dynamei, hoti elthoi an eis to eidos. hotan de g'energeia ê, tote en tô eidei estin (Met. VIII 8, 1050 a 15). Die Materie ist den Dingen immanent: hê men gar hylê ou chôristê tôn pragmatôn (Met. IV 7, 214a 13). Allen Dingen liegt die gleiche Materie zugrunde: estin hylê mia tôn enantiôn... tô d'einai heteron, kai mia tô arithmô... hotan gar ex hydatos aêr genêtai, hê autê hylê ou proslabousa ti allo egeneto, all' ho ên dynamei, energeia egeneto (Met. IV 9, 217 a 22 squ.). Das Substrat (hypokeimenon) aller Dinge ist die Urmaterie, hylê prôtê (»materia prima«), die aber für sich allein nur in der Abstraktion, begrifflich Existenz hat (Met. V 4, 1015a 7). Die hylê eschatê (idia, oikeia, »materia secunda«) ist die spezifische und schon roh geformte Materie, die noch weiter zu formen ist (z.B. Erz) (Met. VIII 6, 1045 b 18). Die hylê prôtê ist ousia pôs, insofern sie sich mit der Form zu einer ousia verbindet (Phys. I, 9). Jedes Ding ist Materie im Verhältnis zu einem höheren Dinge: aei gar to anôteron pros to hyph' auto, hôs eidos pros hylên, houtôs echei pros allêla (De coel. IV 3, 310 b 15). Nur Gott (s. d.) ist ohne Materie, reine Form (»actus purus«, s. d.). Die Materie ist der Grund des Zufälligen (symbebêkos), Akzidentiellen, des Mechanischen, Alogischen: hôste estai hê hylê hê endechomenê para to hôs epi to poly allôs tou symbebêkotos aitia (Met. VI 2, 1027 a 13). En tê gar hylê to anagakaion, to d' hou heneka en tô logô (Phys. II 9, 200a 14). Nach EUDEMOS ist die Materie ein Gestaltloses, kein sôma, sondern sômatoeidês; die Formen sind in ihr (Simpl. ad Arist. Phys. I u. IV; von enyloi logoi ist die Rede bei ARISTOTELES, De an. I, 403 a 25; enyla eidê: ALEXANDER APHRODIS., De an. 89). Die Stoiker identifizieren die Urmaterie (prôtê hylê) mit dem, »Leidenden« (paschon), welches mit dem poioun zur Einheit verbunden ist. Das paschon bestimmen sie als tên apoion ousian tên hylên (Diog. L. VII, 134). Die Materie ist als solche träge und gestaltlos, ihre Größe ist konstant. »Materia iacet iners, res ad omnia parata creatura, si nemo moveat« (SENECA, Ep. 65, 2). Hylê de estin ex hês hoti dêpotoun ginetai. Kaleitai de dichôs, ousia te kai hylê, hê te tôn pantôn kai hê tôn epi merous. hê men oun tôn holôn oute pleiôn oid' elattôn ginetai, hê de tôn epi merous kai pleiôn kai elattôn (Diog. L. VII, 150); aidion kai oute pleiô gignomenên oute elattô. oute auxêsin oute meiôsin hypomenousan; apoion kai amorphon (Stob. Ecl. I 11, 322, 324). Die Konstanz der Materie spricht der Epikureer LUCREZ aus: »Nec stipata magis fuit unquam materiae copia nec porro maioribus intervallis: nam neque adaugescit quicquam neque deperit inde« (De rer. nat. II, 294 - 96). Nach PHILO ist die Materie qualitätslos, tot (nekron) passiv (apoios), gestaltlos (amorphos), unrein, bös (s. d.) (ZELLER, Philos. d. Griech. III 23, 386 f.). PLOTIN unterscheidet von der intelligiblen Materie in den Ideen, welche Formen annimmt (Enn. IV, 4, 4) die sinnliche Materie, das Abbild (mimêma) jener. Die Materie (hylê) ist to bathos hekastou, das Substrat von allem, sie ist dunkel, unbestimmt (apeiron), ein Böses (kakon), eine sterêsis (Beraubung) des hen, ein mê on (Nicht-Seiendes), eine apousia agathou, die skia logou kai ekpiôsis, asômaton, ihr Begriff ist ein »unechter«, abstrakter (Enn. I, 8, 7; II, 4, 3 squ.; III, 6, 6 squ.). Das gegenseitige In-einander-übergehen der Elemente bezeugt, daß für die Körper ein Substrat als ein anderes neben ihnen bestehen muß (l.c. II, 4, 6). Die Materie ist die letzte, schwächste Emanation (s. d.) des »Einen« (l.c. I, 8, 7). Eine intelligible Materie nimmt auch JAMBLICH an: hylên tina katharan kai theian einai legômen (De myster. Aegypt. V, 23). - Nach ALEXANDER VON APHRODISIAS hat die Materie das Vermögen zu den entgegengesetztesten Qualitäten (Quaest. nat. I, 15); sie bedarf der Form, um Bestimmtheit (tode ti) zu erlangen (l.c. de an. II, p. 120).


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