Nach LOCKE ist das Urteil (»mental proposition«: inneres Urteil, »verbal proposition«: Satz) eine Verbindung oder Trennung von Vorstellungen (Ess. IV, ch. 5, § 2, 5). »Jeder kann an sich selbst bemerken, daß die Seele, wenn sie die Übereinstimmung oder Nichtübereinstimmung von Vorstellungen bemerkt, dieselben im stillen in eine Art bejahender oder verneinender Sätze zusammenstellt, und dies meine ich mit den Ausdrücken: Verbinden und Trennen« (l. c. § 6). - D'ARGENS bestimmt: »Juger, c'est dire véritablement d'une chose ce qu'elle est, ou ce qu'elle n'est pas, en lui donnant ce qui lui convient et lui ôtant ce qui ne lui convient pas. Cette opération de notre esprit se fait, lorsque, joignant deux diverses idées, nous les affirmons ou les nions« (Philos. du Bon-Sens I, 198). - Nach CHR. WOLF ist das Urteil (iudicium) »actus mentis, quo aliquid a re quadam diversum eidem tribuitur aut ab ea removetur« (Log.3, 1740, § 39). »Dum igitur mens iudicat, notiones duas vel coniungit, vel separat« (l. c. § 40. vgl. Philos. rational. § 41). »Das Urteil geht auf die Vorstellung der Verknüpfung zweier Dinge miteinander« (Vern. Ged. I, § 288 ff.). »Wenn wir uns gedenken, daß ein Ding etwas an sich habe oder an sich haben könne oder auch, daß von ihm etwas herrühren könne..., so urteilen wir von ihm.« Das Urteil besteht in Verknüpfung oder Trennung zweier oder mehrerer Begriffe (Vern. Ged. von d. Kr. d. menschl. Verst. S. 68 ff.). HOLLMANN definiert: »Iudicium appellatur actus intellectus, quo id, quod ad rem aliquam vel pertinere, vel non pertinere, vel plane eidem repugnare deprehendimus, de eadam vel affirmamus vel negamus« (Log. §18, 291). BAUMGARTEN bestimmt: »Iudicium est repraesentatio aliquorum conceptuum ut inter se vel convenientium vel repugnantium« (Acroas. log. § 206). H. S. REIMARUS erklärt: »Ein Urteil (iudicium) ist... die Erkenntnis oder Einsicht von der Einstimmung oder Nichteinstimmung oder dem Widerspruche zweier Begriffe« (Vernunftlehre, § 115 ff.). So auch J. EBERT (Vernunftlehre, S. 38) u. a. (vgl. CRUSIUS, Vernunftwahrh. § 426). Nach PLOUCQUET ist das Urteil »comparatio notionis cum notione«. »Intellektio identitatis subiecti et praedicati est affirmatio« (Identitätstheorie des Umfangs. Samml. d. Schrift. p. 105, 175 f.). TETENS erklärt: »Wenn zwei Gegenstände gewahrgenommen und überdies aufeinander bezogen werden, so werden sie im Verhältnis gedacht.« Das ist das »sinnliche Urteil«. Das logische Urteil ist »ein Gedanke von dem Verhältnis oder von der Beziehung der Ideen, d. i. eine Gewahrnehmung einer Beziehung der Ideen« (Philos. Vers. I, 357 H., 365). LAMBERT bemerkt: »Der Gedanke, daß die Merkmale der Sache zukommen, enthält schon etwas mehr als die bloße Vorstellung, und dieses Mehrere nennen wir urteilen.« Das Urteil ist »die Verbindung oder Trennung zweener Begriffe« (Neues Organ. §118 f.). PLATNER definiert: »Zwo Vorstellungen miteinander vergleichen in Ansehung ihres einstimmenden oder widersprechenden Verhältnisses, heißt urteilen.« »Urteilen heißt die Beziehung erkennen, in welcher zween Begriffe miteinander stehen. Wörtlich ausgedrückt ist es ein Satz.« »Wenn die Seele bejahend urteilt, so trennt sie von der Summe der Eigenschaften, welche den Begriff des Subjekts ausmachet, eine ab und erkennt dieselbe als gleich dem ganzen Begriffe des Prädikats.« »So heißt also bejahend urteilen erkennen, daß ein Teil des Subjekts gleich sei dem ganzen Prädikate« (Philos. Aphor. I, § 79, 607, 616 f.. Log. u. Met. S. 61). »Alle Urteile sind in ihrer ersten Entstehung synthetisch. nachher sind sie analytisch« (Log. u. Met. S. 61). G. F. MEIER. erklärt: »Wir beurteilen etwas, wenn wir uns seine Vollkommenheit oder Unvollkommenheit oder beides vorstellen« (Met. III, 235). - HUME betrachtet als wesentlichen Bestandteil des Urteils den Glauben (s. d.). »Die Energie und Lebhaftigkeit der Perzeption ist dasjenige, was einzig und allein den elementaren Akt des Urteilens (the first act of the judgment) konstituiert« (Treat. III, sct. 5, S. 116).