Erkenntnis - Fichte, Schelling, Hegel
J. G. FICHTE leitet alle Erkenntnis aus der Tätigkeit des Ich (s. d.) ab. Dieses produziert Form und Stoff der Erkenntnis und macht sich sein Producieren stufenweise bewußt, zum objektiven Inhalt. So auch SCHELLING in seiner ersten Periode, später betont er immer mehr das überindividuelle, transsubjektive Sein des Absoluten, das durch intellectuale Anschauung (s. d.) erfaßt wird. »Das meiste Erkennen ist eigentlich ein Wiedererkennen« (WW. II 3, 5S). »Unter der Erkenntnis a priori wird ein Begriff verstanden, der ohne andere als ideale Beziehung auf das Objekt als wahr befunden wird« (WW. I 6, 512). »Absolute« Erkenntnis ist »Vernunfterkenntnis« »Erkenntnis der Dinge als ewiger« (l.c. S. 531). Das Wissen beruht auf der »Übereinstimmung eines Objektiven mit einem Subjektiven« (Syst. d. tr. Ideal. S. 1). Vom »bedingten« Wissen (Vom Ich S. 5) ist das »absolute« als jenes Wissen zu unterscheiden, »worin das subjektive und Objektive nicht als Entgegengesetzte vereinigt, sondern worin was ganze subjektive das ganze Objektive und umgekehrt ist« (Naturphilos. I, 71). »Nicht ich weiß, sondern nur das All weiß in mir, wenn das Wissen, das ich das meinige nenne, ein wirkliches, ein wahres Wissen ist« (WW. I 6, 140). Erkennendes und Erkanntes müssen gleichartig sein. »Eine und dieselbe Ursache bringt an dem bloß erkennbaren Teil der Welt das Erkennbarsein, an dem erkennenden Teil das Erkennen hervor. Alles, was ein Erkennbares ist, muß selbst schon das Gepräge des Erkennenden, d.h. des Verstandes, der Intelligenz an sich tragen, wenn es auch nicht das Erkennende selbst ist« (Darstell. d. philos. Empir. WW. I 10, 237). HEGEL leitet die Erkenntnis aus der dialektischen (s. d.) Selbstbewegung des (reinen) Denkens ab. Erkennen ist ihm ein Zusichselbstkommen des Absoluten. Das notwendig Gedachte ist Erkenntnis, trifft mit dem Wesen der Dinge zusammen. »Die Intelligenz findet sich bestimmt; dies ist ihr Schein, von dem sie in ihrer Unmittelbarkeit ausgeht, als Wissen aber ist sie dies, das Gefundene als ihr Eigenes zu setzen. Ihre Tätigkeit hat es mit der leeren Form zu tun, die Vernunft zu finden, und ihr Zweck ist, daß ihr Begriff für sie sei, d. i. für sich Vernunft zu sein, womit in einen der Inhalt für sie vernünftig wird. Diese Tätigkeit ist Erkennen« (Encykl. § 445). SCHLEIERMACHER setzt die Erkenntnis in die Bearbeitung des Erfahrungsmaterials durch das Denken, wodurch eine Übereinstimmung (ein Parallelismus) mit dem Sein erzielt wird. Ideales und Reales »laufen parallel nebeneinander fort als Modi des Seins« (ohne »identisch« zu sein; Dialekt. S. 75). Wissen ist »das Denken, welches a. vorgestellt wird mit der Notwendigkeit, daß es von allen Denkfähigen auf dieselbe Weise produziert werde, und welches b. vorgestellt wird als einem Sein, dem. darin gedachten, entsprechend« (l.c. S. 43). Wissen ist das Denken, welches »in der Identität der denkenden Subjekte gegründet ist« (l.c. S. 48), »was alle Denkenden auf dieselbe Weise construieren können, und was dem Gedachten entspricht« (l.c. S. 315). TRENDELENBURG sieht die Möglichkeit der Erkenntnis darin, daß sie in der »Bewegung« (s. d.) ein mit dem Sein gemeinsames Element besitze (Log. Unt. I2, 136). Das Erkennen schafft ein ideales »Gegenbild« des (parallel gehenden) Realen (l.c. S. 358). Nach BOLZANO ist Erkenntnis »jedes Urteil, das einen wahren Satz enthält, oder... der Wahrheit gemäß oder richtig ist« (Wiss. I, 163). CHR. KRAUSE bestimmt: »Erkennen, oder besser Schauen, ist... Vereinwesenheit des Selbwesenlichen als des Zuerkennenden mit dem erkennenden Wesen, als Selbwesenlichem, in letzterem« (Log. S. 71). Nach HEINROTH ist das Erkennen ein Sehen, ein Wahrnehmen, Empfangen der Wahrheit oder Einheit, ein Einswerden des Gegenstandes mit uns selbst (Psychol. S. 61, 95). Nach F. BAADER ist das Erkennen ein » Durchund Eindringen«, ein »Umgreifen«, »Bilden und Gestalten, folglich ein gestaltempfangendes Erhobenwerden des so Durchdrungenen in das Ein- und Durchdringende und von ihm«. Der Erkenntnistrieb ist organischer Bildungstrieb, er geht auf geistige Zeugung, auf »ideale Formation« (WW. I 1, 39 ff., 42 f., 314). Kein wahres Erkennen ist »affectlos«. Das Erkennen ist »ein Ergründen und Begründen und zugleich ein Be- und Umgreifen, d. i. ein Gestalten des Erkannten« (WW. I, 51 f.). Es gibt ein mechanisches, äußeres, figürliches, dynamisches, lebendiges, inneres, wesentliches Erkennen. Jeder Geist »forschet nur seine eigene Tiefe« (l.c. S. 52). »Das Gestaltende gestaltet sich nur sich selbst im Gestalteten und spiegelt sich in ihm, bildet sich in ihm für uns ab« (l.c. S. 53). Alles Erkennen geht vom Glauben aus (l.c. S. 238). GÜNTHER: »Die Begriffe können im Verhältnis, das sie schon untereinander im Geiste haben, betrachtet werden, und dies ist das formale oder logische Denken; sie können aber auch im Verhältnis zur äußeren Natur neben dem Geiste betrachtet werden, und dies ist formales oder logisches Erkennen« (Vorsch. I). Nach GIOBERTI ist alles Erkennen eine Offenbarung Gottes in uns. GALUPPI betrachtet als Urtatsache des Erkennens das ein außer ihm Seiendes erfassende Ich. Nach SCHOPENHAUER erkennen wir verstandesmäßig nur Erscheinungen (s. d.); das Ding an sich aber unmittelbar im eigenen Willen (s. d.). Nach HERBART ist die Erkenntnis insofern bloß formal, als sie nur die Beziehungen der Dinge, nicht die Beschaffenheit der wirklichen Wesen (Realen s. d.) erfaßt (Met. II, 412 ff.). BENEKE erklärt die Erkenntnis der Außenwelt für relativ und Subjektiv, die innere Erfahrung dagegen gewährt adäquate Erkenntnis (Syst. d. Log. II, 288).