LOTZE nennt wirklich »ein Ding, welches ist, im Gegensatz zu einem, welches nicht ist. wirklich auch ein Ereignis, welches geschieht oder geschehen ist..., ein Verhältnis, welches besteht« (Log.2, S. 511 f.). Der Gedanke der Wirklichkeit enthält eine Bejahung (ib.. vgl. Grdz. d. Met. S. 9). Alles Reale ist an sich Geist (Mikrok. III2, 527), »Für-sich-sein« (l. c. S. 531). Die Realität ist »das Dasein des Für-sich-seienden« (l. c. S. 531 f.). Nach TEICHMÜLLER ist die Wirklichkeit 1) der Inbegriff der Wesen. »Die Wesen heißen wirklich, sofern sie nicht bloß einen Gedankeninhalt für einen Denkenden bilden« (Neue Grundleg. S. 116). 2) ist Wirklichkeit »jede Funktion..., welche dem Bewußtsein der Gegenwart angehört oder damit zusammenhängt« (l. c. S. 117). Die Wirklichkeit ist »das ganze durch alle Zeiten reichende technische System aller Funktionen der Wesen« (l. c. S. 119 ff.). Nach E. V. HARTMANN gibt es in der »für sich isolierten subjektiv idealen Sphäre« »weder Wirklichkeit, noch Notwendigkeit noch Möglichkeit, sondern nur eine geglaubte Möglichkeit in doppeltem Sinne, als formallogische und als dynamische« (Kategorienlehre, S. 348). »Die Wirklichkeit in der objektiv realen Sphäre oder das objektiv reale Sein ist das Wirken, oder die dynamisch- thelistische Funktion einschließlich ihrer logisch determinierten Gesetzmäßigkeit« (l. c. S. 349). In der metaphysischen Sphäre fällt die Kategorie der Wirklichkeit fort. Das Sein der Prinzipien im Wesen ist ein überwirkliches (l. c. E3. 356 ff.).
Als Inbegriff des Wirksamen bestimmt die Wirklichkeit DILTHEY (Einl. in d. Geisteswiss. I, 469. 6. Objekt). RIEHL erklärt: »Nur, was fähig ist, zu wirken, ist und heißt wirklich.« »Zu dem Mechanismus der äußeren Erscheinung liefert die innere Erfahrung die Ergänzung. sie zeigt uns Vorgänge, die nicht bloß bewirkt, sondern auch selbst wirkend sind« (Philos. Krit. II 2, 195). Die Außenwelt müssen wir nach Analogie mit unserem eigenen Wesen erfassen (l. c. S. 319. vgl. II 1, 277). Wirklichsein heißt auch »in den Zusammenhang der Wahrnehmungen gehören« (Beitr. zur Log., Vierteljahreschr. f. wiss. Philos. 16. Bd., S. 134). »Es ist dieselbe Wirklichkeit, aus der unsere Sinne stammen und die Dinge, die auf unsere Sinne wirken. Die nämliche schaffende Macht, die schon in den einfachsten Dingen am Werke ist, setzt ihr Werk in uns durch uns fort. Sie ist die gemeinsame Quelle von Natur und Verstand. Sie hat den Dingen ihre begreifliche Form gegeben und uns das Vermögen, zu begreifen. So stiftete sie zwischen den Natur- und Denkgesetzen jene Harmonie, welche im einzelnen zu vernehmen Ziel und Lohn aller Forschung ist. Aber nur bis zur Voraussetzung dieser Einheit dringt unser Denken. Sie selbst in ihrem Wesen bleibt transzendent. Das Geheimnis des Daseins ist durch das Denken nicht zu ergründen. das Prinzip des Daseins geht dem Denken voran. erst Sein, dann Denken« (Zur Einf. in d. Philos. S. 167 f.). M. PALÁGYI erklärt: »In der direkten Besinnung haben wir das Ewige als Wirkliches, in der konträren Besinnung haben wir das Ewige als Begriff« (Log. auf dem Scheidewege, S. 251). Das Ewige selbst ist die Einheit der Wirklichkeit und des Begrifflichen, Wahren. wir Wissen von dieser Einheit, nicht aber diese Einheit selbst (l. c. S. 252 f.). Nach HÖFFDING ist wirklich, »was wir trotz allem Widerstreben zuletzt doch stehen lassen müssen, wie es ist - was anzuerkennen wir nicht umhin können« (Psychol. S. 288). Das Kriterium der Wirklichkeit ist »in zweifelhaften Fällen schließlich