Philosophie - Antike

Die Philosophie hat bald einen universalen Charakter: a. als Gesamtwissenschaft, Wissenschafts-Synthese, b. als Metaphysik, Theosophie, c. als Wissenschaftslehre, bald eine mehr spezielle Aufgabe: Erkenntniskritik, Bearbeitung der Begriffe, Wertwissenschaft u. dgl. Ursprünglich bedeutet Philosophie (philosophia) und philosophein das Streben nach denkender, wissenschaftlicher Tätigkeit überhaupt, wie denn die ältere Philosophie zum großen Teile (mit Ausnahme teilweise der Mathematik. später erst Loslösung der Philologie u. a. W.) mit der Wissenschaft zusammenfällt. »Omnis rerum optimarum cognitio atque in iis exercitatio philosophia nominata est« (CICERO). Bei HERODOT (I, 30) bemerkt Krösus zu Solon, er habe gehört, daß er theôriês heineken viele Länder philosopheôn bereist habe. I, 50 ist von philosophia im Sinne der »Kenntnis« die Rede. Nach THUKYDIDES (II, 40) sagt Perikles: philokaloumen met' euteleias kai philosophoumen aneu malakias. Als der Erste soll (nach Heraklides von Pontus) PYTHAGORAS, im Gegensatze zu den früheren sophoi, sophistai (Xenoph., Memor. I, 11. Plat., Gorg. 508 A), sich einen philosophos genannt haben (philosophos de ho sophian aspazomenos, Diog. L., Prooem. 12. VIII 1, 8). Cicero bemerkt, bis auf Pythagoras seien diejenigen, »qui in rerum contemplatione studia ponebant«, Weise (»sapientes«) genannt worden. Pythagoras habe bemerkt, »artem quidem se scire nullam, sed esse philosophum«. Es gebe Leute, »qui, ceteris omnibus pro nihilo habitis, rerum naturam studiose intuerentur. hos se appellare sapientiae studiosos - id est enim philosophos« (Tusc. disp. V, 3, 8 f.). Einwände gegen diese Ansicht bei E. ZELLER (Philos. d. Griech. I4, 1) und ÜBERWEG- HEINZE (Grundr. d. Gesch. d. Philos. I9, § 1).

SOKRATES nennt sich autourgos tês philosophias (Xenoph., Sympos. I, 5) und sagt von sich: philosophounta me dei zên kai exetazonta emauton kai tous allous (Plato, Apol. 28 E). Bei XENOPHON bedeutet philosophein so viel wie grübeln, nachsinnen (Cyrop. VI, 1, 41). ISOKRATES bezeichnet seine Rednertätigkeit als tên peri tous logous philosophian (Panegyr. 10, 6). Zuerst bestimmt die philosophia als »Wissenschaft« PLATO (peri geômetrian ê tina allên philosophian, Theaet. 143 D). Der Philosoph (Dialektiker, s. d.) steht zwischen dem Unwissenden und dem (absolut) Wissenden (philosophon de onta metaxy einai sophou kai amathous, Sympos. 204 B). Die Philosophie ist der Erwerb des Wissens (ktêsis epistêmês, Euthydem. 288 D). Philosophen sind die tou kata tauta hôsautôs echontos dynamenoi ephaptesthai (Republ. VI, 484 A). tous auto ara hekaston to on aspazomenous philosophous klêteon (Republ. VI, 480 B. vgl. Gorg. 484 C, 485 A. Protag. 335 D). Wissenschaft ist die Philosophie als (dialektische, s. d.) Beschäftigung mit dem Seienden als solchem (nicht dem Werdenden, Unwesenhaften). Die Einteilung der Philosophie in Physik (physikon), Ethik (êthikon), Logik (logikon) geht (nach Sext. Empir. adv. Math. VII, 16) auf XENOKRATES zurück, nach welchem die aitia philosophias ist to tarachôdes en tô biô katapausai tôn pragmatôn (Galen. histor. philos. 3). - Auch ARISTOTELES versteht zunächst unter philosophia die Wissenschaft (hôste treis an eien philosophiai theôrêtikai, mathêmatikê, physikê, theologikê Met. VI 1, 1026a 18). Die Philosophie ist (Met. VI 1) theôrêtikê (zerfällt in physikê, mathêmatikê, theologikê, Met. XI, 7. vgl. Top. I 14, 105 b 19) oder praktikê oder poiêtikê (Seins- und Erkenntnislehre, Metaphysik, Logik, Rhetorik. Ethik, Ökonomik und Politik. Ästhetik). Die Philosophie im engsten Sinne ist die prôtê philosophia (philosophia prima), die Metaphysik (s. d.) oder theologikê, die allgemeine Seinswissenschaft, die Wissenschaft von den Prinzipien (archai) der Dinge. sie handelt peri tou ontos hê on (Met. VI, 1026a 31. XI 4, 1061 b 26). Philosophie ist Wissenschaft der Wahrheit (epistêmê tês alêtheias, Met. II 1, 993 b 20). tôn ousiôn an deoi tas archas kai tas aitias echein ton philosophon (Met. IV 2, 1003 b 18). esti tou philosophou peri pantôn dynasthai theôrein (Met. IV 2, 1004 a 34). Quelle der Philosophie ist (wie auch PLATO, Theaet. 155 D) die Verwunderung (s. d.) (to thaumazein, Met. I 2, 982 b 12), das Staunen. Philosophiai sind philosophische Disziplinen (Met. VI 1, 1026 a 18) oder philosophische Richtungen (Met. I 6, 987a29).

Bei den Stoikern erhält die Philosophie eine Wendung ins Praktische. Sie bestimmen sie als Streben nach Tüchtigkeit, Tugend, askêsin epitêdeiou technês. epitêdeion de einai mian kai anôtatô tên aretên (Plut., Epit. 1, prooem., DOX. 273 a 18). »Philosophia sapientiae amor et affectatio« (SENECA, Ep. 89, 3). »Philosophia studium summae virtutis, summam virtutem sapientiam, sapientiam rerum divinarum humanarumque scientiam esse dicebant« (l. c. 89, 7). CICERO bemerkt: »Philosophia, omnium mater artium... inventum deorum« (Tusc. disp. I, 26, 64). Sie ist Erkenntnis »divinarum humanarumque rerum, tum initiorum causarumque cuiusque rei« (l. c. V. 3, 7. De finib. II, 2). - EPIKUR definiert die Philosophie als vernunftvolles Streben nach Glückseligkeit: 'Epikouros elege tên philosophian einai logois kai dialogismois ton eudaimona bion peripoiousan (Sext. Emp. adv. Math. XI, 169). Sie gliedert sich physikon, êthikon, kanonikon (Diog. L. X, 30. Seneca, Ep. 89, 11). - Bei den Neuplatonikern nimmt die Philosophie den Charakter der Theosophie (s. d.) an. PROKLUS nennt sie geradezu theologikê. Eingeteilt wird die Philosophie von PLOTIN in Dialektik, Physik, Ethik (Enn. I, 3, 6). Die Apologeten (besonders JUSTINUS) erklären wahre Philosophie und Christentum für eins.


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