Idealismus - metaphysisch, erkenntnistheoretisch
Der metaphysische Idealismus tritt (noch in unreiner Form) auf bei HERAKLIT (s. Logos). Dann als Lehre von den wahrhaft seienden Ideen (s. d.) bei PLATO, für den die Dinge nur »Nachahmungen« und Schattenbilder geistiger (aber nicht individueller) Wesenheiten sind. Zugleich begründet Plato den ethischen Idealismus, da er die Idee des Guten (s. d.) als das Höchste, das Überseiende bestimmt. Idealistische Elemente finden sich auch in den Lehren des ARISTOTELES (s. Form) und der Stoiker (s. Pneuma). Ausgesprochen ist der Idealismus bei PLOTIN, für welchen die Körperwelt eine (Emanation und) Erscheinung der intelligiblen Welt (kosmos noêtos), der Welt der Ideen (s. d.) bedeutet. In der Scholastik macht sich ein Idealismus geltend, für welchen im göttlichen Geiste Ideen (s. d.) als Urbilder alles Seins bestehen. In dem »intellectus infinitus« des SPINOZA, von dem alle Dinge modi sind, haben wir ein idealistisches Element. Bei MALEBRANCHE, BROOKE (vgl. FREUDENTHAL im Arch. f. Gesch. d. Philos. VI, 19l ff., 380 ff.), englischen Platonikern (H. MORE, CUDWORTH), LEIBNIZ, BERKELEY findet sich ein spiritualistischer Idealismus, der die wahre Realität in eine Welt von Geistern setzt.
Bei J. G. FICHTE verquickt sich der metaphysische mit dem erkenntnistheoretischen Idealismus, indem Fichte alle Realität in das Ich (s. d.) verlegt. Einen objektiven Idealismus, nach welchem Innenund Außenwelt die beiden Pole einer (über-) geistigen Einheit, des Absoluten, sind, begründet SCHELLING. Den »absoluten« Idealismus vertritt HEGEL, d.h. die Ansicht, daß die endlichen Einzeldinge nur Momente, Erscheinungen des allgemein-konkreten, absoluten Seins, der Weltvernunft sind (»Panlogismus«). Dieser Idealismus besteht also »in der Bestimmung, daß die Wahrheit der Dinge ist, daß sie als solche unmittelbar einzelne, d. i. sinnliche, nur Schein, Erscheinung sind« (Naturphilos. S. 16). Einen voluntaristischen (s. d.) Idealismus begründet SCHOPENHAUER, die absolute Realität liegt allein im Willen (s. d.). E. v. HARTMANN verlegt sie ins »Unbewußte« (s. d.). Geistige Kräfte als wahre Seinsfaktoren nehmen in verschiedener Weise an: SCHLEIERMACHER, BENEKE, CHR. KRAUSE, J. H. FICHTE, ULRICI, FECHNER, PAULSEN, K. LASSWITZ, LOTZE (»teleologischer« Idealismus), M. CARRIERE, R. HAMERLING, BAHNSEN, KIRCHNER, L. BUSSE, R. EUCKEN (Kampf um einen geist. Lebensinh. S. IV, 31 ff.), WUNDT, ferner RENOUVIER, RAVAISSON, CARYLE (Sartor Resart.), COLLYNS, GREEN, FERRIER (Works 1875), nach welchem wahrhaft nur »Geister zugleich mit den Inhalten ihrer Vorstellungen existieren«, CLIFFORD, ROMANES, BOSTRÖM (»rationeller Idealismus«) EMERSON u. a.
Der erkenntnistheoretische Idealismus tritt schon in den Upanishads auf (DEUSSEN, Allg. Gesch. d. Philos. I 2, 147). Es wird hier gelehrt, »daß diese ganze räumliche, folglich vieleinheitliche, folglich egoistische Weltordnung nur beruht auf einer uns durch die Beschaffenheit unseres Intellektes eingeborenen Illusion (mâyâ), daß es in Wahrheit nur ein ewiges, über Raum und Zeit, Vielheit und Werden erhabenes Wesen gibt, welches in allen Gestalten der Natur zur Erscheinung kommt, und welches ich, ganz und ungeteilt, in meinem Innern als mein eigentliches Selbst, als den Âtman fühle und finde« (DEUSSEN, Sechzig Upanish. des Veda, Vorr. S. X). Idealistisch- Subjektivistische Elemente finden sich bei HERAKLIT, den Eleaten, bei DEMOKRIT, den Sophisten (PROTAGORAS, HIPPIAS), bei den Kynikern, bei PLATO, bei den Skeptikern, bei PLOTIN, SCOTUS ERIUGENA, unter den Scholastikern bei WILHELM VON OCCAM (s. Qualitäten).
Die Möglichkeit der bloß ideellen Existenz der Außenwelt spricht (aber nur in methodischer Hinsicht) DESCARTES aus (Medit. I u. II). So meint auch MALEBRANCHE, die Sensationen »pourraient subsister, sans qu'il y eut aucun objet hors de nous« (Rech. I, 1). Wir erkennen die Dinge durch ihre Ideen (s. d.) in Gott. Nach LEIBNIZ ist die Körperwelt nur eine »verworrene« Vorstellung einer an sich geistigen Welt (s. Monaden). Idealistische Elemente bei GALILEI, HOBBES, LOCKE (s. Qualität). Die bloß vorstellungsmäßige Existenz der Objekte (s. d.) behauptet A. COLLIER. So auch BERKELEY Alles Sein ist Perzipiertsein (»esse = percipi«, Princ. II, IX). Nach HUME lehrt die Philosophie, daß alles, was sich dem Geiste darstellt, »lediglich eine Perzeption, also in seinem Dasein unterbrochen und vom Geist abhängig ist« (Treat. IV, sct. 6).