Wissen - Platon, Aristoteles, Fichte

In die Einzelwahrnehmungen löst das Wissen PROTAGORAS auf, so daß eigentlich nur ein Meinen (doxa) besteht (Plat., Theaet. 160 D. 179 C). Daß es ein sicheres Wissen gibt, betont SOKRATES (s. Erkenntnis). Es ist dies das begriffliche (s. d.) Wissen, das Wissen vom Allgemeinen, Typischen, von der Idee (s. d.), wie PLATO lehrt. Nach ihm ist das Wissen die auf das Seiende gerichtete Erkenntnis. vom sinnlich Wahrnehmbaren haben wir nur ein Meinen (doxa). Oukoun epi men tô onti gnôsis ên, agnôsia d' ex anankês epi tô mê onti (Rep. 477 B. vgl. Theaet. 210 A. Men. 97 E.. Phaedr. 247 C. Tim. 51 B). Daß das Wissen vorzugsweise das Allgemeine (s. d.), Gesetzliche zum Gegenstande hat, betont ARISTOTELES: hê men epistêmê katholou kai di' anankaiôn (Anal. post. I 33, 88 b 30). Das Wissen schließt die Erkenntnis der Ursache, des Warum ein: eidenai d' ou proteron oiometha hekasthon prin an labômen to dia ti peri hekaston (Phys. II 2, 194 b 18). epistasthai de oiometha hekaston haplôs hotan tên t' aitian oiômetha gignôskein, di' hên to pragma estin, hoti ekeinou aitia esti, kai mê endechesthai tout' allôs echein (Anal. post. I 2, 71 b 9). Nach den Stoikern ist das Wissen katalêpsis asphalês kai ametaptôtos hypo logou (Stob. Ecl. II, 128).

Nach AUGUSTINUS ist das Wissen das Erfassen und Begreifen des Objekts durch die Vernunft. »Aliud enim est sentire, aliud nosse. Quare si quid novimus, solo intellectu contineri puto et eo solo posse comprehendi« (De ord. II 5). Die Idee des Wissens ist uns angeboren (vgl. Contr. Acad. III, 30 squ., De lib. arb. II, 40. De trinit. X. Confess. X, 33). - THOMAS bestimmt: »Scire aliquid est perfecte cognoscere ipsum. hoc autem est perfecte apprehendere eius veritatem« (In Arist. Post. I, 4). »Uno modo dicitur homo sciens, quia habet naturalem potentiam ad sciendum... secundo modo dicimus aliquem esse scientem, quod aliqua sciat« (In l. III de an. 11). Nach NICOLAUS CUSANUS gibt es kein eigentliches Wissen, nur Konjektur (s. d.) (De doct. ignor. I, 1). CAMPANELLA erklärt, Wissen (sapere) sei »rem percipere sicuti est« (Univ. philos. I, 2). Nach L. VIVES ist das Wissen (cognoscere) »capere, comprehendere, concipere« (De an. II, 127). »Cognitio enim velut imago est quaedam rerum, in animo expressa tanquam in speculo« (l. c. p. 127). GEULINCX definiert: »Scire est per definitionem cognoscere« (Log. p. 36, 409. vgl. Met. p. 281). CHR. WOLF versteht unter Wissen ein begründetes Erkennen (Philos. rational. §. 594. s. Wissenschaft). Nach HUME ist Wissen »die durch Vergleichung von Vorstellungen gewonnene Überzeugung« (Treat. III, sct. 11, S. 172). - Nach KRUG ist das Wissen »ein Fürwahrhalten, welches in der Erkenntnis des Objekts hinlänglich gegründet ist, oder auf objektiv zureichenden Gründen beruht« (Fundamentalphilos. S. 237. Handb. d. Philos. I, 81). »Wenn und wiefern das Wissen aus der sinnlichen Wahrnehmung entspringt, heißt es empirisch. wenn und wiefern es aber durch die Selbsttätigkeit des menschlichen Geistes erzeugt ist, heißt es rational« (Handb. d. Philos. I, 82). FRIES bestimmt: »Wissen bedeutet... das Fürwahrhalten mit vollständiger Gewißheit,« oder auch die »Überzeugung aus der Anschauung« (Syst. d. Log. S. 421 ff.). Nach G. E. SCHULZE hat ein Wissen statt, »wenn das Gegenteil des Urteils nicht gedacht werden kann« (Üb. d. menschl. Erk. S. 165 ff.). Nach BOUTERWEK ist das Bewußtsein der Übereinstimmung unserer Gedanken Erkennen. »Werden Begriffe, in denen schon Wahrheit liegt, verbunden mit richtigen Urteilen und Schlüssen, so wird aus dem Erkennen ein eigentliches Wissen« (Lehrb. d. philos. Wissensch. I, 40 f.). Es gibt kein unmittelbares Wissen (l. c. S. 41). LICHTENFELS bestimmt: »Insofern das Erkennen auf dem Denken beruht, setzt es, gleich diesem, das ursprüngliche Vertrauen der Intelligenz auf sich selbst voraus: in dieser Hinsicht heißt das Erkennen auch Wissen im engeren Sinne des Wortes« (Gr. d. Psychol. S. 124). E. REINHOLD erklärt: »Das ›Wissen‹ unterscheidet sich von dem Erkennen überhaupt durch die nähere Bestimmung, daß in ihm die Realität der Erkenntnis vermöge solcher Gründe, welche gemäß der Natur und Gesetzmäßigkeit unserer Intelligenz die zureichenden sind, in unserem Bewußtsein als zweifellos sich ausdrückt« (Lehrb. d. philos. propäd. Psychol.2, S. 171). Nach G. HERMES besteht das Wissen aus einem »Mir-Vorkommen und aus einem Gewahrsein des mir Vorkommenden« (Einl. in d. christl. Theol. I, 124). Nach BIUNDE ist Wissen »der Zustand des Gewahrgenommen-habens oder des Gewahr-seins« (Empir. Psychol. I 1, 205 ff.), wahrhaft notwendiges Erkennen (l. c. I 2, 352). Bewußtsein ist »Bewissen«, »ein so weit vervollständigtes und bestimmtes Wissen, daß dieses über das ganze Objekt ausgedehnt ist und sich auf dasselbe beschränkt« (l. c. I 1, 209 f.).

