Identität - Antike, Scholastik, Neuzeit
STILPO und ANTISTHENES erkennen logisch nur Identitätsurteile (s. d.) an. Als Grundbegriffe kommen das tauton und heteron bei PLATO vor (Theaet. 185 A, 186 A; Parmen. 139 D). Den Begriff der Identität bestimmt ARISTOTELES: hê tautotês henotês tis estin ê pleionôn tou einai, ê hotan chrêtai hôs pleiosin, hoion hotan legê auto hautô tauton (Met. V 9, 1018 a 7). Es gibt numerische (kat' arithmon) und generische (tô eidei) sowie akzidentielle (kata symbebêkos) Identität (Met. X 3, 1054 a 32; X 8, 1058 a 18; VII 11, 1037 b 7).
»Identitas« im Sinne vontautotês schon bei PETRUS HISPANUS (PRANTL, G. d. L. III, 53). THOMAS bemerkt: »Ibi possumus identitatem dicere, ubi diferentia non invenitur« (4 phys. 230). Zu unterscheiden ist »identitas absoluta«, »id. naturae, realis«. DUNS SCOTUS: »Voco... identitatem formalem, ubi illud, quod sic dicitur idem, includit illud, cui sic est idem, in ratione sua formali« (In 1. sent. I, d. 2, qu. 71. Nach GOCLEN ist Identität »convenientia unius entis cum alio orta ex unitate alicuius tertii« Es gibt »identitas realis«, »id. rationis« (Lex. philos. p. 212). MICRAELIUS bemerkt: »Identitas est convenientia in aliquo, quando nempe res vel ad se ipsam refertur, vel ad aliam.« Es gibt: »identitas rationis - realis - primaria - secundaria - ordinaria - extraordinaria - intrinseca - extrinseca - numerica - specifica - causalis - subiectiva - generica« (Lex. philos. p. 510 f.). NICOLAUS CUSANUS spricht von der »identitas absoluta« des »maximum« und »minimum« in Gott (De vis. Dei 13).
LOCKE betont: »It is the first act of the mind, when it has any sentiment or ideas at all, to perceive its ideas, and so far as it perceives them, to know each what it is« (Ess. IV, ch. 7, § 2). »Wird ein Ding als daseiend zu einer bestimmten Zeit und an einem bestimmten Ort aufgefaßt, so vergleicht man es mit sich selbst zu einer andern Zeit und an einem anderen Ort und bildet danach die Vorstellungen der Dieselbigkeit und Verschiedenheit.« »Es besteht also die Dieselbigkeit dann, trenn die als dieselben erklärten Vorstellungen sich durchaus nicht von dem unterscheiden, was sie in dem Augenblick waren, wo man ihr früheres Sein betrachtet und womit man ihr gegenwärtiges vergleicht. Denn man bemerkt niemals und kann es sich nicht als möglich vorstellen, daß zwei Dinge derselben Art an demselben Orte zu derselben Zeit bestehen sollen« (l.c. II, ch. 27, § 1). Die Identität des Menschen besteht in der Teilnahme an demselben fortgesetzten Leben (l.c. § 6). Im Selbstbewußtsein (s. d.) selbst besteht die persönliche Identität (l.c. § 9, 16). Nach LEIBNIZ bekundet sich im Selbstbewußtsein eine reale und zugleich eine moralische persönliche Identität (Nouv. Ess. II, ch. 27, § 9). HUME erklärt: »Wir können uns eine deutliche Vorstellung davon machen, daß ein Gegenstand, während die Zeit sich ändert, unverändert und ununterbrochen derselbe bleibt. Diese Vorstellung bezeichnen wir als Vorstellung der Identität oder Selbigkeit (sameness)« (Treat. IV, set. 6, S. 328). Sie ist eine Art der Relation (l.c. I, sct. 6, S. 26). »Genau genommen ist nicht ein Gegenstand mit sich selbst identisch..., es sei denn, daß wir darmit sagen wollen, der Gegenstand, als in einem Zeitpunkt existierender, sei identisch mit sich selber, als in einem andern Zeitpunkt existierender« (l.c. IV, sct. 2, S. 268). Es besteht aber ein »Widerstreit zwischen dem Gedanken der Identität ähnlicher Wahrnehmungen und der tatsächlichen Unterbrechung in ihrem Auftreten« (l.c. S. 273). »Da... die Einbildungskraft leicht eine Vorstellung für eine andere nimmt, wenn die Wirkung beider auf den Geist eine ähnliche ist, so ergibt sich, daß jede derartige Aufeinanderfolge miteinander in assoziativer Beziehung stehender Eigenschaften leicht als ein dauernder Gegenstand angesehen werden wird, der unverändert derselbe bleibt« (l.c. sct. 3, S. 289). Wir schreiben dem Gegenstand wegen der Kontinuität der Perzeption dauernde Existenz und Identität zu (l.c. sct. 6, S. 332).
Kurz, die Identität ist nichts Objektives, sondern psychologisch bedingt, »lediglich eine Bestimmung, die wir ihnen [den Perzeptionen] zuschreiben auf Grund der Verbindung, in die die Vorstellungen derselben in unserer Einbildungskraft geraten, dann, wenn wir über sie reflectieren« (l.c. S. 336). Die Vorstellung der persönlichen Identität folgt »aus dem ungehemmten und ununterbrochenen Fortgang des Vorstellens beim Vollzug einer Folge miteinander verknüpfter Vorstellungen« (l.c. S. 336). Nach TH. BROWN beruht die »mental identity« auf einer Überzeugung (»belief«). CHR. WOLF bestimmt: »Eadem dicuntur, quae sibi invicem substitui possunt salvo quocunqe praedicato« (Ontol. § 181).