Wissenschaft - Aristoteles, Bacon, Kant

Nach ARISTOTELES geht die Wissenschaft (epistêmê) im Unterschiede von bloßer Empirie nicht nur auf das Daß (hoti), sondern auch auf das Warum (dioti), auf die Gründe (archai) der Dinge (Anal. post. I 2, 71 a 21. l. c. 981 a 36). Die Wissenschaft, Disziplin (technê) entsteht, hotan ek pollôn tês empeirias ennoêmatôn mia katholou genêtai peri tôn homoiôn hypolêpsis (Met. I 1, 981 a 5). Die Wissenschaft (wie das Wissen) ist entweder potentiell oder aktuell vorhanden (dynamei, energeia, Met. XIII 10, 1087 a 15). Als ein System fester, sicherer Erkenntnisse bestimmen die Stoiker die Wissenschaft: epistêmên men einai tên asphalê kai bebaian kai ametaptôton hypo logou katalêpsin (Sext. Empir. adv. Math. VII, 151). tên epistêmên phasin ê katalêpsin asphalê ê hexin en phantasiôn prosdexei ametaptôton hypo logou (Diog. L. VII 1, 47). pasa gar epistêmê hyparktôn tinôn esti gnôsis. (Sext. Empir. adv. Math. XI, 184).

Nach ALBERTUS MAGNUS ist die Wissenschaft »habitus stans et immobilis ex intellectualibus acceptus et factus« (Sum. th. I, prol. Die »scientia universalis« handelt vom Seienden schlechthin, die »scientia particularis« von den »species entus« (l. c. I, 3, 4). Nach THOMAS ist »scientia« »recta ratio scibilium« (Sum. th. II. II, 55, 3 c), »rei cognitio per propriam causam« (Contr. gent. I, 94), »assimilatio scientis ad rem scitam« (l. c. II, 60), »descriptio rerum in anima« (De verit. 11, 1 ob. 11). »Ad scientiam requiritur cognitionis certitudo« (l. c. 1 ob. 13). - ZABARELLA erklärt: »Scientia... est firma ac certa cognitio rerum simpliciter necessariarum et sempiternarum« (De nat. log. I, 2. Opp. log. p. 3). G. BIEL bestimmt: »Scientia accipitur dupliciter, uno modo pro collectione multorum pertinentium ad notitiam unius vel multorum determinatum ordinem habentium. secundo modo pro simplici qualitate vel habitu distincto contra alios habitus intellectuales« (Sent. prol. qu. 1). MICRAELIUS erklärt: »Scientia... est virtus intellectualis, comparata ex conclusione certae rei per proprias et proximas causas« (Lex. philos. p. 985). - SANCHEZ definiert: »Scientia est rei perfecta cognitio« (Quod nihil scitur 1647, p. 51). Wir haben aber kein sicheres Wissen, »nihil scimus« (l. c. p. 53). Ein Wissenstrieb (»velle scire«) ist uns angeboren (l. c. p. 5).

Eine Klassifikation der Wissenschaft nach den drei Geistesfähigkeiten: Gedächtnis, Phantasie, Verstand führt F. BACON durch: »Historia, poesis, philosophia secundum tres intellectus facultates: memoria, phantasia, ratio« (De dign. II, 1). Die Geschichte zerfällt in »historia civilis« und »naturalis« (ib.). Die Wissenschaft ist »veritatis imago«, ihr Ziel ist Beherrschung der Natur. »Tantum possumus quantum scimus« - Wissen ist Macht (vgl. Opuscul. philos., WW. V, 129 ff.). Die Erreichung höchster menschlicher Vollkommenheit bestimmt als Ziel der Wissenschaft SPINOZA (Emend. intell.). Nach HOBBES gibt es zweierlei Arten der Erkenntnisse: solche von Tatsachen und solche von Konsequenzen, Folgerungen: »Cognitionis duae sunt species. Altera facti. et est cognitio propria testium, cuius conscriptio est historia. Dividitur autem in naturalem et civilem.« »Altera est consequentiarum vocaturque scientia. conscriptio autem eius appellari solet philosophia« (Leviath. I, 9). GASSENDI bestimmt die Wissenschaft (das Wissen) als »alicuius rei certam, evidentem et per necessariam causam seu demonstratione habitam notitiam« Exerc. II, 6, 1). Ähnlich wie BACON classifiziert die Wissenschaften D'ALEMBERT (Disc. prélim.). CHR. WOLF definiert ähnlich: »Per scientiam... intelligo habitum asserta demonstrandi, hoc est, ex principiis certis et immotis per legitimam consequentiam inferendi« (Log. disc. prael. § 30). »Durch die Wissenschaft verstehe ich eine Fertigkeit des Verstandes, alles, was man behauptet, aus unwidersprechlichen Gründen unumstößlich darzutun« (Vern. Ged. von d. Kr. d. m. Verst. § 2). H. S. REIMARUS definiert: »Wissenschaft ist eine Einsicht in den Zusammenhang der Wahrheiten, die aus unleugbaren allgemeinen Grundsätzen durch unzertrennte Verbindung der Schlüsse bewiesen werden« (Vernunftlehre, § 233). »Wissenschaften, deren Grundsätze lauter Grundsätze der Vernunft sind, sind reine Wissenschaften, wie die Arithmetik und Geometrie desfalls die Mathesin puram ausmachen« (l. c. § 236).

