Idee - Herbart, Fichte, Schelling


HERBART unterscheidet fünf »ästhetische« (s. d.) und praktische Ideen, die aus »ästhetischen« oder Geschmacksurteilen über »Willensverhältnisse« entspringen (WW. Kehrb. II, 352): 1) Idee der inneren Freiheit (l.c. IV, 118 f.); 2) Idee der Vollkommenheit (l.c. IV, 119; II, 358 f.); 13) Idee des Wohlwollens (l.c. II, 362 f.); 4) Idee des Rechts (l.c. IV, 120); 5) Idee der Billigkeit (Encyclop. d. Philos. S. 47: abgeleitete Ideen: beseelte Gesellschaft, Kultursystem, Verwaltungssystem, Rechtsgesellschaft, Lohnsystem). Nach ALLIHN sind die sittlichen Ideen »die einfachsten Musterbilder des sittlichen Wollens, nach dem jedes wirkliche Wollen seine Beurteilung nach absolutem Wert oder Unwert findet« (Gr. d. allgem. Eth. S. 211 ff.; vgl. HARTENSTEIN, Eth. Grundbegr. S. 234 ff.). Nach WAITZ sind Ideen »Vorstellungsweisen, welche dazu dienen, größeren Gedankenkreisen zu der Einheit, zu dem Abschluß und Zusammenhang zu verhelfen, die ihnen noch abgehen« (Lehrb. d. Psychol. S. 609). Die Ideen sind Objekte des Glaubens, bestimmt zur Versöhnung unseres inneren Lebens mit der Wirklichkeit (l.c. S. 617). - Als »fundamental ideas« bezeichnet WHEWELL die logischen Grundanschauungen. Nach LOTZE sind die Ideen »creative Gedanken«, »allgemeine Begriffe von objektiver Gültigkeit« (Log. S. 562; s. unten). UNOLD betrachtet die sittlichen Ideen als Produkte der praktischen Vernunft, indem diese »die sittlichen Gefühle und Triebe in die Sphäre des Denkens erhebt und dadurch umfassende praktische Begriffe bildet, die wegen des starken Gefühlstones und der engen Beziehung zu den Bedürfnissen des menschlichen Lebens bald unbewußt, keim- und triebartig, bald bewußt, als Imperative, zur Verwirklichung und zum Handeln drängen« (Gr. d. Eth. S. 224). Nach C. STANGE entstehen die Ideen des Sittlichen als unwillkürliche Produkte der Vernunft, unabhängig vom Subjekt, als transsubjektive Faktoren (Einl. in d. Eth. II, 140 ff.). Über die ästhetische Idee bemerkt WUNDT: »Wo der Gegenstand zusammengesetzter ist, da gibt derselbe zu einer Reihe miteinander verbundener Vorstellungen Anlaß, die sich in der Form eines zusammenhängenden Gedankens aussprechen lassen. Dies ist es, was man in der geläufigen Regel auszudrücken pflegt, daß der ästhetische Gegenstand Träger einer Idee sein müsse« (Grdz. d. physiol. Psychol. II4, 250). Der ästhetische Gegenstand ist Wirklichkeit und Idee zugleich; die Idee liegt latent im Objekt und erhält im Kunstschaffenden und Genießenden lebendige Wirklichkeit. Die Ideen werden in der Form des phantasiemäßigen Denkens nachgedacht (Syst. d. Philos.2, S. 683 ff.).

Als Gedanke des Grundes, des Wesenhaften, Übersinnlichen, als Vernunftbegriff gilt die Idee bei HERMES (Phil. Einl. § 28 f.), auch bei GÜNTHER (Vorsch. I, 236; II, 541). SUABEDISSEN versteht unter der Idee den »Wesensgedanken«, »Grundbegriff« eines Dinges, einer Gattung (Grdzg. d. Lehre von d. Mensch. S. 126). Die Ideen sind zugleich die Begriffe des »ursprünglichen Strebens und Zweckes« der Dinge, die »ursprünglichen Daseinskräfte und Daseinswillen« (l.c. S. 162). HILLEBRAND versteht unter Idee das reine Denken des Seins (Philos. d. Geist. I, 40), mit welchem die Objektivität des Seins zugleich mitgesetzt ist (ib.). Idee ist »der Begriff, in dem konkreten Bewußtsein seiner absoluten Positivität« (l.c. I, 207). Die Ideen vergegenwärtigen »die ewige und höhere Wesenheit der natürlichen Dinge«. »In der Idee wird... die absolute Identität des Allgemeinen und seiner unendlichen konkreten Bestimmtheit... gewissermaßen individualisiert« (ib.).

