Nach ULRICI heißt Urteilen »ein Besonderes unter sein Allgemeines, ein Exemplar unter seine Gattung, ein Einzelnes unter seinen Begriff subsumieren,« »ein Einzelnes (Besonderes) als Glied einer Allgemeinheit, einer Gattung oder Art fassen, bestimmen und somit in die Totalität, unter die es gehört, einreihen« (Log. S. 482 f.). Nach KIRCHMANN subsumiert das Urteil das Einzelne unter Begriffe und Gesetze, erkennt das Allgemeine im Besondern wieder (Grundbegr. d. Rechts u. d. Moral S. 183). A. MAYER erklärt: »Das Urteilen besteht darin, die anschauliche Erkenntnis in die abstrakte zu bringen und umgekehrt von dieser wieder auf jene zu gelangen« (Monist. Erkenntnislehre S. 45). - Nach HORWICZ ist das Urteil »der Akt des Wiedererkennens, Erkennen einer Empfindung, beziehentlich eines entwickelten Seelengebildes als eines so oder ähnlich bereits Vorgekommenen« (Psychol. Anal. II, 86). FR. MAUTHNER erklärt: »Alles Urteilen ist nichts anderes als die Anwendung einer bestehenden Klassifikation auf einen neuen Eindruck« (Sprachkrit. I, 426). Alles Schließen und Denken ist eine komplizierte Vergleichung (l. c. S. 420). Die Identitätstheorie des Umfangs (Subjekt und Prädikat sind dem Umfange nach identisch) vertritt W. HAMILTON. Nach ihm ist das Urteil »a simple act of mind for every act of mind implies a judgment«. Die Identitätstheorie folgt aus der Lehre von der Quantification (s. d.) des Prädikats. »The terms of a proposition are only terms of relation. and the relation here is the relation of comparison. As the propositional terms are terms of comparison, so they are only compared as quantities - quantities relative to each other... The predicate has always a quantity in thought as much as the Subjekt, although this quantity be frequently not explicitly enounced... The predicate is as extensive as the Subjekt.« Es folgt daraus, »that a proposition is simply an equation, an identification, a bringing into congruence of two notions in respect to their extension«. »To judge... is to recognise the relation of congruence or of confliction, in which two concepts, two individual things, or a concept and an individual, compared together, stand to each other.« Der Begriff ist »an implicit or undeveloped judgment« (Lect. on Met. and Log. I, 204 f.. II, 225 ff., 259 f., 272 ff.). Ähnlich lehrt BOOL. Die Identitätstheorie des Inhalts lehrt J. ST. MILL (Exam. ch. 22. Log. I, 5, § 3. s. unten), ferner LEWES. Das Urteil ist »an act of grouping, by which the predicate inferred is identified with the Subjekt perceived or conceived« (Probl. II, 65). Das Urteil ist »inclusion of revived feelings in a group with actual feelings« (l. c. p. 141 ff.). »Every judgment asserts that something is« (l. c. p. 147). JEVONS erklärt: »Propositions may assert an identity of time, space, manner, quantity, degree, or any other circumstance in which things may agree or differ« (Princ. of science2, p. 36). - MANSEL bestimmt: »Judgment in the limited sense... is an act of comparison between two given concepts, as regards their relation to a common objekt« (Met. p. 220 f.). BALDWIN bestimmt: »Judgment is the mental assertion of the degree of relationship arrived at in some one stage of the process of conceptions« (Handb. of Psychol. I2, ch. 14, p. 283). Nach ROMANES ist das Urteil das Ergebnis des Vergleichens von Begriffen, eine gedankliche Zusammensetzung (Entwickl. d. Geist. beim Mensch. S. 164 ff.). Nach SULLY urteilen wir, wenn wir einen geistigen Prozess durchlaufen, welcher in einer Bejahung oder Verneinung endet. Das Urteilen besteht »in einem Unterscheiden oder Abgrenzen irgend einer verknüpfenden Beziehung als einen besonderen Gegenstand des Denkens«. Es ist »ein Entscheiden über den wirklichen Zustand der Dinge«, Aussage über die wirkliche Welt (Handb. d. Psychol. S. 278). Die Bildung des Begriffes schließt schon ein einfaches Urteil ein (l. c. S. 279). Anschauliche (perceptuals) und begriffliche (conceptual judgments) Urteile unterscheidet L. MORGAN (Animal life and intell. 1893, p. 328). - Nach BRADLEY ist das Urteil logisch die Qualificierung der Wirklichkeit durch einen Begriff. Das Prädikat ist nicht ein psychischer Inhalt als solcher, sondern ein Wirklichkeitsteil (durch einen Begriff symbolisiert), eine Eigenschaft, die dem Subjekt zugeschrieben wird. so wird durch das Urteil das Erleben im Sinne der Objektivität (s. unten) geformt (Princ. of Logic I. Appear. and Real.. Mind XIII, p. 370 ff.). Ähnlich lehrt BOSANQUET (Knowledge and Reality, 1885. Logic, 1888. vgl. über Urteil: S. LAURIE, Met. III. HODGSON, Time and space, ch. 7. VENN, Empiric. Logic. JAMES, Psychol. II, ch. 22, u. a.). - Die Inhaltstheorie vertritt LACHELIER (De nat. syllog. 26. vgl. hingegen BROCHARD, Rev. philos. XII), ferner RABIER (Log. p. 27 f.). Das Urteil ist »l'aperception d'un rapport quelconque entre deux choses« (Psychol. p. 90, 249 ff.). Glaube ist ein Element des Urteils (l. c. p. 252). »Croire, c'est penser qu'une chose est« (l. c. p. 266), »croire c'est penser un rapport d'identité entre la représentation et la réalité absolue« (l. c. p. 266). Das Urteil ist nicht Assoziation (l. c. p. 259, wie LACHELIER, BROCHARD, RÉNOUVIER u. a. meinen).