A. MEINONG schreibt dem Urteil eine »synthetische Funktion« neben der »thetischen« des Seinsurteils zu (Üb. Annahm. S. 145). Jedem Urteil kommt zu Überzeugtheit, Glaube. Affirmation und Negation kann aber auch ohne Überzeugung stattfinde. Das gibt die »Annahmen«, ein Zwischengebiet zwischen Vorstellung und Urteil (Üb. Annahm. S. 2 ff.). »Annahme ist Urteil ohne Überzeugung.« »Urteil ist Annahme unter Hinzutritt der Überzeugung« (l. c. S. 257 ff.). - Der elementarste, primärste Akt des Bewußtseins ist das Urteil (»die glaubende Affirmation des Vorgestellten«) nach A. SPIR (Denk. u. Wirkl. II, 197 ff.). Nach VOLKELT setzt jedes Urteil eine Vielheit erkennender Subjekte stillschweigend voraus (Erfahr. u. Denk. S. 144). Das Urteil ist ein »einfacher Verknüpfungsakt« (l. c. S. 297 ff.), ein »Determinieren« (l. c. S. 300). Es bezieht sich auf das Transsubjektive (s. d.) selbst (l. c. S. 157 f.), ist »eine subjektive Weise, des Transsubjektiven habhaft zu werden« (l. c. S. 302), will »einen objektiven Erkenntnisinhalt aussprechen« (l. c. S. 303). »Die rein subjektiven Sätze sind nicht Urteile im vollen Sinne weil ihnen der direkt gemeinte, transsubjektive Gegenstand fehlt und daher, um sie auszusprechen, die zu der reinen Erfahrung hinzukommende eigentümliche Leistung des Denkens nicht nötig ist. dagegen werden sie in der Regel als allgemeingültig ausgesprochen und sind so Urteile wenigstens nach der formellen Seite hin« (l. c. S. 156). Nach G. THIELE enthält das Urteil ein »Meinen« (s. d.) als Ausdruck des »Nach -außen-sich-beziehens« der Kategorien, sowie das Moment des »Behauptens, Anerkennens eines von ihm unabhängig Bestehenden« (Philos. d. Selbstbewußts. S. 185 f.). Ähnlich lehrt schon UPHUES(S. Objekt), nach welchem das Urteil ein Dafürhalten ist, daß, eine Übereinstimmung zwischen einem Gegenstand und einer Vorstellung besteht (Vierteljahrsschr. f. wissensch. Philos. 21. Bd., S. 460. s. Wahrheit). - Hier ist auch noch einmal die Lehre von BRADLEY anzuführen: »Judgment proper is the act which refers an ideal content (recognized as such) to a reality beyond the act« (Log. I, 1, § 10). »The ideal content is the logical idea« (ib.). Es ist »a wandering adjective«. »In the act of assertion we transfer this adjectiv to, and unite it with a real substantive. And we perceive at the same time, that the relation thus set up is neither made by the act, nor merely holds within it or by right of it, but is real both independent of and beyond it« (l. c. p. 11). »The actual judgment asserts that S - P is forced on our mind by a reality x. And this reality... is the Subjekt of the judgment« (l. c. I, 2, §1). - Nach H. COHEN ist die Grundform des Seins, d. i. die Grundform des Denkens nicht die Grundform des Begriffs, sondern die des Urteils (Log. S. 43). Es hat die Bedeutung, den Gegenstand des Erkennens als solchen zu erzeugen (l. c. 13. 59). Die Arten der Urteile müssen aus den Arten und Richtungen der reinen Erkenntnisse abgeleitet werden (l. c. S. 61). Zu unterscheiden sind: 1) Urteile der Denkgesetze, 2) Urteile der Mathematik, 3) Urteile der mathematischen Naturwissenschaft, 4) Urteile der Methodik (l. c. S. 63 ff.. vgl. Kategorien). - Nach M. PALÁGYI heißt eine soeben stattfindende Tatsache konstatieren so viel wie »in einem Vergänglichen ein Unvergängliches erleben« (Log. auf d. Scheidewege S. 163). Jedes wahre Urteil ist »ein Ewigkeitserlebnis«. »Man kann dies bildlich auch so ausdrücken, daß durch das wahre Urteil die Tatsache gewissermaßen herausgehoben ist aus dem Zeitstrome der Vergänglichkeit in das überzeitliche Reich der ewigen Wahrheit« (l. c. S. 164). Die einzelnen Urteilsakte sind nichts als »vitale Gehirnarbeit, die ich verrichten muß, um die Wahrheit wiederholt denken zu können, die den gemeinsamen Sinn oder Inhalt aller dieser gleichlautenden Urteile bildet« (l. c. S. 167). Die Tatsache des Doppelerlebnisses (s. Impression) erklärt die Dualität im Urteil. »Im Urteil nämlich erhalten sowohl der Eindruck, als auch die Erinnerung, also das ganze Doppelerlebnis, auf welches wir uns stützen, einen begrifflichen Charakter: sie werden eben zu einem begriffenen oder begrifflichen Doppelerlebnis. und zwar entsprechen dem Eindruck und der Erinnerung als vergänglichen Erlebnissen im Urteile das Subjekt und das Prädikat als Begriffserlebnisse« (1. G. S. 191 f.). Der Übergang aus dem Empfinden ins Urteilen kann »durch keinerlei neu hinzukommende Empfindungen oder Gefühle gekennzeichnet sein« (l. c. S. 194). Dem wahren Tatsachenurteil »kommt Allgemeingültigkeit zu. d.h. es ist so gefällt, als ob alle Menschen und alle urteilenden Wesen überhaupt daran teilhaben könnten« (l. c. S. 200). Logisch ist jedes Urteil ein »Doppelurteil«, ein »Sachurteil« und ein »Ichurteil« (Urteil über das eigene Urteilen). »Ohne Sachurteil kein Ichurteil und umgekehrt ohne Ichurteil kein Sachurteil« (»Prinzip der Urteilspaare« S. 231 f.). Urteil und Begriff können ineinander übergehen (l. c. S. 233).