Wille

Wille (boulêsis, voluntas, volitio) ist 1) die allgemeine Bezeichnung für alle Arten von Willensvorgängen, 2) die einheitliche Kraft, Disposition zu einzelnen Wollungen, 3) der bestimmte Inhalt eines Wollens (»Willensmeinung«). Psychologisch umfaßt der Wille sowohl die einfache oder Triebhandlung (s. d.) als auch die zusammengesetzte oder Willkür- Handlung. Das Wollen ist nicht eigentlich definierbar, es ist ein Grundprozess des Bewußtseins, der sich nicht auf einen andern zurückführen läßt (s. Streben). Doch ist der Wille nichts Einfaches, Elementares, sondern jeder Willensakt lädt sich in verschiedene Momente zerlegen, die nicht für sich, sondern erst als Bestandteile, Glieder eines eigenartigen Zusammenhanges das Wollen konstituieren. Insbesondere erscheinen als solche konstituierende Glieder Gefühle (s. d.) und ihre Wirkungen (Strebungen). In allem Wollen liegt als Ziel die Erreichung, Gestaltung eines mehr oder weniger bestimmten Zustandes bezw. die Vermeidung, Entfernung eines solchen. Geht das Wollen unmittelbar von einzelnen Gefühlen (die sich an Empfindungen oder Vorstellungen »knüpfen«) aus, so ist es triebartig, reaktiv. geht ihm ein Kampf der Motive (s. d.), Überlegung voraus, so haben wir einen Willkür- oder Wahlakt (s. d.) vor uns. Dieser, das eigentliche Wollen, ist eine aktive Betätigung des Ich (s. d.), welches im Willen seinen zentralsten, innersten Kern hat. Je nachdem der Willensakt auf den Verlauf der Bewußtseinszustände als solcher (als Apperzeption, s. d.) oder auf Objekte der Außenwelt gerichtet ist, spricht man von innerer oder äußerer Willenshandlung. Alles Denken (s. d.) ist Willenstätigkeit, ein »Denkwille« besteht, dessen Forderungen im Logischen zum Ausdruck kommen wie die Postulate des praktischen Willens in Recht und Sittlichkeit. Die Einheit des Willens mit sich selbst in allen seinen (möglichen) Funktionen zu gewinnen, ist die Grundidee, welche alle individuelle und soziale Entwicklung leitet. Die Willensaktion ist das Urbild aller Tätigkeit (s. d.). Indem wir die Dinge als aktive Kraftzentren auffassen, introjizieren wir (ursprünglich) in sie einen Willen, etwas Willensartiges (s. Kraft, Objekt). Die Metaphysik kann diese Introjektion (s. d.) zu einer bewußten machen und als »transzendente Faktoren« der Dinge Willenseinheiten annehmen bezw. die gesamte Weltentwicklung auf ein gegliedertes einheitliches Willens-System zurückführen, dessen Einheit der göttliche Weltwille ist.

Während der Voluntarismus (s. d.) im Willen eine primäre psychische Tatsache erblickt (»autogenetische« Willenstheorie), ist der Wille nach der »heterogenetischen« Theorie nur ein Produkt oder eine Summe anderer psychischer Faktoren, etwas Abgeleitetes, Sekundäres.



Begriff und Definition des Willens:


Platon, Aristoteles, Augustinus
Descartes, Spinoza, Leibniz
Kant, Schelling, Hegel
Schopenhauer, Nietzsche
Planck, Feuerbach, Natorp
Wundt, Fouillée, Dewey
Knapp, Spencer, Ribot

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