Die analytische Funktion im Urteil berücksichtigt besonders WUNDT. Das Urteil geht aus dem Vorgange der »apperzeptiven Analyse« hervor (s. Dualität). Psychologisch ist die Urteilsfunktion als »eine analytische Funktion« aufzufassen. Das Urteil ist »die Gliederung eines Gedankens in seine Bestandteile« (Gr. d. Psychol.5, S. 321). Das Urteil gliedert den Gedanken (s. d.) in seine Bestandteile, um diese dann in eine neue Beziehung zueinander zu setzen. Dadurch wird der erst unbestimmte Inhalt der Gesamtvorstellung (s. d.) sukzesiv klarer und deutlicher gemacht. Das Urteil bringt »nicht Begriffe zusammen, die getrennt entstanden waren, sondern es scheidet aus einer einheitlichen Vorstellung Begriffe aus«. »Was sich in unserer sinnlichen Vorstellung in Bestandteile trennt, das zerlegen wir auch in unserem Urteil. Wir Unterscheiden die Gegenstände von ihren Eigenschaften und diese wieder als ein relativ Dauerndes von den wechselnden Ereignissen.« »Indem die Gegenstände sich verändern und indem verschiedene Gegenstände, die Teile einer Wahrnehmung ausmachen, in Beziehung zueinander treten, findet dieser Vorgang sein Abbild in jener Gliederung der Vorstellungen, die das Urteil ausführt.« »Die ursprüngliche Form des Urteilens ist darum zweifellos die, daß ein wirklicher Gegenstandsbegriff, dem zuweilen noch eine bestimmte Eigenschaft als Attribut zugeschrieben wird, als Subjekt auftritt, und daß das Prädikat ein Geschehen oder einen vorübergehenden Zustand schildert.« Das entwickelte Urteil ist »die Zerlegung eines Gedankens in seine begrifflichen Bestandteile. Die Grundlage, von welcher diese Begriffsbestimmung ausgeht, besteht in der aus dem Prinzip der Zweigliederung abgeleiteten Voraussetzung, daß der Inhalt des Urteils, wenn auch in unbestimmter Form, als Ganzes gegeben ist, ehe er in seine Teile sich trennt. In diesem Sinne kann man alles Urteilen eine analytische Funktion nennen. Das Urteil ist Darstellung des Gedankens, und zum Zweck dieser Darstellung zerlegt es den Gedanken in seine Elemente, die Begriffe. Nicht aus Begriffen setzt demnach das Urteil Gedanken zusammen, sondern Gedanken löst es in Begriffe auf« (Ess. 10, S. 282 f.. Vorles.2, S. 341 f.. Grdz. d. physiol. Psychol. II4, 478. Völkerpsychol. I, 1. Log. I2, S. 155 ff.). Einzuteilen sind die Urteile: 1) nach der Beschaffenheit des Subjektsbegriffs: a. unbestimmtes, b. Einzel-, c. Mehrheitsurteil. 2) nach der Beschaffenheit des Prädikatsbegriffs: a. erzählendes, b. beschreibendes, c. erklärendes Urteil. 3) nach dem Verhältnisse zwischen Subjekt und Prädikat (Relation): a. Identitäts- , b. Subsumtions-, c. Koordinations-, d. Abhängigkeits-Urteil, e. negativ prädizierendes, f. negatives entgegensetzendes Urteil (ib.). Nach E. v. HARTMANN ist das Urteil eine besondere Art des trennenden und verbindenden Denkens, ursprünglich ein »Ur-Teilen des gegebenen Bewußtseinsinhalts und ein Zuerteilen von prädikativischen Bestimmungen« (Kategorienlehre S. 236). Begriff und Urteil sind verschiedene Seiten desselben Vorgangs (l. c. S. 237).