Synthetische Urteile

Es gibt synthetische Urteile a posteriori und a priori. Erstere stützen sich auf Erfahrung, letztere haben ihren Rechtsgrund, über den Subjektsbegriff allgemeingültig vor aller Erfahrung hinaus zu einem neuen Begriff überzugehen, in den apriorischen (s. d.) Formen des Geistes, sind möglich durch die präempirische, Erfahrung erst constiuierende Einheitsfunktion des Bewußtseins. »Auf solche Weise sind synthetische Urteile a priori möglich, wenn wir die formalen Bedingungen der Anschauung a priori, die Synthesis der Einbildungskraft und die notwendige Einheit derselben in einer transzendentalen Apperzeption auf ein mögliches Erfahrungserkenntnis Überhaupt beziehen und sagen: die Bedingungen der Möglichkeit der Erfahrung überhaupt sind zugleich Bedingungen der Möglichkeit der Gegenstände der Erfahrung und haben darum objektive Gültigkeit in einem synthetischen Urteile a priori« (Krit. d. rein. Vern. S. 155 f.. Prolegom. § 2). Ein Prädikat, welches durch ein Urteil a priori einem Subjekte beigelegt wird, wird »als dem letzteren notwendig angehörig (von den Begriffen desselben unabtrennlich) ausgesagt« (Üb. eine Entdeck. 2. Abschn., S. 52). Die synthetischen Urteile a priori sind nur »unter der Bedingung einer dem Begriffe ihres Subjekts unterlegten Anschauung« möglich, sie können »über die Grenze der sinnlichen Anschauung hinaus nicht getrieben werden« (l. c. S. 66 f.). Synthetische Urteile a priori sind es, welche in der reinen Mathematik (s. d.), Naturwissenschaft und in der Metaphysik notwendig-allgemeine Fundamentalerkenntnisse konstituieren, die für alle mögliche Erfahrung (s. d.), freilich auch nur für solche, gelten (s. Kritizismus). -

Mathematische Urteile sind »insgesamt synthetisch«. »Zuvörderst muß bemerkt werden, daß eigentliche mathematische Sätze jederzeit Urteile a priori und nicht empirisch sind, weil sie Notwendigkeit bei sich führen, welche aus Erfahrung nicht abgenommen werden kann.« »Man sollte anfänglich wohl denken, daß der Satz 7 + 5= 12 ein bloß analytischer Satz sei, der aus dem Begriffe einer Summe von sieben und fünf nach dem Satze des Widerspruchs erfolge. Allein wenn man es näher betrachtet, so findet man, daß der Begriff der Summe von sieben und fünf nichts weiter enthält als die Vereinigung beider Zahlen in eine einzige, wodurch ganz und gar nicht gedacht wird, welches diese einzige Zahl sei, die beides zusammengefaßt. Der Begriff von zwölf ist keineswegs dadurch schon gedacht, daß ich mir bloß jene Vereinigung von sieben und fünf denke, und ich mag meinen Begriff von einer solchen möglichen Summe noch so lange zergliedern, so werde ich doch darin die zwölf nicht antreffen. Man muß über diese Begriffe hinausgehen, indem man die Anschauung zu Hülfe nimmt, die einem von beiden korrespondiert, oder... fünf Punkte und so nach und nach die Einheiten der in der Anschauung gegebenen fünf zu dem Begriffe der sieben hinzutut. Man erweitert also wirklich seinen Begriff durch diesen Satz, 7 + 6= 12 und tut zu dem ersteren Begriff einen neuen hinzu, der in jenem gar nicht gedacht war.« »Ebensowenig ist irgend ein Grundsatz der reinen Geometrie analytisch. Daß die gerade Linie zwischen zweien Punkten die kürzeste sei, ist ein synthetischer Satz. Denn mein Begriff vom Geraden enthält nichts von Größe, sondern nur eine Qualität. Der Begriff des Kürzesten kommt also gänzlich hinzu und kann durch keine Zergliederung aus dem Begriffe der geraden Linie gezogen werden. Anschauung muß also hier zu Hülfe genommen werden, vermittelst deren allein die Synthesis möglich ist« (Prolegom. § 2).


 © textlog.de 2004 • 31.01.2025 01:55:11 •
Seite zuletzt aktualisiert: 24.04.2005 
bibliothek
text
  Home  Impressum  Copyright  A  B  C  D  E  F  G  H  I  K  L  M  N  O  P  Q  R  S  T  U  V  W  Z