J. G. FICHTE bestimmt: »Das Wissen ist ein Für-sich-und-in-sich-sein und In-sich -wohnen-und-walten-und-schalten. Dieses Für -sich-sein eben ist der lebendige Lichtzustand und die Quelle aller Erscheinungen im Lichte, das substantielle innere Sehen, schlechthin als solches« (WW. I 2, S. 19). Alles Wissen als solches ist formal (l. c. S. 20). Das Wissen »sieht nichts außer sich, aber es sieht sich selbst«, es ist absolut, schlechthin, weil es ist, als »intellektuelle Anschauung« (s. d.) ist es »ein absolutes Selbsterzeugen, durchaus aus nichts« (l. c. S. 38). Nach SCHELLING beruht das Wissen auf der »Übereinstimmung eines Objektiven mit einem Subjektiven« (Syst. d. tr. Ideal. S. 1). Ein bedingtes Wissen ist ein solches, »zu dem ich nur durch ein anderes Wissen gelangen kann« (Vom Ich, S. 5). »Ein absolutes Wissen ist nur ein solches, worin das subjektive und Objektive nicht als Entgegengesetzte vereinigt, sondern worin das ganze subjektive das ganze Objektive und umgekehrt ist« (Naturphilos. I, 71). »Nicht ich weiß, sondern nur das All weiß in mir, wenn das Wissen, das ich das meinige nenne, ein wirkliches, ein wahres Wissen ist« (WW. I 6, 140). SUABEDISSEN bestimmt: »Wissen ist Haben und Halten im Denken. Es ist auch Denken, aber befriedigtes, ruhendes. Das Wissen in Einigung mit Sein heißt BewußtseinErkennen ist »das Denken, wiefern es Erfolg hat, also wiefern es sich dessen, worauf es gerichtet ist, ermächtiget« (Grdz. d. Lehre von d. Mensch. S. 80 ff.).


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