immer der feste, unzertrennliche Zusammenhang« (Philos. Probl. S. 36 f.). Nach PLANCK ist objektive Wirklichkeit das »Gegenteil der bloßen Gedankeneinheit« (Testam. ein. Deutsch. S. 57 f.). Nur im Zusammen des aneinander grenzenden Unterschiedes oder Außereinanders ist Realität (l. c. S. 61). Nach B. ERDMANN ist das Wirkliche »das Vorgestellte, sofern es auf das Transzendente bezogen wird« (Log. I, 10). Wirklichkeit hat derjenige Gegenstand, »dem im Transzendenten ein Substrat oder, einfacher, wenn schon unsicherer, ein transzendentes Substrat entspricht« (l. c. S. 83). »Das von uns verschiedene Wirkliche ist... das von unserem Willen unabhängig Wirksame«. »Als so Leidende und in diesem Leiden uns selbst Erhaltende werden wir uns unserer eigenen Wirklichkeit bewußt und setzen dem entsprechend den ›Objekten‹ oder Gegenständen im eigentlichsten Sinne des Wortes, d. i. dem Nicht-Ich als ihrem Inbegriff, unser eigenes Ich entgegen. Durch unsern Willen also, in dem wir uns als Ursachen, beziehungsweise als Gegenursachen bewußt werden, finden wir uns selbst in letztem Grunde als wirklich« (l. c. S. 83 f.). »Wirklichsein überhaupt würde sich danach als Wirksamsein ergeben, oder als Wirken« (l. c. S. 84). E. DÜHRING versteht unter dem Wirklichen das sinnlich, raumzeitlich Gegebene, Erfaßbare, Materielle (Curs. S. 13. s. Wirklichkeitsphilosophie).
Nach J. BERGMANN ist Wirklichkeit »die Bestätigung, welche wir zu der Setzung eines Gedachten als eines Seienden hinzutun, während das Seiende das Gesetzte selbst bedeutet« (Sein u. Erk. S. 111. vgl. S. 10 f.). Nach G. SIMMEL ist Wirklichkeit »nichts, was außerhalb der Vorstellungen derart existierte, daß diese nun erst in jene versetzt würden. sondern eine gewisse psychologische Qualität der Vorstellungen wird dadurch bezeichnet, daß wir diese wirkliche nennen« (Einl. in d. Moralwiss. I, 6). LIPPS erklärt: »Das Bewußtsein der Wirklichkeit, dies heißt das Bewußtsein haben, ein Vorstellen sei notwendig, müsse oder solle sein« (Grundtats. d. Seelenleb. S. 397). Das Gefühl des Zwanges macht die Empfindung zu einem Wirklichen. Das Wirklichkeitsbewußtsein besteht in »Gefühl des Widerstandes, das sich dann in uns einstellt, wenn unser freier Vorstellungsverlauf einem übermächtigen Vorstellungsgeschehen begegnet« (l. c. S. 397). Es sind die »zeitlich-räumlichen Beziehungen, die der Vorstellung die zwingende Kraft verleihen« (l. c. S. 398. vgl. S. 438 ff). EHRENFELS erklärt: »Wenn ich irgend eine Begebenheit... als wirklich denke, so stelle ich mir vor, daß sie selbst oder ihre Nachwirkungen mit den meinigen in Kontakt gekommen sind oder kommen werden: - kurz ich verflechte sie (immer nur in der Vorstellung) in das kausale Gewebe, in welchem ich selbst mich befinde. Ähnlich schalte ich sie aus diesem Gewebe aus, wenn ich sie als nicht wirklich zur Vorstellung bringe. bei der schlechthinigen Vorstellung dagegen, bei welcher ich... auf Wirklichkeit oder Nichtwirklichkeit gar nicht achte, ziehe ich auch jenes Kausalgewebe gar nicht in Betracht« (Syst. d. Werttheor. I, 204. vgl. KOCH unter »Objekt«). Nach DEUSSEN ist (empirisches) Wirklichsein das »durch die Sinne vorgestellt werden können« (Elem. d. Met. § 76). K. LASSWITZ versteht unter objektiver Wirklichkeit den »Komplex räumlich- zeitlicher Empfindungen, welcher einer gesetzlichen Bestimmbarkeit unterliegt« (Gesch. d. Atomist. I, 80). Aber »der Bewußtseinsinhalt eines Ich, eines Individuums, ist niemals der Weltinhalt, sondern nur ein mangelhaft bestimmbares Bruchstück des