KANT bestimmt: »Eine jede Lehre, wenn sie ein System, d. i. ein nach Prinzipien geordnetes Ganzes der Erkenntnis sein soll, heißt Wissenschaft« (Met. Anf. d. Naturwissensch., Vorr., S. IV). »Eigentliche Wissenschaft kann nur diejenige genannt werden, deren Gewißheit apodiktisch ist« (l. c. S. V). Nach KRUG ist Wissenschaft »ein Inbegriff von Erkenntnissen in bezug auf einen bestimmten Gegenstand« (Handb. d. Philos. I, 4. vgl. S. 81). Die Wissenschaften sind: freie (nur durch innere, eigene Gesetze in ihrer Organisation bestimmt), gebundene, gemischte. die freien Wissenschaften sind empirische, rationale, empirisch-rationale Wissenschaften (l. c. S. 102 ff.. vgl. Versuch ein. neuen Einteil. d. Wissenschaften, 1805). Nach J. J. WAGNER ist die Wissenschaft »Universalität der Erkenntnis, ein geistiges Abspiegeln des lebendigen Universums« (Syst. d. Idealphilos. S. 3 ff.). Nach STEFFENS gibt es nur zwei Wissenschaften: Physik und Ethik, erstere als das »Naturleben des Geistes« (Anthropol. I, 371). So auch SCHLEIERMACHER (Philos. Sittenlehre, § 55). Nach HEGEL ist Wissenschaft der sich als solcher wissende Geist (Phänomenol. S. 20. vgl. Syst. d. Wissensch. S. 590 ff. G. BIEDERMANN, Philos. als Begriffswissensch. I, 98 ff., u. a.). - Nach FRIES ist eine Wissenschaft ein systematisches Ganzes von Erkenntnissen (Syst. d. Log. S. 268). Die Wissenschaften sind Erfahrungsund Vernunftwissenschaften (beschreibende - erzählende - erklärende Wissenschaften). Letztere zerfallen in reine und angewandte Wissenschaften (l. c. S. 325 ff.). CALKER bestimmt: »Wissenschaft ist überhaupt eine nach den Gesetzen des Denkens gebildete Erkenntnis des Zusammenhangs des Mannigfaltigen im Sein der Dinge mit der Einheit« (Denklehre, S. 461 f.). Nach BACHMANN u. a. ist die Wissenschaft das systematisierte Wissen (Syst. d. Log. S. 270 ff.). Nach CHR. KRAUSE ist die Wissenschaft an sich nur eine, ein organisches Ganzes (Urb. d. Menschh.3, S 37 ff.). Sie schaut in Gott »das ewig Wesentliche aller Dinge und ihres harmonischen Wechsellebens« (l. c. S. 34). Nach H. RITTER ist Wissenschaft »jede Verbindung mehrerer Akte des Wissens zu einer Gesamtheit« (Abr. d. philos. Log.2, S. 98). Nach L. FEUERBACH ist die Wissenschaft »das Bewußtsein der Gattungen« (WW. VII, 25).


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