Eine weitere Reihe von Philosophen (und Historikern) erblickt in den Ideen hauptsächlich objektive Wesenheiten, geistig wirksame Kräfte, wesenhafte, produktive Gedanken der göttlichen Vernunft, die in der Welt zur Wirkung, in der Geschichte, im Menschen zum Bewußtsein gelangen. In den Ideen liegt der vernünftige Sinn, die logisch-teleologische Gesetzmäßigkeit des Alls.

Nach J. G. FICHTE tritt die eine Idee in verschiedenen Formen auf (Gr. d. gegenwärt. Zeitalt. 1806, S. 122 f.). Das apriorische, schöpferische Reich der Ideen bekundet sich besonders in der Geschichte (l.c. S. 267). Idee ist die Weise, wie das Leben der Gattung in das Bewußtsein eintritt (l.c. S. 141). Sie ist ein »selbständiger, in sich lebendiger und die Materie belebender Gedanke« (l.c. S. 11). »Alles Leben in der Materie ist Ausdruck der Idee« (l.c. S. 116). Nach SCHELLING ist die Idee der Begriff als die unendliche Bejahung von Sein. Sie ist nicht außer dem Besonderen. »In jeder Kreatur und Bildung ist das eigentlich Lebende eine ewig geborene Idee, von der Anfang und Ende eines jeden Dinges selbst die bloß scheinbar getrennten Momente sind« (Jahrb. d. Medic. I, H. 1, S. 34; H. 2, S. 31; II, H. 2, S. 142). Die Ideen sind »Synthesen der absoluten Identität des Allgemeinen und Besonderen« (Naturphilos. S. 75). Durch die Ideen sind die Dinge »wahrhaft und innerlich ein Wesen« (l.c. S. 76). Später betrachtet Schelling die Ideen als zwischen Gott und den Einzeldingen vermittelnde Einheiten (Vorles. üb. d. Method. d. akadem. Stud.3, S. 98). Die Ideen sind »die einzigen Mittel, wodurch die besonderen Dinge in Gott sein können«. Gleich Gott sind sie »productiv und wirken nach demselben Gesetze und auf die gleiche Weise, indem sie ihre Wesenheit in das Besondere bilden... Die Ideen verhalten sich als die Seelen der Dinge« (l.c. 11, S. 240 f.). Die Ideen sind »die Wesenheiten der Dinge als gegründet in der Ewigkeit Gottes« (WW. I 6, 183). OERSTED erklärt: »Das, uns einem Dinge seine beständige Eigentümlichkeit, sein Wesen gibt, ist nur... die Gesamtheit der Naturgesetze, wodurch es hervorgebracht ist und sich erhält; aber die Naturgesetze sind Naturgedanken; der Dinge Wesen beruht also auf den Naturgedanken, welche sich darin ausdrücken. Insoweit etwas ein in sich zusammenhaltendes Wesen sein soll, müssen alle Naturgedanken, welche darin ausgedrückt sind, in einem Wesensgedanken sich vereinigen, welche darin dessen Idee nennen. Das Wesen eines Dinges ist also dessen lebende Idee« (Das Geistige in dem Körperlichen S. 3,). Nach ESCHENMAYER sind die Ideen »keine Verstandesdinge, die wir in den einzelnen Dingen wahrnehmen und absondern, wie Allgemeinbegriffe«, sondern »Urtypen, die vor allem Einzelnen und Wirklichen bestanden haben und die das Einzelne, wirkliche beseelen und ihm ihr Wesen leihen«. »Das Urbild der Kugel hat von jeher bestanden...« (Psychol. S. 15). In den Dingen spiegelt sich die Idee ab, sie ist »das beständige Integral, was die Erscheinungen zu einem Ganzen zusammenhält; sie ist das Gesetz, dem alle weltlichen Kräfte in ihren Richtungen folgen« (l.c. 13. 400). Die Natur ist ein Reflex der Idee (l.c. S. 394). Wichtig ist die »Triplicität« der Ideen: Wahrheit, Schönheit, Tugend (l.c. S. 394). Indem die Ideen »eine verschiedene Dignität gegeneinander« behaupten, erhalten wir, da jede für sich unendlich ist, verschiedene Ordnungen des Unendlichen (l.c. S. 401 ff.). Nach WAGNER setzt die Vernunft (mit der Phantasie) Ideen da, wo sie »Totalität in einer Einzelheit« setzt (Syst. d. Idealphilos. 1804, S. 46). »Aller Zwecke Realität ist in den Ideen« (l.c. S. 109). Die Ideen sind real, treibende Kräfte (l.c. S. 48). Die »Idee der Ideen« ist Gott (l.c. S. S9). CHR. KRAUSE versteht unter Idee: 1) einen Musterbegriff, 2) die »Grundidee« im objektiven Sinne (Vorles. S. 143 ff.). Über SUABEDISSEN s. oben.


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