Ganzen« (Wirkl. S. 137). Die Natur ist nicht die einzige Realität, es gibt Bedingungen anderer Wirklichkeiten, einer sittlichen Welt, einer »Welt der Werte« (Relig. u. Naturwiss. S. 13 ff.). Ferner: »Die Natur ist allerdings eine selbständige Realität in Raum und Zeit, aber diese Realität besteht in Gesetzen, die nicht wieder aus Raum und Zeit stammen, sondern es erst ermöglichen, daß wir sie in Raum und Zeit als wirksam auffinden« (l. c. S. 13). Nach FR. SCHULTZE ist Subjektiv-wirklich »alles Erfahrene, d.h. alles in Zeit, Raum und kausaler Verknüpfung Empfundene« (Philos. d. Nat. II, 345). Objektiv-wirklich (wahr) ist »dasjenige, welches in Übereinstimmung mit den Grundsätzen des kritischen Empirismus und insofern streng wissenschaftlich bewiesen werden kann und die Möglichkeit jedes Zweifels ausschließt« (l. c. S. 345). Nach E. KOENIG ist objektive Wirklichkeit ein beständig sich modifizierender Bewußtseinsinhalt, die volle, wahre Wirklichkeit ist ein Idealbegriff (Üb. d. letzten Fragen d. Erk., Zeitschr. f. Philos. 103. Bd., 59). Nach HUSSERL bedeutet »wirklich« nicht außerbewußt, sondern »nicht bloß vermeintlich« (Log. Unters. II, 715). - Nach M. KAUFFMANN ist Wirklichkeit »Vorhandensein in der anschaulichen Welt« (Fund. d. Erk. S. 28). Nach SCHUPPE ist das Wirkliche »der mit Qualitäten erfüllte Raum- und Zeitteil« (Zeitsehr. f. imman. Philos. I, 42). Zunächst ist das Wirkliche »die Sinneswahrnehmung, d. i der räumlich-zeitliche Wahrnehmungsinhalt selbst, nichts Übersinnliches, was ihr oder ihm als bloßem Scheine zugrunde läge« (Log. S. 34). »Der Gegensatz des bloßen Gedankendinges zum Wirklichen ist falsch. nur das Phantasieprodukt stände in diesem Gegensatz zum Wirklichen, Das Abstrakte ist Bestandteil des Wirklichen« (l. c. S. 92). »Wirklich (sc. objektiv) ist nichts, was nicht in den Zusammenhang des Weltganzen paßt« (l. c. S. 173).
Ale wahre Wirklichkeit bestimmen Spiritualisten (s. d.) und objektive Idealisten (s. d.) den Geist, das Geistesleben. So ist nach G. CLASS das Geistesleben (im Unterschiede auch vom bloß Psychischen) das wahrhaft Seiende (Unters. zur Phänomenol. u. Ontolog. des menschl. Geist. 1896). Ähnlich lehrt R. EUCKEN. Wirklichkeit ist ein Produkt des Tuns (Kampf um ein. geist. Lebensinh. S. 49 ff.), ist, absolut, Geistesleben (ib.). Das absolute geistige Leben »muß bei sich selbst stehen und aus sich selbst ein Sein entwickeln, in sich selbst Sein tragen und damit ein Bei-sich-selbst-sein werden« (Warheitsgeh. d. Relig. S. 182). Nach H. MÜNSTERBERG ist die absolute Wirklichkeit mehr als ein System physischer und psychischer Objekte, nämlich ein System von Absichten, Zwecken, »Selbststellungen« (Grdz. d. Psychol. I, 14 ff.). Als geistig bestimmen die absolute Wirklichkeit in verschiedener Weise E. v. HARTMANN, WUNDT, J. BERGMANN, L. BUSSE, RENOUVIER, BOSTRÖM, BRADLEY, GREEN u. a. (g. Spiritualismus, Idealismus). Nach BBADLEY ist das Wirkliche (»the real«) »self-existent, individual«, die Begriffe (»ideas«) hingegen sind »general and adjectival«. »No idea can be real.« Das »particular phenomenon, the momentary appearence, is not individual, and is not the Subjekt which we use in judgment« (Log. I, 2, § 4 ff., § 10). - Als das einzige Wirkliche in der physischen Welt betrachtet OSTWALD die Energie (Energet.2, S. 41). - Vgl. BRANISS, Syst. d. Met. S. 286 ff. - Vgl. Realität, Objekt, Sein, Wahrheit, Realismus, Idealismus, Spiritualismus, Materialismus, Monismus, Dualismus, Identitätslehre, Erscheinung, Ding an sich, Positivismus.