Ich - Descartes, Spinoza, Hume, Kant
Als geistige Wesenheit, als Träger des Denkens besonders erscheint das Ich bei PLATO, ARISTOTELES, PLOTIN, bei denen wir Ansätze zu einer Lehre vom Selbstbewußtsein (s. d.) finden. Die Stoiker beziehen das »Ich« auf das hêgemonikon (s. d.) houtô de kai to egô legomen kata touto (hêgem.) deiknyontes; (Galen., De plac. Hipp. et Plut. V, 215 k).
CICERO betont: »Neque nos corpora sumus«, »ab animo tuo quidquid agitur, id agitur a te« (Tuscul. disput. I, 22, § 52). - Nach AUGUSTINUS ist das Ich die Seele selbst (De trin. X, 10). So auch die Scholastiker.
DESCARTES betont die Immaterialität des Ich, es ist das Subjekt des Denkens, die »res cogitans«, die sich aus dem »cogito, ergo sum« ergibt (Medit. II u. III). Das »ego« ist »mens«, denn nur das Denken kann vom Ich nicht abstrahiert werden. »Examinantes enim, quinam simus nos, qui omnia, quae a nobis diversa sunt, supponimus falsa esse, perspicue videmus, nullam extensionem, nec figuram, nec motum localem, nec quid simile, quod corpori tribuendum, ad naturam nostram pertinere, sed cogitationem solam« (Princ. philos. I, 7). GEULINCX erklärt: »Corpus meum pars huius mundi. Ego vero minime pars huius mundi sum, utpote qui sensum omnem fugiam, qui nec videri ipse, nec audiri, nec manu tentari possim. Haec omnia in corpore meo sistunt, nihil horum ad me neque permeat; ego speciem omnem excedo. Ego sola cognitione volitioneque definior« (Eth. annot. p. 204). »Ego non facio id, quod, quomodo fiat, nescio« (l.c. p. 205). SPINOZA identifiziert das Ich mit dem Intellekte (»mens«), betrachtet es aber nicht als Einzelsubstanz, sondern als modus (s. d.) der Gott-Natur (vgl. Selbstbewußtsein). LOCKE versteht unter dem Ich ein denkendes, vernünftiges Wesen, das sich als sich selbst und als dasselbe Wesen auffassen kann (Ess. II, ch. 27, § 9 f.). Das Ich besteht in dem stetigen, mit sich identischen Bewußtsein selbst (l.c. § 25), so daß es für dieses gleichgültig ist, ob ihm eine oder mehrere Substanzen zugrundeliegen (l.c. §16 f.). LEIBNIZ unterscheidet die reale, physische von der persönlichen, bewußten Identität des Ich (Nouv. Ess. II, ch. 27, § 19). Die Ichheit als Für-sich-sein, Innerlichkeit kommt allen Wesen (Monaden, s. d.) zu. BERKELEY faßt das Ich als rein geistige, aktive Substanz auf (Princ. XXVII). Nach BONNET ist das Ich eine »modification de l'âme, et cette modification n'est que l'âme elle-même existant dans un certain état« (Ess. C. 38). - Nach CONDILLAC ist das Ich (der fingierten »Statue«) »tout à la fois la conscience de ce qu'elle est et le souvenir de ce qu'elle a été«(Trait. d. sensat. I, ch. 6, § 3). Das Ich eignet nur einem Wesen, »qui remarque que dans le moment présent il n'est plus ce qu'il a été. Tant qu'il ne change point, il existe sans aucun retour sur lui-même: mais aussitôt qu'il change, il juge qu'il est le même qui a été auparavant de telle manière, et il dit moi« (l.c. § 2). Das Ich des Wahrnehmenden ist nur eine »collection« von Empfindungen und Erinnerungsvorstellungen (l.c. 1, ch. 6, § 3). HUME setzt Ich und Seele gleich (Treat. IV, sct. 6) und hebt die Substantialität desselben ganz auf. Das Ich trifft sich niemals ohne Perzeption an und findet sich stets nur in Perzeptionen. Es ist nur ein »bundle or collection« »verschiedener Perzeptionen, die einander mit unbegreiflicher Schnelligkeit folgen und beständig in Fluß und Bewegung sind« (l.c. S. 327).
