Urteil - Kant, Reinhold, Bouterwek, Bolzano

KANT definiert: »Etwas als ein Merkmal mit einem Dinge vergleichen heißt urteilen« (Die falsche Spitzfind. § 1). Das Urteil hat eine Einheitsfunktion, es bringt Vorstellungen, Begriffe zur Einheit der Apperzeption (s. d.) zusammen. »Die Vereinigung der Vorstellungen in einem Bewußtsein ist das Urteil« (Prolegom. § 5). »Alle Urteile sind... Funktionen der Einheit unter unseren Vorstellungen, da nämlich statt einer unmittelbaren Vorstellung eine höhere, die diese und mehrere unter sich begreift, zur Erkenntnis des Gegenstandes gebraucht und viele mögliche Erkenntnisse dadurch in einer zusammengezogen werden« (Krit. d. rein. Vern. S. 88). Das Urteil ist der Akt, »gegebene Erkenntnisse zur objektiven Einheit der Apperzeption zu bringen«. Es unterscheidet sich von der Assoziation durch seine objektive Geltung. »Der Körper ist schwer« heißt soviel wie: »Diese beiden Vorstellungen sind im Objekt, d. i. ohne Unterschied des Zustandes des Subjektes, verbunden und nicht bloß in der Wahrnehmung (so oft sie auch wiederholt sein mag) beisammen« (l. c. S. 666). Das Urteil ist also eine Handlung, »durch die gegebene Vorstellungen zuerst Erkenntnisse eines Objekts werden« (Met. Anf. d. Naturwiss., Vorr. S. XIX). Das Urteil ist »die Einheit des Bewußtseins im Verhältnis der Begriffe überhaupt« (WW. VIII, 532. Log. § 17. über analytische und synthetische Urteile s. unten). Vgl. Kategorien. - Nach REINHOLD heißt Urteilen »das Mannigfaltige einer Anschauung in eine objektive Einheit zusammenfassen« (Vers. ein. Theor. II, 435). KRUG definiert: »Urteilen heißt denken, wie sich Vorstellungen in Beziehung auf ein dadurch vorzustellendes Objekt verhalten, mithin ihr Verhältnis zur Einheit des Bewußtseins bestimmen« (Log. § 51). JAKOB bestimmt: »Urteilen heißt denken, wie mehrere Vorstellungen in einem Objekte verbunden sind, oder wie sie sich zur Einheit des Bewußtseins verhalten« (Log. § 186. Gr. d. Erfahrungseelenl. S. 228). Ähnlich definiert METZ (Log. § 90), so auch TIEFTRUNK (Gr. d. Log. § 40). Nach KIESEWETTER ist das Urteil »die Bestimmung des Verhältnisses mehrerer Vorstellungen zur Einheit des Bewußtseins« (Gr. d. Log. §. 63). »Durch die Verbindung mehrerer Begriffe oder eines Begriffs mit einer Anschauung entsteht ein Urteil« (l. c. § 12). »Die Vorstellung des Verhältnisses mehrerer Vorstellungen untereinander, welche zur Deutlichkeit einer Erkenntnis erfordert wird, heißt ein Urteil« (l. c. § 62). Nach HOFFBAUER ist das Urteil »die Vorstellung des Verhältnisses, welches zwischen mehreren Objekten stattfindet« (Log. S. 142). - Nach S. MAIMON besteht das Urteilen darin, »entweder vom Subjekt einen deutlichen Begriff zu erlangen oder das Subjekt einer Synthesis... zu bestimmen« (Vers. üb. d. Transcend. S. 384. vgl. Log.). Nach FRIES ist das Urteil »die Erkenntnis eines Gegenstandes durch Begriffe«. Es hat die Form einer »behauptenden Vorstellung« (Syst. d. Log. S. 125). Nach CALKER ist das Urteilen die »Art des Denkens und Verstehens, in welcher die Verbundenheit einer allgemeinen mit einer besondern Vorstellung, das heißt, in welcher die besondere Vorstellung durch die allgemeine und die allgemeine durch die besondere erkannt wird« (Denklehre, S. 253, 301 ff.). Nach HILLEBRAND ist das Urteil »die Darstellung des Verhältnisses zwischen mehreren Vorstellungen durch die unmittelbare bestimmte Nachweisung ihrer Verbindung« (Gr. d. Log. 1820, § 290). DESTUTT DE TRACY bemerkt, der Urteilsakt bestehe »toujours et uniquement à voir qu'une idée est comprise dans une autre, fait partie de cette autre, est une des idées qui la composent ou doivent la composer« (Elém. d'idéolog. I, ch. 4, p. 53). »Nos jugemens consistent dans la perception du rapport de deux idées ou plus exactement à percevoir que de deux idées 1'une contient l'autre« (l. c. III, ch. 3, p. 215). Die Subsumtionstheorie vertritt TWESTEN. Nach BOUTERWEK ist das Urteil (logisch) die »Synthesis übereinstimmender Begriffe« (Lehrb. d. philos. Wissensch. I, 31). Die logische Urteilsform ist für das »Fürwahrhalten« nicht notwendig. »In der Form eines einzigen Begriffes kann die Vernunft Handlungen und Begebenheiten ergreifen, indem sie sich bestimmt zu entscheiden, daß etwas sei oder nicht sei« (l. c. I, 31). In den Subjektlosen Sätzen (s. d.) hat das »Es« nur grammatische Bedeutung (ib.). Nach E. REINHOLD ist das logische Urteil »das in unserer Anerkennung erfolgende Unterscheiden und Verknüpfen einer subjizierten und einer prädizierten Vorstellung« (Lehrbuch d. philos. prop. Psychol.2, S. 146). Alles bewußte Vorstellen enthält ein Urteilen (l. c. S. 147, 151). Nach BIUNDE ist das Urteilen ein Zuerteilen des Inhaltes einer Vorstellung an einen Gegenstand (Empir. Psychol. I, 97). Im gewöhnlichen Urteil wird ein Etwas in die Sphäre des Begriffe versetzt (l. c. S. 98). Aus Urteilen gehen Begriffe hervor (l. c. S. 96). - Nach BOLZANO ist das Urteil »ein Satz, den irgend ein denkendes Wesen für wahr halt« (Wissenschaftslehre I, § 22, S. 86). Es ist ein Behaupten, Entscheiden, Meinen, Glauben, Fürwahrhalten (l. c. § 34, S. 154).


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