Die aktuale Auffassung des Ich tritt bei KANT wieder auf, aber in einer andern Form, die der Aktivität und synthetischen Einheit des Ichbewußtseins mehr Rechnung tragt. Die metaphysische Einfachheit und Substantialität des Ich wird bestritten, die Einheit des Subjekts aber betont. Das »Ich bin einfach« ist nur »ein unmittelbarer Ausdruck der Apperzeption«, der Bewußtseinstätigkeit selbst (Krit. d. r Vern. S. 302). Es bedeutet, daß die Vorstellung »Ich« »nicht die mindeste Mannigfaltigkeit in sich fasse und daß sie absolute (obzwar bloß logische) Einheit sei« (l.c. S. 303). »So viel ist gewiß: daß ich mir durch das Ich jederzeit eine absolute, aber logische Einheit des Subjekts (Einfachheit) gedenke, aber nicht, daß ich dadurch die wirkliche Einfachheit meines Subjekts erkenne« (ib.). Das Ich ist nicht das »Ding an sich« (s. d.), es ist Erscheinung, weil es der Form des inneren Sinnes (s. d.) unterliegt, jedenfalls aber ist es nicht körperlich (l.c. S. 304). Das durch den innern Sinn erfaßte (Vorstellungs-) Ich ist das »empirische« Ich, von dem das »reine«, »transzendentale« Ich der reinen Apperzeption (s. d.), das »Ich denke«, das alle Vorstellungen als Einheitspunkt begleiten muß können, die Ichheit, die reine Synthesis (s. d.) zu unterscheiden ist (l.c. S. 675). Das reine Ich ist ein Begriff, ein Abstraktum, es bezeichnet das Subjekt der Gedanken, das Korrelat der Apperzeption (WW. IV, 438). »Ich bin mir meiner selbst bewußt, ist ein Gedanke, der schon ein zwiefaches Ich enthält, das Ich als Subjekt und das Ich als Objekt.« »Von dem Ich in der erstern Bedeutung (dem Subjekt der Apperzeption), dem logischen Ich, als Vorstellung a priori, ist schlechterdings nichts weiter zu erkennen möglich, was es für ein Wesen, und von welcher Naturbeschaffenheit es sei; es ist gleichsam, wie das Substantiale, was übrigbleibt, wenn ich alle Akzidenzen, die ihm inhärieren, weggelassen habe, das aber schlechterdings gar nicht weiter erkannt werden kann, weil die Akzidenzen gerade das waren, woran ich seine Natur erkennen konnte.« »Das Ich aber in der zweiten Bedeutung (als Subjekt der Perzeption), das psychologische Ich, als empirisches Bewußtsein, ist mannigfacher Erkenntnis fähig.« Das empirische Ich ist Erscheinung; das logische Ich zeigt das Subjekt an, wie es an sich ist, im reinen Bewußtsein, als reine Spontaneität, ist aber keiner Erkenntnis fähig (Üb. d. Fortschr. d. Metaph. S. 109 f.). - REINHOLD versteht unter dem (empirischen) Ich »das vorstellende Subjekt, inwiefern es Objekt des Bewußtseins ist« (Vers. e. neuen Theor. II, 336). Nach S. MAIMON ist das Ich die »Einheit des Bewußtseins«, das im Verhältnis zu den wechselnden Vorstellungen Beharrliche (Vers. üb. d. Transc. S. 157). Nach KRUG kann man mir vom empirischen Ich die Existenz aussagen. »Dem reinen Ich hingegen kann das Prädikat des realen Seins nicht beigelegt werden, weil es kein reales Ding, sondern ein bloßer Begriff, ein Gedankending ist. Denn man denkt es nur dadurch, daß man von seinen empirischen Bestimmungen abstrahiert und bloß auf die ursprünglichen reflectiert. Das reine Ich ist also nichts anderes als der Inbegriff des ursprünglichen oder Transzendentalen in mir, was ich als den Grund alles Empirischen in mir denke« (Fundam. S. 143). Später jedoch erklärt er: »Die Urbestimmungen des Ich sind die wesentlichen, allgemeinen und notwendigen Elemente der menschlichen Natur; sie machen unser Wesen aus... und müssen daher bei allen Menschen auf gleiche Weise angetroffen werden. In ihnen muß unsere ursprüngliche Einrichtung oder Anlage... bestehen. Ihr Inbegriff heißt auch das reine oder absolute Ich.« Dieses ist nichts anderes als die reine Menschheit selbst im Individuum, etwas Reales, das sich unter der Hülle des Empirischen offenbart (Handb. d. Philos. I, 53).